
Düsseldorf Der Dax auf Berg- und Talfahrt: Nach schwachem Beginn konnte der Leitindex im Tagesverlauf kräftige Gewinne verzeichnen. Am Nachmittag überwand er die 6.100 Punkte-Marke - und schloss bei 6.133 Punkten knapp drei Prozent im Plus. Anleger hatten vor allem die Nachrichten aus Griechenland positiv aufgenommen.
Nach stundenlangem Ringen hat Ministerpräsident Papandreou am Donnerstagnachmittag der Bildung einer Übergangsregierung zugestimmt. Damit ist das von ihm geplante Referendum vom Tisch, Papandreou hat dem massiven Druck der internationalen Geldgeber nachgegeben. Zuvor hatten zahlreiche Minister und Abgeordnete der Regierungspartei PASOK die Bildung einer „Regierung der Nationalen Rettung“ gefordert, in den griechischen Medien wurde offen über mögliche Nachfolger des Premiers diskutiert. Papandreou hatte zuletzt immer heftigeren Gegenwind verspürt, auch seine hauchdünne Parlamentsmehrheit war in Gefahr.
Die Ereignisse in Griechenland haben die Phantasie der Dax-Anleger beflügelt, am frühen Nachmittag erfreute auch eine von der EZB angekündigte Senkung des Leitzinses die Börsianer. Gleich bei der ersten Sitzung unter Vorsitz des Italieners Mario Draghi hat der Rat der Europäischen Zentralbank den Leitzins auf 1,25 Prozent gesenkt. Das teilte die EZB in Frankfurt am Donnerstag mit. Experten hatten nicht mit einer Zinssenkung gerechnet. Doch offenbar ist die Furcht vor einer heraufziehenden Rezession so groß, dass sich der neue „Mr. Euro“ zu der Senkung entschloss. „Der Schritt zeigt, wie beunruhigt die Währungshüter sind. Sie nehmen die Konjunkturrisiken, die von der Staatsschuldenkrise ausgehen, sehr ernst“, kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die Entscheidung der Zentralbank.
Der Blick der Börsianer richtete sich auch nach Cannes: Bestimmendes Thema des Gipfeltreffens, bei dem die größten 20 Industrie- und Schwellenländer noch bis Freitag tagen, waren - wie könnte es anders sein - die Turbulenzen in der Euro-Zone. Am Mittwochabend hatten die Staaten ihrem Unmut über das Vorgehen der griechischen Führung Luft gemacht. Die unmissverständliche Botschaft: Macht was ihr wollt, entscheidet euch, ob ihr im Euroland bleiben wollt. Doch bis dahin gibt es kein Geld. In Athen überschlugen sich danach die Ereignisse. Zwar hat der sozialistische Regierungschef Giorgos Papandreou auf Druck der Euro-Partner das äußerst umstrittene Abstimmungs-Vorhaben am Donnerstag wieder zurückgezogen.
Doch die Unsicherheit werde noch lange dauern und Europa belasten, meinten Gipfelteilnehmer an der wolkenverhangenen Côte d'Azur. Die Unsicherheit der globalen Partner ist greifbar: US-Präsident Barack Obama fürchtet globale Schockwellen - und die kann er kurz vor dem Wahlkampf überhaupt nicht gebrauchen. „Unsere wichtigste Aufgabe in den nächsten zwei Tagen ist es, die Finanzkrise in Europa zu lösen“, meint er beim Eintreffen in dem südfranzösischen Seebad vor laufenden Kameras. Die griechische Schuldenkrise hat die Märkte fest im Griff. Da wurden die am Donnerstag vorgelegten Unternehmenszahlen beinahe zur Nebensache.
Dax-Konzerne trotzen der Konjunktur
Zugpferde im Dax waren die Aktien des LKW-Herstellers MAN mit einem Plus von sieben Prozent. Ursache dafür sind Gerüchte, der Großaktionär VW wolle seinen Anteil an dem Unternehmen aufstocken. Auch die Aktie der Metro AG konnte zulegen, sie notierte neun Prozent im Plus. Am Morgen hatte der Handelskonzerns Zahlen vorgelegt: Das Unternehmen konnte von Juli bis September seinen operativen Gewinn (Ebit) vor Sonderfaktoren von 445 Millionen Euro im Vorjahr auf 614 Millionen Euro steigern. Nach Sonderfaktoren blieb ein Ebit von 563 Millionen Euro. Auch Heidelberg Cement schloss über drei Prozent im Plus. Der Baustoffhersteller hatte bekannt gegeben, dass sein Ergebnis trotz gestiegener Energiepreise auch im dritten Jahr stabil geblieben ist. Positiv wirkten sich auch die guten Quartalsbilanzen von BMW und Metro auf den Kurs aus.
Aufwärts ging es auch bei den Bankaktien. Nach einem anfänglichen Absturz um 1,6 Prozent drehten sie am Vormittag ins Plus. Stärkster Titel war die Commerzbank, die 5,5 Prozent hinzugewinnen konnte. Zu den Verlierern im Aktienindex zählt hingegen Adidas.
Zwar konnte der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach ein Rekordquartal vermelden: Der Umsatz legte von Juli bis September auf 3,7 Milliarden Euro zu (im Vorjahreszeitraum waren es 3,5 Milliarden Euro). Das Betriebsergebnis verbesserte sich von 411 Millionen auf 441 Millionen Euro, der Nettogewinn stieg von 266 Millionen auf 303 Millionen Euro. Der Aktie des Konzerns half das nicht - Adidas war der schwächste Wert im Aktienindex. „Bei Adidas haben die Anleger die Latte ganz hoch gehängt, und wenn dann die Erwartungen nur gerade erfüllt werden, sind sie enttäuscht“, begründete ein Händler die Verkäufe. Ein anderer vermutete, dass vielen der Ausblick nicht optimistisch genug ausgefallen sei.
Als erster Dax-Konzern hatte am Morgen der bayerische Autohersteller BMW seine Zahlen vorgelegt. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) kletterte auf 1,716 Milliarden Euro, das sind 44 Prozent mehr als vor Jahresfrist. Der Überschuss stieg um 24 Prozent auf 1,082 Milliarden Euro. Damit lag das Unternehmen etwas über den Erwartungen der Analysten.
Weniger erfreulich waren die Zahlen von Beiersdorf. Der Gewinn sei im dritten Quartal auf 78 Millionen Euro gesunken, vor Jahresfrist waren es 104 Millionen gewesen. Analysten hatten größere Gewinne erwartet. Der Kosmetikkonzern leidet unter den Folgen einer Produktbereinigung - seit Ende vergangenen Jahres streicht Beiersdorf unrentable Produkte aus seinem Sortiment. Allen Problemen zum Trotz: Die Prognose für das Gesamtjahr hat der Konzern bekräftigt.
Eine leichte Erholung vom Griechenland-Schock war auch an der Wall Street zu beobachten. Wenige Stunden nach Handelsbeginn war der Dow Jones mit 11.982 Punkten 1,2 Prozent im Plus. Die Börse in Tokio blieb heute wegen eines Feiertags geschlossen.