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Börse für Einsteiger – Teil 3 Warum Du nicht versuchen solltest, den Markt zu schlagen

Quelle: imago images

Einsteigen, wenn es günstig ist. Verkaufen, wenn satte Gewinne locken. Was einfach klingt, gelingt nur wenigen Menschen – und ist für langfristige Anleger auch unnötig. Wie Du an der Börse allen Schwankungen trotzt.

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Viele Sparer in Deutschland machen aus Angst einen großen Bogen um die Börse. Das muss nicht sein, denn Börsengeschäfte sind gar nicht so kompliziert und bieten in Zeiten von Nullzinsen die besten Renditechancen. Karl Balz, Experte in der Anlegerschutz- und Investmentfirmen-Gruppe der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA, legt selbst seit 20 Jahren an der Börse an und kennt die Irrtümer und Fallstricke. In seinem Börsen-1x1 für Privatanleger erklärt er leicht verständlich, was Sparer bei ihren ersten Schritten an der Börse wissen müssen und welche Fehler es zu vermeiden gilt. Sein Anlegerleitfaden erscheint in acht Teilen auf wiwo.de - und ist für Abonnenten hier auch vollständig als Dossier abrufbar.

Die Frage des genauen Zeitpunkts eines Investments soll eigentlich nicht Thema dieser Serie sein. Weil sie Dich aber beschäftigen wird, will ich kurz darauf eingehen.

In Beiträgen zu diesem Thema wird oft behauptet, dass der Einstiegszeitpunkt nicht wichtig sei. Über einen langfristigen Zeitraum lohne sich die Anlage beispielsweise in Aktien immer. Das ist nicht falsch, aber auch nicht richtig. Wer zu einem günstigen Zeitpunkt einsteigt, gewinnt einen Vorsprung, der sich über den ganzen Anlagehorizont auswirkt. Eines meiner besten Investments war der Kauf von Aktien und Aktienfonds mitten in der Finanzmarktkrise 2008. Der Aktienmarkt war damals so abgestürzt, dass er den Boden für eine zwölfjährigen Boom-Markt bereitete. Wer damals gekauft hat, konnte praktisch nichts falsch machen. Ihm waren über die nächsten zehn Jahre Renditen von sieben bis acht Prozent praktisch garantiert. Wer hingegen kurz vor einem Crash einsteigt, braucht meist erst einmal viele Jahre, um sein Ausgangsniveau wieder zu erreichen.

Das Problem mit dem sogenannten Market-Timing, also der Suche nach einem günstigen Einstiegszeitpunkt, ist aber, dass sie nicht ganz einfach ist. Krisen wie die Finanzmarktkrise von 2008 kommen nur etwa alle zehn Jahre vor, und selbst dann ist es schwer, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Leicht steigt man zu früh ein und erleidet erst einmal kräftige Kursverluste, weil die Krise sich schlimmer entwickelt als gedacht. Oder man ist zu spät und verpasst die besten Einstiegskurse.

Das Gleiche gilt übrigens für den Verkauf nach einem guten Lauf der Börsen. Wie Investmentlegende Warren Buffett sagt: Das Problem ist, dass man nicht nur den richtigen Zeitpunkt für den Verkauf, sondern auch den richtigen Zeitpunkt für den Wiedereinstieg finden muss, damit sich das Ganze lohnt.

Trotzdem will ich nicht gänzlich von der Suche nach dem richtigen Einstiegszeitpunkt abraten. Die Börsen reagieren oft über, und wer eine solche Situation erwischt und dann mutig genug ist, beherzt zuzugreifen, kann damit sehr gutes Geld verdienen.

Die herrschende Meinung, der ich mich letztlich anschließe, ist aber, dass die Suche nach dem richtigen Zeitpunkt für den Markteinstieg oft vergebens und Glückssache ist.

Auch wenn man das akzeptiert, ist aber noch nicht klar, wie ein Investment erfolgen soll. Soll ich mein ganzes zur Verfügung stehendes Kapital auf einmal anlegen, oder soll ich es in Raten über einen längeren Zeitraum investieren?

Auch diesbezüglich scheiden sich die Geister. Es gibt Stimmen, die sagen, dass, wer Geld hat, dieses so schnell wie möglich investieren soll. Die Aktienmärkte steigen langfristig und deshalb soll man so früh einsteigen wie möglich. Letztlich eben auch, um den Zinseszinseffekt möglichst lange nutzen zu können.

Der Cost-Averaging-Effekt

Andere sprechen sich hingegen für das sogenannte Cost Averaging aus. Das bedeutet, dass man sich einen Investitionsplan zurechtlegt, nach dem man unabhängig von der konkreten Marktlage regelmäßig einen bestimmten Betrag investiert. Zum Beispiel könnte man jeden Monat 100 Euro in den Dax 30 investieren.

An manchen Kauftagen wird der Dax 30 höher stehen. Dann bekommst Du für Deine 100 Euro weniger Dax 30-Aktien. An anderen Kauftagen wird der Dax tiefer stehen. Dann bekommst Du für Deine 100 Euro mehr Aktien. Über einen längeren Zeitraum kaufst Du also sowohl zu hohen als auch zu tiefen Dax 30-Ständen. Damit erzielst Du einen Durchschnittspreis (deshalb Cost Averaging) und setzt Dich nicht der Gefahr aus, teuer eingekauft zu haben und gleich am Anfang aufgrund eines dummen Zufalls hohe Verluste einzufahren. Ich schreibe diesen Beitrag mitten in der Coronakrise. Wer im Februar 2020 Aktien gekauft hat, hat im März 2020 auf einen Schlag 30 bis 40 Prozent Verlust gemacht. Zwar wurde dieser Verlust schnell wieder gut gemacht. Der Kauf im Februar 2020 wäre aber trotzdem misslich gewesen. Hättest Du nur bis Ende März gewartet, lägst Du jetzt schon ca. 50 Prozent im Plus. Und meist brauchen die Börsen deutlich länger, bis die alten Höchststände wieder erreicht sind. Der ungünstige Einstiegszeitpunkt würde Dich deshalb wahrscheinlich lange ärgern. Auch das ist ein Gesichtspunkt. Ich rate deshalb zum Cost Averaging.

Die absolute Kernregel des Cost Averaging, von der auf keinen Fall abgewichen werden darf, ist, dass der Investitionsplan eingehalten werden muss! Wer im Februar 2020 anfängt, seine 100 Euro zu investieren und im März 2020 wegen der Coronakrise kalte Füße bekommt und seine monatlichen Investitionen aussetzt, hat nur zum teuren Zeitpunkt gekauft, die günstigeren Kurse aber nicht mitgenommen. Das macht das Cost Averaging zunichte. Die goldene Regel lautet also, die regelmäßigen Investitionen in gleicher Höhe beizubehalten, come hell or high water!

Zur Umsetzung dieser Regel empfiehlt sich ein automatisch aufgesetzter Investitionsmechanismus. Banken und andere Anbieter bieten Sparpläne an, denen zufolge automatisch monatlich bestimmte Beträge von Deinem Konto abgebucht und investiert werden. Auch hier ist aber natürlich auf die Kosten zu achten.

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