Börse für Einsteiger - Teil 2 Der mächtige Zinseszinseffekt – und sein gefährlicher Gegenspieler

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Produktkosten: TER ist entscheidend

Neben den Depotgebühren, Transaktionskosten und ggf. den Gebühren für eine Vermögensverwaltung können auf der Ebene der Produkte Kosten anfallen. Das gilt insbesondere für Fonds (und für Zertifikate, über die ich aber ja nicht schreiben wollte).

Fonds müssen verwaltet werden, ihre Vermögenswerte verwahren (lassen), Jahresprüfberichte von Wirtschaftsprüfern erstellen lassen, Kapitalflüsse wie Zins- und Dividendeneinnahmen und Ausschüttungen an die Fondsinhaber verwalten, die Ausgabe und Rücknahme von Fondsanteilen bereithalten und durchführen und vieles mehr. All das kostet Geld. Außerdem müssen das Fondsmanagement, die Miete und andere Overhead-Positionen bezahlt werden. Je nach Größe des Fondsvolumens fallen diese Kosten mehr oder weniger ins Gewicht. Verwaltet der Fonds ein großes Fondsvermögen, treten Skaleneffekte ein und fallen einige der Positionen auf den Anteil bezogen weniger ins Gewicht. Der Löwenanteil der Kosten ist aber die Verwaltungsgebühr, die immer als ein Prozentsatz des verwalteten Vermögens erhoben wird. Schon das ist bemerkenswert, aber nun einmal der Fall. An Größenvorteilen und Skaleneffekten lassen uns die Fondsgesellschaften nicht partizipieren.

Wie sich die Kosten genau zusammensetzen, muss Dich eigentlich nicht weiter interessieren. Für Dich zählt nur, wie hoch die Kosten in Relation zu Deinem investierten Betrag sind. Man spricht von der Total Expense Ratio (der TER oder den Gesamtkosten), welche für jeden Fonds im Key Investor Information Document (KIID) ausgewiesen sein müssen. Die meisten Fonds geben die TER auch schon in ihrer Fondsübersicht auf Ihrer Website oder im Datenblatt an.

Die TER ist deshalb ein guter, wenngleich nicht perfekter Anhaltspunkt für Dich. Nicht perfekt ist sie deshalb, weil sie leider nicht alle Kostenpositionen enthält. Enthalten sind zwar die Kernpositionen wie die Verwaltungsgebühr, Verwahrgebühr und andere administrative Kosten. Aus welchem Grund auch immer sind aber die Transaktionskosten, also die Kosten, die beim Kauf und Verkauf der einzelnen Wertpapiere anfallen, nicht ausgewiesen, obwohl sie vom Fonds getragen werden.

Die eigentlichen Kosten eines Fonds liegen deshalb regelmäßig über der TER. Professionelle Anleger verlangen von den Fondsgesellschaften deshalb teilweise die Total Cost of Ownership Ratio, die wirklich alle Kosten enthält, die mit dem Besitz des Fonds anfallen. Als Privat- und Kleinanleger kommst Du an diese Information aber leider nicht heran. Mache Dir deshalb nur klar, dass die tatsächlichen Kosten in ihrer Summe etwas höher sind als die TER. Der Begriff Total Expense Ratio (oder Gesamtkosten) ist insoweit etwas irreführend.

Bei Direktanlagen in Aktien und Anleihen, wenn Du also selber Aktien oder Anleihen kaufst, fallen keine Produktkosten an. Diese sparst Du deshalb bei der Direktanlage.

Vertriebsprovisionen: Hier kassiert Deine Bank

Wie oben schon angesprochen, bezahlen viele Fondsgesellschaften andere für den Vertrieb ihrer Fonds. Die Vergütung besteht aus zwei Komponenten:

Ausgabeaufschlag
Du zahlst beim Kauf eines Fonds oft einen (verhandelbaren) Ausgabeaufschlag. Dieser fließt unmittelbar an den Vertrieb. Ein marktüblicher Ausgabeaufschlag wird mit fünf Prozent ausgewiesen, kann aber runtergehandelt werden. Wie weit, hängt von der Anlagesumme ab.

Der Ausgabeaufschlag ist für Dich insofern besonders misslich, als Dir am Tag eins Deines Investments erst einmal fünf Prozent Deines Anfangsanlagebetrags fehlen. Du musst diese fünf Prozent erst einmal erwirtschaften, bevor Du wieder bei Plus-Minus-Null bist und es richtig losgehen kann. Bei einem realistisch zu erwartenden Ertrag von fünf bis sieben Prozent ist das erste Jahr also allein schon wegen des Ausgabeaufschlags futsch. Und auch hier gilt natürlich das Zinseszinsprinzip. Die gezahlten fünf Prozent sind ein für alle Mal weg und können für Dich keinen Ertrag und keinen Ertrages-Ertrag erwirtschaften. Die fehlenden fünf Prozent wirken sich also fortwährend und mit der Zeit exponentiell negativ auf Deinen Investmenterfolg aus.

Bestandsvergütung („Kick-backs“)
Der zweite Teil der Vertriebsvergütung besteht aus der sogenannten Bestandsvergütung. Diese wird vom Fonds (beziehungsweise der Fondsgesellschaft) an den Vertrieb gezahlt. Und zwar nicht nur einmal, sondern fortlaufend jedes Jahr wieder.

In der Regel beträgt die Bestandsvergütung 50 Prozent der Verwaltungsgebühr. Da diese den Löwenanteil der TER ausmacht, kann man sagen, dass ca. 50 Prozent der TER an den Vertrieb gezahlt wird. Und das jedes Jahr wieder! Das muss man sich erst einmal klarmachen. Ich wage die These, dass das den wenigsten Fondsanlegern bewusst ist.

Wenn man sich den Ausgabeaufschlag und die Bestandsprovision vor Augen hält, versteht man auch, warum kein Anlageberater (also Vertriebler) Dir zu einem Fonds raten wird, der keine Vertriebsvergütung (auch Vertriebsprovision genannt) zahlt.

Der Anlageberater ist einem handfesten Interessenkonflikt ausgesetzt. Rät er Dir zu einem Fonds, der keine Vertriebsprovision bezahlt, verdient er kein Geld. Rät er Dir zu einem Fonds mit Vertriebsprovision, klingelt beim Anlageberater hingegen die Kasse. Und zwar einmal sofort in Höhe des Ausgabeaufschlags und dann jedes Jahr wieder in Form der Bestandsprovision.

Kein Mensch kann diesem Interessenkonflikt standhalten!
Großbritannien und die Niederlande haben Vertriebsvergütungen deshalb verboten. Dort muss der Anlageberater sein Geld anders verdienen, etwa über einen Stundensatz für seine Beratung.

Du musst Dir der Vertriebsstrukturen und -vergütungen deshalb bewusst sein und wissen, dass Dir kein Bank- oder Sparkassenberater von sich aus einen Fonds ohne Vertriebsvergütung empfehlen wird. Danach musst Du ausdrücklich fragen.

Welche Fonds enthalten Vertriebsvergütungen und welche nicht?

Die Faustformel lautet: Aktiv gemanagte Fonds der Fondshäuser großer Banken, also zum Beispiel der Deka, der DWS und der Union Invest werden nach dem oben geschilderten Vertriebssystem an den Mann gebracht. Das Gleiche gilt für die Fonds der Allianz Global Investors.

ETFs und Indexfonds hingegen zahlen keine Vertriebsprovisionen. Sie sind deshalb deutlich billiger.

Während ein aktiv gemanagter Aktienfonds eine TER von ca. 1,5 Prozent hat, liegt diese bei Standard-ETFs (wie beispielsweise auf den Dax 30) oft unter 0,1 Prozent.

Nützliche Kostenübersicht

Falls Dir das mit den Kosten und Gebühren etwas zu komplex geworden ist, habe ich eine wirklich gute Nachricht für Dich: Der Gesetzgeber hat Dir ein wertvolles Geschenk gemacht.

Jede Bank und jeder Anlageberater muss Dich zu zwei Zeitpunkten über alle (!!!) Kosten und Gebühren informieren und aufklären, die (i) beim Kauf und (ii) während der Haltedauer, eines Finanzprodukts anfallen. Diese Aufklärungspflicht muss dabei speziell auf Deinen Kauf zugeschnitten sein. Eine abstrakte Darstellung der Gebühren und Kosten reicht nicht. Vielmehr muss Dir für Dein konkretes Anlageprodukt und Deinen konkreten Anlagebetrag aufgezeigt werden, welche Kosten und Gebühren beim Kauf und während der Haltedauer anfallen. Und dabei müssen alle Kosten und Gebühren einbezogen werden, von der Depotgebühr, über die Transaktionskosten bis hin zu den vollständigen Produktkosten. Die Kostenausweise gehen damit über das KIID hinaus, das ja nicht die Transaktionskosten auf Fondsebene in die TER einbezieht.

Außerdem muss Dir die Höhe der Vertriebsprovisionen ausgewiesen werden.


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Wie bereits gesagt, müssen Dir diese Informationen zu zwei Zeitpunkten zur Verfügung gestellt werden, nämlich einmal, bevor Du Deine Anlageentscheidung triffst und Deinen Kauf tätigst (ex-ante Kosteninformation), und dann jährlich rückblickend (ex-post Kosteninformation).

Motivation / Interessenkonflikt Deines Beraters

Auf den Interessenkonflikt Deines Anlageberaters bin ich schon eingegangen. Dein Berater will (und muss) an Dir Geld verdienen. Er ist dabei einem nicht unerheblichen Druck seines Arbeitgebers ausgesetzt. Banken und andere Finanzdienstleister setzen ihren Mitarbeitern Vertriebsziele, die erreicht werden sollen. In einem Monat soll ein Immobilienfonds an den Mann gebracht werden, im nächsten ein Themen-Fonds. Kurzum: Die Beratung Deines Anlageberaters ist mit großer Vorsicht zu genießen.  


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