
Frankfurt Seit beinahe drei Jahren hat der Dax nicht mehr so eine gute Woche erlebt. Ein Plus von fast elf Prozent konnte er gut machen. Die Wochen davor erlebte der Dax noch eine seiner längsten Talfahrten. Der Dax schloss heute 0,7 Prozent höher bei 6.080 Punkten. Die hohen Gewinne vom Mittag von mehr als zwei Prozent konnte der Leitindex nicht halten.
Für die Kursgewinne gab es mehrere Gründe: Händler verwiesen am Mittag auf einen Short Squeeze, Finanzwerte profitierten den ganzen Tag über von guten Nachrichten über den Bankenstresstest und US-Daten stützten zusätzlich Autowerte. Am Nachmittag wurde auch der erfreulich ausgefallene Arbeitsmarktbericht der USA veröffentlicht.
Hinzu kamen Spekulationen auf milliardenschwere EZB-Hilfen für Problemländer über den IWF am Nachmittag. Der Euro zog bis auf 1,3536 (spätes Vortagesgeschäft: 1,3463) Dollar an. Der Dax stieg auf ein Tageshoch bei 6164 Zählern und lag damit mehr als zwei Prozent im Plus. Händler verwiesen auf einen Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg, wonach die EZB bis zu 200 Milliarden Euro über den Internationalen Währungsfonds an Schuldenländer geben könnte.
„Es gibt eigentlich keinen konkreten Grund für die Kursgewinne. Sobald es allerdings aufwärts geht, sind viele Anleger, die auf fallende Kurse gesetzt haben, gezwungen einzusteigen“, sagte ein Händler am Mittag.
Mit einem solchen „Short Squeeze“ hatten viele Börsianer bereits die rasante Aufwärtsbewegung des Dax am Mittwoch erklärt. Der Leitindex war um rund fünf Prozent geklettert, nachdem die wichtigsten Notenbanken weltweit eine gemeinsame Aktion zur besseren Versorgung der Banken mit Geld angekündigt hatten. Um ihre Verluste klein zu halten, müssen Anleger, die auf fallende Kurse gewettet haben, bei steigenden Kursen einsteigen, was die Aufwärtsbewegung dann wiederum verstärkt.
Die Aussicht auf weitere Fortschritte zur Lösung der europäischen Schuldenkrise sorgte ebenfalls für postive Stimmung. Dabei stützten vor allem Bekundungen Deutschlands und Frankreichs.: Präsident Sarkozy bekannte sich ausdrücklich zur engen Partnerschaft mit Deutschland und Kanzlerin Merkel bekräftigte ihren Willen, die Europäische Union und den Euro über eine weitergehende wirtschafts- und fiskalpolitische Integration zu stabilisieren und für internationale Investoren attraktiver zu machen.
Ihre ablehnende Haltung gegenüber Eurobonds machte Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung an diesem Morgen auch erneut deutlich. Zur Stabilisierung der EU zog sie eine Änderung der EU-Verträge in Betracht.
Entspannung am europäischen Anleihenmarkt
Die Renditen für spanische und italienische Papiere sind in dieser Woche deutlich zurückgekommen und nähern sich dem Niveau vom August 2011 - damals begann die Europäische Zentralbank (EZB), Bonds der beiden großen Krisenländer aufzukaufen. Die Rendite für richtungweisende Zehnjahrespapiere aus Spanien fiel am Freitag um 24 Basispunkte auf 5,42 Prozent. Die italienischen Pendants gaben ebenfalls um 24 Punkte auf 6,37 Prozent nach.
Rainer Guntermann, Anleihe-Experte der Commerzbank, bezeichnete die Stimmung am Markt gegenüber der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX als „sehr konstruktiv“. Anleger hätten inzwischen festgestellt, dass das Misstrauen gegenüber Spanien und Italien übertrieben gewesen sein könnte.
Ausbleibende Verschärfung des Bankenstresstests beflügelte Finanzwerte
Der Stresstest für europäische Banken soll zufolge nicht weiter verschärft werden. Bei dem Streit zeichne sich eine Einigung zwischen der Europäischen Bankaufsicht EBA und den 27 nationalen Behörden ab, berichtet das „Handelsblatt“. Sollte der Stresstest nicht weiter verschärft werden, hätte sich Deutschland durchgesetzt.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hatte sich mit den Aufsehern anderer Staaten gegen das Vorhaben gewandt. Der Kapitalbedarf für die deutschen Banken wäre sonst über die Schwelle von zehn Milliarden Euro angewachsen. Von den neuen Kapitalanforderungen ist in Deutschland vor allem die Commerzbank betroffen, an der der Staat beteiligt ist. Die Aktien der Commerzbank schlossen als größter Dax-Gewinner mit einem Kurssprung von 10,7 Prozent. Die Werte der Deutschen-Bank legten gut fünf Prozent zu. Für den Index des europäischen Bankensektors ging es 4,2 Prozent aufwärts.
US-Arbeitsmarkt mit Hoffnungsschimmer
Positive Signale vom US-Arbeitsmarkt konnten den Markt nur kurz antreiben. Der Euro stieg unmittelbar nach Veröffentlichung des monatlichen Arbeitsmarktberichts zwar bis auf 1,3548 Dollar, was Händler als Zeichen einer steigenden Risikobereitschaft werteten. Auch der Dax zog kurzzeitig an. Die Zuschläge bröckelten allerdings binnen Minuten wieder ab.
„Jetzt stellt sich die Frage, ob der Markt zu optimistisch war“, kommentierte ein Händler die Entwicklung am Nachmittag. Etliche Investoren hätten sich im Vorfeld auf eine positive Überraschung eingestellt. Mit 120.000 neu geschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft im November wurde die Prognose von 122.000 nicht ganz erreicht. Allerdings ging die Arbeitslosenquote auf 8,6 (Prognose: 9,0) Prozent und damit unerwartet kräftig zurück.
US-Automarkt erholt sich - Aktien hoch im Kurs
Deutsche Autowerte profitierten heute von Zahlen aus den USA. Dank zuversichtlicher Verbraucher hat sich der US-Automarkt den sechsten Monat in Folge erholt. Alle großen Hersteller lockten im November mehr Käufer an und verbuchten ein deutliches Absatzplus.
Am stärksten legte die Daimler-Tochter Mercedes-Benz zu, die die Zahl der verkauften Autos nach Unternehmensangaben vom Donnerstag um 55 Prozent auf 28.300 steigerte. Volkswagen brachte 28.400 Wagen an die Kunden, 41 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die VW-Tochter Audi steigerte sich um knapp vier Prozent auf 9700 Autos. Abstriche musste allein Porsche machen: Der mit Volkswagen verbundene Sportwagenbauer verbuchte ein Minus von sieben Prozent auf knapp 2255 Wagen und führte das auf Lieferengpässe zurück. BMW -meldete einen Zuwachs von 15 Prozent auf insgesamt 26.300 Fahrzeuge seiner Marken BMW und Mini.
Aus Deutschland kamen ebenfalls gute Nachrichten für den Automarkt. Die Neuzulassungen hätten im vergangenen Monat um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf rund 270.000 Fahrzeuge zugelegt, sagte eine mit den Zahlen der Branche vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Bei der Produktion, dem Export und dem Umsatz erzielten die deutschen Autobauer 2011 neue Rekorde, wie der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, am Freitag in Berlin erklärte.
MAN-Aktien schlossen 1,5 und Daimler-Papiere 1,7 Prozent höher. Volkswagen-Werte konnten 1,7 Prozent zulegen während BMW-Aktien nur 0,7 Prozent fester schlossen.
Nach einer überraschenden Ankündigung einer Pressekonferenz auf der negative Nachrichten verkündet wurden, hatten sich Anleger von ThyssenKrupp-Aktien getrennt. Sie rutschten gegen den Trend ab und schlossen 6,4 Prozent niedriger. Der Stahl- und Industriekonzern hat wegen hoher Abschreibungen im abgelaufenen Geschäftsjahr 2010/11 einen Milliardenverlust geschrieben. Der Fehlbetrag belaufe sich auf 1,783 Milliarden Euro, nachdem im Vorjahr noch ein Gewinn von 927 Millionen Euro zu Buche gestanden hatte, wie der Dax-Konzern am Freitag mitteilte. ThyssenKrupp traut sich angesichts der unklaren Entwicklung der Schuldenkrise in der Eurozone keine Prognose für das laufende Geschäftsjahr 2011/12 zu.
Besser sah es dafür für die Werte von Vossloh aus. Nach optimistischen Aussagen zum kommenden Jahr hatten Anleger verstärkt bei deren Aktien zugegriffen. Die Papiere des Bahntechnikkonzerns kletterten im MDax um 2,3 Prozent. Vorstandssprecher Werner Andree sagte, der Konzern habe ein dickes Auftragspolster.
Die Aufnahme von ProSiebenSat.1 in den Dow Jones Global Select Dividend Index hatten Anleger am Freitag mit Käufen honoriert. Die Aktien des Fernsehkonzerns schlossen 4,3 Prozent fester und waren damit einer der größten Gewinner im MDax. Die Aufnahme von ProSieben trete nach Handelsschluss am 16. Dezember in Kraft, teilte der Indexbetreiber Dow Jones mit.