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Börse Frankfurt EZB-Antrieb verpufft – Dax schließt im Minus

Das Strohfeuer, dass durch Anleihekäufe der EZB ausgelöst wurde, ist schon wieder erloschen. Der Dax musste deutliche Verluste hinnehmen. Die Risiken für Anleger wachsen, zumal aus Russland schlechte Nachrichten kommen.

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Börse Frankfurt: Anleger halten sich noch zurück und behalten Anleihen und die EZB im Auge. Quelle: dpa

Frankfurt Für den Dax geht eine verlustreiche Woche zu Ende. Fünf Tage in Folge schloss der Leitindex im Minus. Heute sah es für den Dax nicht anders aus. Nach einer kurzen Erholung am frühen Nachmittag fiel der Dax erneut und schloss 0,8 Prozent tiefer bei 5.800 Punkten. Stützkäufe der EZB bei Staatsanleihen konnten die Stimmung am Nachmittag nur kurz aufhellen.

In die Diskussion, inwieweit die EZB Staatsanleihen kaufen sollte, hat sich nun auch der Chefvolkswirt der Deutschen Bank eingeschaltet. „Die EZB solle dem Rettungsfonds EFSF helfen, Anleihen verschuldeter Euro-Länder zu kaufen,“ sagte Thomas Mayer, Chefsvolkswirt der Deutschen Bank, dem ZDF-„Morgenmagazin“. „Ich denke, dass letztendlich die EZB hinter dem EFSF stehen sollte.“ Gleichzeitig müsse die EZB darauf achten, dass nicht unbegrenzt Staatsanleihen gekauft würden, sagte Mayer.

Russische Zentralbank will vorerst nicht bei EFSF einsteigen

Die Zurückhaltung der russischen Zentralbank in der Frage einer Beteiligung am Rettungsfonds EFSF hat am Freitagnachmittag die europäischen Aktienmärkte und den Euro belastet. Dax und EuroStoxx50 fielen auf Tagestiefs von 5769,69 beziehungsweise 2220,27 Punkten. Die Gemeinschaftswährung gab etwa die Hälfte ihrer Kursgewinne ab und kostete nur noch 1,3514 Dollar.

Der russische Notenbankpräsident Sergej Ignatjew hatte zuvor gesagt, angesichts der noch unklaren Details über die Ausgestaltung des EFSF würde er sich derzeit nicht für einen direkten Einstieg aussprechen. „Das hat den Abgabedruck auf Dax und Euro verstärkt“, sagte ein Börsianer. Die Russische Führung hat in der Vergangenheit mehrfach betont, sie würde eine Lösung unter Leitung des Internationalen Währungsfonds (IWF) bevorzugen.

Dank Stützungskäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) machte sich bei den zehnjährigen spanischen und italienischen Papieren am Freitag etwas Entspannung breit. Die italienischen Renditen fielen auf 6,784 Prozent zurück nach 6,917 Prozent am Vortag, die spanischen notierten bei 6,439 (Vortag: 6,515 Prozent).

Gestern noch hatte die Auktion spanischer und französischer Anleihen für Unruhe gesorgt. Beide Länder konnten sich nur zu deutlich höheren Zinsen frisches Geld am Markt besorgen. Spanien musste den Anlegern fast sieben Prozent Rendite bieten und nähert sich damit bedrohlich der Marke, ab der sein Schuldendienst zu teuer wird.

Für Verkaufsstimmung sorgte allerdings auch die Tatsache, dass die Schuldenkrise europäischen Banken immer mehr den Zugang zu frischen Investorengeldern versperrt. Die Refinanzierung für drei Jahre und länger sei derzeit nahezu unmöglich, sagten zahlreiche Top-Banker am Freitag in Frankfurt. „Die Bereitschaft von Investoren, sich längerfristig in Banken zu engagieren, ist nicht sehr ausgeprägt“, sagte Deutsche-Bank -Chef Josef Ackermann auf einer Finanzkonferenz.

Griechenland tritt angesichts der Probleme der weit größeren Volkswirtschaften wie Italien etwas in den Hintergrund - trotzdem dürfte das Augenmerk der Investoren heute wieder Griechenland gelten. Mit einem Schuldenschnitt und Privatisierungserlösen in Milliardenhöhe will Griechenland sein Staatsdefizit um mehr als ein Drittel drücken, wie es im Haushaltsentwurf vom Freitag hieß. Die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben soll 2012 nur noch 5,7 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen. Ein neues Sparpaket soll der Bevölkerung nicht zugemutet werden. „Wir brauchen keine weiteren Maßnahmen mehr, die an den Einkommen der Bürger zehren - so lange wir umsetzen, was wir bereits beschlossen haben“, sagte Finanzminister Evangelos Venizelos.


Bieterkampf zwischen VW und BMW

Deutsche Börse geht Kompromisse ein
In den Mittelpunkt des Geschehens rückten auch die Aktien der Deutschen Börse. Der Frankfurter Börsenbetreiber und die Nyse Euronext wollen ihre umstrittene Fusion durch weitreichende Zugeständnisse an die EU-Kommission doch noch retten. Die Unternehmen schlugen vor, bestehende Überschneidungen bei Derivaten auf europäische Einzelaktien zu beseitigen und Konkurrenten wie der Londoner LSE Zugang zu ihrer Clearing-Sparte zu verschaffen. Den Wettbewerbshütern in Brüssel ist die beherrschende Marktposition der beiden Unternehmen ein Dorn im Auge.

Die Aktie der Deutschen Börse drehte nach anfänglichen Kursverlusten ins Plus und schloss mit einem Aufschlag von 2,75 Prozent an der Dax-Spitze. „Im ersten Moment habe ich gedacht: was machen sie da nur?“, sagte Christian Muschick, Analyst bei Sylvia Quandt Research. Letztlich dürfte das aber ein guter Weg sein, um die EU-Kommission zufriedenzustellen, ohne zuviel aufzugeben.

Spekulationen um Bieterwettkampf

Für Aufsehen im Dax sorgte der Autohersteller BMW, der sich beim Carbonfaser-Hersteller SGL Carbon einen satten Anteil von 15,16 gesichert hat. SGL stiegen um 6,5 Prozent und waren damit größter MDax -Gewinner, die Aktie schloss aber nur 1,2 Prozent höher. „Das weckt Spekulationen auf einen Bieterwettkampf von BMW und Volkswagen“, sagte ein Händler. VW war bereits im Februar bei SGL eingestiegen. BWM-Aktien verloren 1,7 Prozent und Volkswagen-Aktien schlossen 1,8 Prozent tiefer.

Seit vor einem Monat erste Gerüchte über einen Einstieg von BMW bei SGL hochkamen, ist die Aktie des Grafitspezialisten um 20 Prozent nach oben geschossen. Für BMW könnte es billiger werden, eine Karbonfaserfabrik „auf der grünen Wiese“ zu bauen, als sich auf einen Bieterwettbewerb einzulassen, sagte ein Analyst. Die Investmentgesellschaft von BMW-Großaktionärin Susanne Klatten, Skion, hält laut Reuters-Daten 28,30 Prozent an SGL. BMW-Konkurrent VW kommt demnach auf 7,9 Prozent. „Aber das ist ein Machtkampf ohne wirtschaftliche Logik. Das Know-How zur Herstellung der Komponenten liegt nicht bei SGL, und die weltweite Produktionskapazität für Karbonfasern liegt deutlich über der Nachfrage ", so der Analyst weiter.

Der japanische Autobauer Suzuki drängt verstärkt auf einen Rückzug des Großaktionärs aus Wolfsburg. Man wolle die Partnerschaft beenden und den VW-Anteil zurückkaufen, teilte Suzuki am Morgen mit. Ein Sprecher von VW sagte indes am Morgen zu der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX, dass der Autobauer an seinem Suzuki-Anteil festhält.

Zu den größten Verlierern im Dax zählten die Aktien von Infineon, die 2,2 Prozent niedriger schlossen. Seitdem sich der Konzern am Mittwoch skeptisch zu den Umsatzaussichten im neuen Geschäftsjahr geäußert hat, ist die Aktie bereits um gut neun Prozent abgerutscht.


Hälfte europäischer Unternehmen verfehlen Prognosen

Die Hälfte der börsennotierten Unternehmen in Europa hat die Analystenerwartungen im dritten Quartal verfehlt. Wie aus Daten von Thomson Reuters StarMine hervorgeht, haben die anderen der 255 Firmen die Prognosen erreicht oder übertroffen. Damit schnitten die europäischen Unternehmen schlechter ab als jene in den USA: Dort übertrafen oder erreichten 76 Prozent der 481 Konzerne die Erwartungen.

Hersteller von Konsumgütern für den nichttäglichen Bedarf haben in Europa die besten Bilanzen vorgelegt. Hier erreichten oder übertrafen 70 Prozent der 27 Firmen die Prognosen. Dagegen fand sich der Gesundheitssektor am Ende der Rangliste wieder. Von den 22 Unternehmen aus diesem Bereich vermeldeten 68 Prozent enttäuschende Ergebnisse.

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