Börse Der Fluch der Dax-Zugehörigkeit

Dax-Anzeigetafel Quelle: dpa

Alle drei Monate werden die Auf- und Absteiger im Leitindex Dax bekanntgegeben. Diesmal ändert sich nichts. Für Anleger eine gute Nachricht: Denn nach dem Aufstieg schwächeln Aktien häufig. Warum eigentlich?

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Börsennotierte Unternehmen streben vielfach danach, in den deutschen Aktien-Leitindex Dax aufzusteigen. Dort winkt ihnen mehr Aufmerksamkeit. Internationale Investoren haben Dax-Werte stärker im Fokus. Auch Zeitungen, Funk und Fernsehen berichten dann häufiger. 

Einmal pro Quartal besteht regulär die Chance auf den Dax-Aufstieg. Jetzt war es wieder soweit: Die Deutsche Börse hat bekanntgegeben, welche Auf- und Absteiger es in der Dax-Familie zum 19. Juni geben wird. Biotechfirma Evotec ersetzt im Index für mittelgroße Werte MDax beispielsweise den Netzwerk-Spezialisten Adtran. Die auf Getränkeabfüllanlagen spezialisierte Krones steigt für das Immobilienunternehmen Aroundtown auf. Außerdem kommen noch Software AG und Shop Apotheke neu in den MDax. Im Leitindex Dax aber, der die nach Marktkapitalisierung 40 größten Unternehmen abbilden soll, gibt es keine Änderung.

Kurioserweise ist das für Anleger eher eine gute Nachricht. Denn auf dem Dax liegt so etwas wie ein Fluch: Die Aktien von Aufsteigern entwickeln sich im Anschluss auffallend oft schwach, nachdem sie vor dem Aufstieg im Wert stark zugelegt haben. Bitter ist das vor allem für Anleger, die mit Indexfonds (ETFs) in den Dax investieren. Ihnen entgeht ein Teil der Kursperformance – denn sie partizipieren erst ab dem Aufstieg an der Entwicklung der jeweiligen Aktie.

Dabei ist der Dax-Fluch kein unerklärliches Unheil, sondern vielmehr die direkte Folge der Dax-Methodik. Um in den Dax zu kommen, müssen Unternehmen – neben ein paar qualitativen Kriterien – vor allem zu den 40 größten Unternehmen nach Börsenwert gehören. Angesetzt wird dabei die Marktkapitalisierung ihrer frei handelbaren Aktien, auf Basis eines 20-tägigen Durchschnittskurses. Das heißt: Je stärker der Aktienkurs steigt, desto eher besteht die Chance auf einen Dax-Aufstieg. 

Wozu das führen kann, zeigt das Beispiel von Autozulieferer Continental. Der zählte schon bei Auflage des Dax im Jahr 1988 zu den Mitgliedern und war dort anfangs bis September 1996 vertreten. Der Kurs legte in dem Zeitraum deutlich zu. Trotzdem reichte es 1996 nicht mehr für den Dax. Conti flog raus und war bis September 2003 nicht im Dax. In dieser Zeit legte der Aktienkurs aber um 78 Prozent zu. Also stieg Conti wieder auf, war dann wieder gut fünf Jahre im Dax – bis Dezember 2008. Der Kurs kam mit nur gut 30 Prozent Gewinn nicht großartig von der Stelle. 

Conti und der Dax: Sie passen einfach nicht zusammen

Von 2008 bis September 2012 zählte Conti dann wieder nicht mehr zur Dax-Auswahl – schaffte dafür aber über 160 Prozent Kursgewinn. Seitdem ist der Reifenspezialist wieder zurück im Dax und hat fast zehn Prozent an Kurs eingebüßt. Conti und der Dax, das wirkt wie ein zerstrittenes Liebespaar. Jeder weiß, dass die beiden besser ohne einander klarkommen. Doch sie selbst wollen es immer wieder versuchen. 

Eine Auswertung der WirtschaftsWoche aller Auf- und Absteiger im Dax der vergangenen zehn Jahre zeigt, dass Aufsteiger im Jahr vorher im Schnitt 28 Prozent Kurszuwachs verzeichneten. Im Jahr nach dem Dax-Aufstieg schwächelte ihr Kurs dann und sank im Schnitt um 1,4 Prozent. Rein technische Dax-Wechsel, etwa Abspaltungen, wurden nicht in die Auswertung einbezogen.

Die besten Dax-Aufsteiger auf Ein-Jahres-Sicht waren Essenslieferdienst Delivery Hero, der im Jahr nach dem Aufstieg (von August 2020 bis August 2021) um 32 Prozent im Kurs zulegte. Danach brach sein Kurs allerdings ein. Auch Wohnungsunternehmen Deutsche Wohnen gelang im Dax noch ein Kursanstieg von 28 Prozent binnen eines Jahres. Doch das waren die rühmlichen Ausnahmen. Flugzeugtriebwerkbauer MTU Aero Engines (Dax-Aufsteiger 2019) oder Spezialchemiekonzern Covestro (Dax-Aufstieg im Jahr 2018) brachen im Dax in nur einem Jahr gleich um 40 Prozent ein. 

Nun lag dies bei MTU auch am Coronacrash des Jahres 2020. Doch im Schnitt sprechen die Daten des Finanzinformationsdienstes Bloomberg eine eindeutige Sprache: Vor dem Dax-Aufstieg laufen Aktien gut, danach erst einmal eher schwach. 

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Deswegen allerdings die Dax-Absteiger zu kaufen, wäre keine gute Anlagestrategie. Zwar haben sie im Vorfeld des Dax-Abstiegs kräftig an Wert verloren, im Schnitt waren es innerhalb eines Jahres rund 30 Prozent. Doch im folgenden Jahr ging der Kursverlust weiter. So verloren die Dax-Absteiger der vergangenen zehn Jahre im Jahr danach durchschnittlich nochmals knapp 20 Prozent. Rechnet man Wirecard als Sonderfall heraus, lag der durchschnittliche Verlust binnen eines Jahres bei 13 Prozent. 

In einigen Fällen haben die Dax-Auswahlkriterien ETF-Investoren auch vor hohen Verlusten bewahrt: So verloren die Dax-Absteiger des Jahres 2018 Thyssenkrupp, Commerzbank und ProSiebenSat.1 in den jeweils folgenden zwölf Monaten kräftig an Wert (um wenigstens 45 Prozent) – außerhalb des Dax. Manchmal ist der Dax also nicht nur Fluch, sondern für Anleger auch Segen.

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