
Düsseldorf Die drohende Herabstufung der Kreditwürdigkeit Deutschlands und praktisch aller anderen Euro-Länder hat am Dienstag zu deutlichen Verlusten im Dax geführt. Der deutsche Leitindex schloss am späten Nachmittag mit Minus 1,3 Prozent bei 6.029 Punkte. Gestern war er noch mit einem leichten Plus von 0,4 Prozent auf 6.106 Zähler aus dem Handel gegangen. Der MDax büßte 1,1 Prozent ein auf 8.944 Punkte und der TecDax gab um 1,2 Prozent nach auf 694 Punkte.
„Aus Sicht des Marktes erhöht die Warnung von S&P den Druck auf die Politik, die Bekämpfung der Euro-Krise ernsthaft anzugehen“, sagte Joe Rundle von ETX Capital. Die Ratingagentur hatte am späten Montagabend zu einem Rundumschlag in Europa ausgeholt. Sie warnte die bisher mit der Top-Bonitätsnote „AAA“ bewertete Bundesrepublik, sie könnte wegen der Schuldenkrise in der Euro-Zone um eine Stufe abgewertet werden. Am Dienstagnachmittag weitete Standard & Poor's ihre Warnung auf den Euro-Rettungsfonds EFSF aus. Auch dieser könnte seine bisherige Topbonität verlieren, falls ein bisher mit Bestnote versehenes Mitgliedsstaat der Eurozone herabgestuft werden sollte. Dabei könnte die Kreditbewertung des EFSF um ein bis zwei Stufen gesenkt werden, hieß es in einer Mitteilung.
Jim O'Neill, Chef der Vermögensverwaltung bei Goldman Sachs, bezeichnete den Zeitpunkt der S&P-Warnung kurz vor dem EU-Gipfel als „lächerlich“: „Ich zweifle an der Relevanz der Entscheidung.“ Ähnlich äußerten sich auch andere Analysten und Volkswirte. Mit der S&P-Drohung dürfte der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag dennoch stärker in den Fokus der Anleger rücken. „Jeder Fehlschlag der europäischen Politik, eine Einigung zu erzielen, oder jeder ungenügende Plan könnte eine unmittelbare Reaktion der Rating-Agentur auslösen“, sagte Jonathan Sudaria vom Brokerhaus LCG.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy hatten am Montag erste Ideen präsentiert, wie sie für eine verbindlichere Einhaltung der Schuldengrenzen sorgen wollen. Auf dem EU-Gipfel soll entschieden werden, ob die Neuregelungen Teil des EU-Vertrages werden oder ob die Euro-Zone alleine voranmarschiert. Am Rentenmarkt nahmen die Anleger den S&P-Warnschuss unaufgeregt zur Kenntnis.
Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen lag mit 2,184 Prozent nur leicht höher als im Vortagesgeschäft mit 2,162 Prozent. Die Reformanstrengungen Italiens drückten die Rendite der zehnjährigen Papiere des Landes erstmals seit Ende Oktober wieder unter die Sechs-Prozent-Marke. Der Zins ging bis auf 5,871 Prozent zurück, nachdem der neue italienische Ministerpräsident Mario Monti am Wochenende ein 30 Milliarden Euro schweres Sparpaket vorgestellt hatte, um das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen.
Die Prognosesenkung der Metro sorgte für einen Kurseinbruch von fast 14 Prozent. Der Handelsriese Metro hat wegen eines schwach angelaufenen Weihnachtsgeschäfts und negativer Währungseffekte seine Jahresziele eingedampft. Statt Zuwächsen erwarte der Vorstand nunmehr Einbußen bei Umsatz und Gewinn, teilte Metro am Dienstag mit. Sollte sich der schwache Verlauf im wichtigen Weihnachtsgeschäft fortsetzen, werde der Umsatz 2011 unter dem Vorjahreswert von 67,3 Milliarden Euro liegen.
Zu den größten Verlierern im Dax zählte auch RWE, die eine milliardenschwere Kapitalerhöhung auf den Weg gebracht haben. Die Titel des Energiekonzern gaben 7,2 Prozent nach. „Die Kapitalerhöhung kommt alles andere als überraschend“, sagte ein Börsianer. Indes hat das Unternehmen sein ursprüngliches Einnahmeziel von 2,5 Milliarden Euro verfehlt. Aus der Kapitalmaßnahme erhalte der Konzern einen Bruttoemissionserlös von 2,1 Milliarden Euro, teilte der Versorger am Dienstag mit. Das Unternehmen hatte bis zu 2,5 Milliarden einnehmen wollen. Die Differenz werde der Konzern durch zusätzliche Effizienzmaßnahmen ausgleichen, sagte eine Sprecherin. RWE setzte Angebotspreis und den Bezugspreis für die 52,3 Millionen neuen Aktien und die 28,1 Millionen eigenen Aktien auf 26 Euro je Anteilsschein fest.
Trotz der Schuldenkrise hat die deutsche Industrie im Oktober das größte Auftragsplus seit anderthalb Jahren eingefahren. Die Unternehmen zogen wegen der starken Auslandsnachfrage 5,2 Prozent mehr Bestellungen an Land als im Vormonat, teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag mit. Ein stärkeres Plus gab es zuletzt im März 2010 mit 5,6 Prozent. Von Reuters befragte Analysten hatten nur einen Zuwachs von 0,8 Prozent erwartet. Zuvor waren die Aufträge drei Monate in Folge geschrumpft, im September mit 4,6 Prozent besonders stark. „In der Tendenz bleibt die Nachfrage zurückhaltend“, warnte das Ministerium vor Euphorie. „Die Industrieproduktion dürfte daher ihre derzeit ruhigere Entwicklung vorerst beibehalten.“
Die Wirtschaft in den Euro-Ländern ist im dritten Quartal kaum noch gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg zwischen Juli und September wie von Experten erwartet um 0,2 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistikamt Eurostat am Dienstag mitteilte und damit eine erste Schätzung bestätigte. Binnen Jahresfrist legte die Wirtschaftsleistung um 1,4 Prozent zu.
Der Handelskonzern Douglas blickt anders als der Konkurrent Metro mit Zuversicht auf das Weihnachtsgeschäft 2011. „Wir sind mit dem bisherigen Verlauf des Weihnachtsgeschäftes in Deutschland recht zufrieden“, erklärte Douglas-Chef Henning Kreke am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Kunden zeigen sich durchaus in Kauflaune - sowohl in unseren Fachgeschäften als auch in unseren Online-Shops“, unterstrich er. Insgesamt lägen die Umsätze bislang „im Rahmen unserer Erwartungen“. Douglas sei deshalb für die verbleibenden Wochen bis Heiligabend „weiter zuversichtlich, denn die allerwichtigsten Tage liegen ja noch vor uns“. Trotz der optimistischen Töne ging es für die Aktien 2,7 Prozent abwärts.
Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft Air Berlin hat in den ersten elf Monaten des Jahres mehr Passagiere befördert als im Vorjahreszeitraum und auch die Kapazitätsauslastung verbessert. An Bord gingen mit 33,281 Millionen Passagieren rund 680 000 oder 2,1 Prozent mehr, teilte Air Berlin am Dienstag in Berlin mit. Die Kapazitätsauslastung verbesserte sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,9 Prozentpunkte auf 78,4 Prozent. Im November 2011 registrierte die Airline allerdings gegenüber dem Vorjahresmonat ein Passagierminus von knapp 10 Prozent auf 2,259 Millionen. Auch die Auslastung der Flotte ging bei einer Verringerung des Angebots um 9 Prozent auf 74,2 Prozent (November 2010: 74,9) zurück. Die Aktie verlor 3,3 Prozent.