Börse für Einsteiger – Teil 4 Was jeder Anleger über Steuern wissen sollte

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An der Steuer kommt in Deutschland kein Anleger vorbei. Womit Du realistisch rechnen musst – und wie sich die Steuerzahlungen auf Deinen Investmenterfolg auswirken.

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Viele Sparer in Deutschland machen aus Angst einen großen Bogen um die Börse. Das muss nicht sein, denn Börsengeschäfte sind gar nicht so kompliziert und bieten in Zeiten von Nullzinsen die besten Renditechancen. Karl Balz, Experte in der Anlegerschutz- und Investmentfirmen-Gruppe der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA, legt selbst seit 20 Jahren an der Börse an und kennt die Irrtümer und Fallstricke. In seinem Börsen-1x1 für Privatanleger erklärt er leicht verständlich, was Sparer bei ihren ersten Schritten an der Börse wissen müssen und welche Fehler es zu vermeiden gilt. Sein Anlegerleitfaden erscheint in acht Teilen auf wiwo.de - und ist für Abonnenten hier auch vollständig als Dossier abrufbar.

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt beim Investieren ist die Steuer. Wenn Du in Deutschland lebst, kommst Du an ihr nicht vorbei. Das ist unter Anlagegesichtspunkten misslich, weil sich die gezahlte Steuer ähnlich wie Kosten und Gebühren unmittelbar auf Deinen Investmenterfolg auswirken. Das Geld, das Du in Form von Steuern abdrückst, steht Dir nicht zur Investition zur Verfügung und kann auch nicht über den Zinseszinseffekt für Dich wachsen.

Grundsätzlich gilt es deshalb, Steuerzahlungen hinauszuschieben und Dein Geld möglichst lange ohne den Zugriff des Staates wachsen zu lassen. Wenn Du beispielsweise einen Kursgewinn stehen lässt, anstatt ihn zu realisieren, ändert das nichts daran, dass Du den Kursgewinn irgendwann einmal versteuern musst, es sei denn, Du nimmst Deinen Kursgewinn mit ins Grab. Es wäre aber grundlegend falsch zu glauben, dass es deshalb egal ist, ob Du die Steuern auf den Kursgewinn heute oder morgen zahlst. Wenn Du sie morgen (oder besser in 20 Jahren) zahlst, steht Dir der Steuerbetrag, den Du heute zahlen würdest, weiterhin zur Verfügung und erwirtschaftet für Dich Erträge und den Zinseszins darauf. Dazu ein kleines einfaches Beispiel:

Nützlicher Steuereffekt: Ein zinsloses Darlehen vom Staat

Du hast für 10.000 Euro eine Pharma-Aktie erworben, die jährlich Dividenden von 500 Euro (Dividendenrendite fünf Prozent) abwirft. Du hattest Erfolg (und Glück), und Deine Aktieninvestition ist jetzt 20.000 Euro wert. Die Dividendenrendite ist konstant geblieben und liegt immer noch bei fünf Prozent. Du bekommst also jetzt Dividenden in Höhe von 1.000 Euro.

Wenn Du nun Dein Aktieninvestment auflöst und den Gewinn realisierst, musst Du auf den Gewinn Steuern zahlen. Der Einfachheit halber gehen wir in diesem Beispiel von einer Steuerlast in Höhe von 25 Prozent auf den Gewinn aus (dazu gleich mehr).

Da Dein Gewinn 10.000 Euro beträgt (20.000 Euro minus Deine Einstiegsinvestition von 10.000 Euro), musst Du 2.500 Euro Steuern zahlen. Du hast dann noch 17.500 Euro.

Auch wenn Du für diese 17.500 Euro wieder eine Anlage wählst, die fünf Prozent Dividende abwirft, bekommst Du jetzt nur noch 875 Euro im Jahr, nicht mehr die 1.000 Euro, die Du bekommen würdest, wenn Du bei Deiner ursprünglichen Pharma-Aktie geblieben wärst. Du bekommst also jedes Jahr 125 Euro (brutto) weniger.

Der Grund dafür liegt einzig und allein in der Steuer (von den Transaktionskosten, die Deinen Vermögensstamm ebenfalls schmälern, soll hier zur Verdeutlichung des Steuereffekts einmal abgesehen werden). Hättest Du Deinen Gewinn nicht realisiert und die Steuer nicht heute bezahlt, würdest Du jedes Jahr 125 Euro mehr in der Tasche haben. Wenn Du Dir jetzt noch den Zinseszinseffekt vor Augen führst, merkst Du, dass es sich durchaus lohnt, Steuer-Events nach hinten zu schieben. Du bekommst praktisch ein zinsloses Darlehen vom Staat und kannst dieses Darlehen für Dich arbeiten lassen. Oder anders ausgedrückt: Deine neue Investition müsste jedes Jahr um mehr als 125 Euro besser laufen als Deine Pharma-Aktie, damit sich das Umschichten lohnt. Das mag im Einzelfall einmal der Fall sein. Wenn Du das Spiel aber öfter spielst, ist es unwahrscheinlich, dass Du den negativen Steuereffekt auf die Dauer auffangen kannst.

Schließlich sei an dieser Stelle eine kurze politische Einschätzung erlaubt. In den USA und in Großbritannien, Ländern mit ausgeprägten Kapitalmarktkulturen, besteht die Möglichkeit, für die Altersvorsorge in steuerbefreiten Depots zu investieren. Kursgewinne, Zinsen und Dividenden in diesen Depots müssen erst bei Abzug der Gelder im Rentenalter versteuert werden. Dein Depot kann also unbelastet von Steuern wachsen, ohne dass Dich die Steuer vom Umschichten abhält. Ich halte das für eine gute Sache. In Deutschland besteht diese Möglichkeit aber leider nicht. Der einzige Weg, ähnliche Ergebnisse zu erzielen, liegt deshalb darin, Steuer-Events möglichst weit hinauszuschieben.

Abgeltungssteuer: Alles automatisch

In Deutschland werden Kursgewinne, Dividenden und Zinsen pauschal mit 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer besteuert. Es kommt also nicht auf Deinen persönlichen Steuersatz an. Falls eine individuelle, nicht-pauschalisierte Besteuerung für Dich günstiger ist, kannst Du anstelle dieser pauschalen Besteuerung die individuelle Veranlagung wählen.

Diese pauschale sogenannte Abgeltungssteuer wird direkt von Deiner Bank oder anderen depotführenden Stellen einbehalten und für Dich abgeführt. Du musst also nichts machen und Dich mit steuerlichen Themen nicht weiter auseinandersetzen. Vor allem musst Du nicht mühsam eine Steuererklärung für Deine Kapitalerträge (so nennt man Kursgewinne, Dividenden und Zinsen) erstellen.


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Die Abgeltungssteuer ist damit eine gute Sache. Positiv ist auch, dass jede Art von Kapitalertrag gleich behandelt und gleich besteuert wird (zur Ausnahme der thesaurierenden, das heißt, wiederanlegenden Fonds unten mehr). Denn es macht aus wirtschaftlicher Sicht keinen Unterschied, ob ein Unternehmen Gewinne als Dividende auszahlt oder sie in die Rücklage stellt und so den Aktienkurs erhöht. Der Unterschied, dass die Dividende sogleich und der höhere Aktienkurs und die damit verbundenen Kursgewinne erst bei der Veräußerung der Aktie besteuert werden, soll dabei einmal außen vorgelassen und der Einfachheit und Praktikabilität des Abgeltungssteuer-Systems geopfert werden.

So weit, so gut. Leider stellen sich trotz der im Grundsatz einfachen Abgeltungssteuer immer wieder Fragen. Das betrifft insbesondere die im Ausland einbehaltene Quellensteuer auf Dividenden ausländischer Aktien und thesaurierende Fonds. Diese Themen werde ich jeweils im Zusammenhang mit den einzelnen Anlageformen behandeln.

Mehr zum Thema: Alle Lektionen des Anlegerleitfadens im Dossier: Hier geht es zum Börsen-1x1 für Privatanleger.

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