




Märkte benötigen offenbar von Zeit zu Zeit einen Weckruf, um Erwartungen mit der Wirklichkeit abzugleichen – manchmal mit dem Ergebnis ruckartiger Anpassungen. Einen solchen Weckruf stellte die Abwertung des Yuan gegenüber dem US-Dollar durch die chinesische Regierung dar. Den Investoren wurde spätestens jetzt klar: Die zwischenzeitlich erreichten Bewertungsrelationen standen mit der realwirtschaftlichen Realität nicht im Einklang.
Fundamentalfaktoren spielen damit wieder eine größere Rolle als im bisherigen Jahresverlauf – endlich! Denn während die Marktteilnehmer in den ersten Wochen des Jahres geradezu blind der segenspendenden Kraft einer fortgesetzt unbeschränkten Liquiditätszufuhr durch die Notenbanken und besonders die EZB vertrauten, absorbierte anschließend das nicht enden wollende Griechenland-Drama die Aufmerksamkeit. Dabei waren sich wohl alle darin einig, dass der Ausgang dieses Dramas nur von geringer Relevanz für die wirtschaftliche Entwicklung Europas und im Rest der Welt ist. In dieser Phase wurden schlechte Nachrichten aus China und anderen Schwellenländern zwar zur Kenntnis genommen, führten aber nicht wirklich zu erkennbaren Marktreaktionen.
Zur Person
Axel D. Angermann ist Chef-Volkswirt der FERI Gruppe. Nach ersten beruflichen Stationen beim Max-Planck-Institut für Ökonomie und beim Verband der chemischen Industrie, wechselte er 2002 als Branchenanalyst zum Vermögensverwalter FERI in Bad Homburg. Seit 2008 leitet er dort den Research-Bereich mit Schwerpunkt Makroökonomie und Branchen.
Nun also haben die Märkte vom Sorglos-Modus in den Realitäts-Modus umgeschaltet und festgestellt, dass der Zustand der Weltwirtschaft tatsächlich Anlass zur Besorgnis gibt. Im Fokus liegt dabei zu Recht die wirtschaftliche Schwäche Chinas.
Diese ist allerdings nicht neu: Bereits seit vielen Monaten liefern praktisch sämtliche verfügbaren Konjunkturindikatoren für China zuverlässig ein Bild, das durch fortwährende Wachstumsabschwächung und signifikante Risiken charakterisiert ist. Wir erwarteten für das chinesische Wirtschaftswachstum in diesem Jahr nur noch 6,3 Prozent. Offiziell strebt China noch immer sieben Prozent an.
Totalabsturz Chinas unwahrscheinlich
Die Yuan-Abwertung offenbart allerdings, dass selbst die chinesische Führung nicht länger daran glaubt, den aktuellen Schwierigkeiten mit homöopathischen geldpolitischen Maßnahmen begegnen zu können. Stattdessen plant China, das Arsenal konjunkturstützender Möglichkeiten stärker einzusetzen.

Darin liegt auch eine gute Nachricht: Weil sowohl das geldpolitische als auch das fiskalpolitische Arsenal gut gefüllt sind, erscheint ein Totalabsturz der chinesischen Wirtschaft eher unwahrscheinlich. Auch deshalb gibt es keinen Grund, die eher pessimistische Prognose weiter nach unten zu revidieren. Die Risiken dafür haben sich freilich erhöht, weil der Umgang der chinesischen Führung mit der Wachstumsschwäche, mit dem Aktienmarkt-Crash und auch mit dem Unglück in Tianjin generell die Frage nach ihrer Handlungsfähigkeit aufwirft.