Börse für Einsteiger – Teil 6 Geschlossene und Immobilienfonds: Produkte, auf die Du verzichten solltest

Geschlossene Immobilienfonds wirken oft sehr solide, sind aber mit erheblichen Risiken behaftet. Quelle: Illustration

Neben klassischen Fonds für Aktien und Anleihen gibt es auch geschlossene Fonds und offene Immobilienfonds. Was dahintersteckt – und welche Besonderheiten es zu beachten gibt.

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Viele Sparer in Deutschland machen aus Angst einen großen Bogen um die Börse. Das muss nicht sein, denn Börsengeschäfte sind gar nicht so kompliziert und bieten in Zeiten von Nullzinsen die besten Renditechancen. Karl Balz, Experte in der Anlegerschutz- und Investmentfirmen-Gruppe der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA, legt selbst seit 20 Jahren an der Börse an und kennt die Irrtümer und Fallstricke. In seinem Börsen-1x1 für Privatanleger erklärt er leicht verständlich, was Sparer bei ihren ersten Schritten an der Börse wissen müssen und welche Fehler es zu vermeiden gilt. Sein Anlegerleitfaden erscheint in acht Teilen auf wiwo.de - und ist für Abonnenten hier auch vollständig als Dossier abrufbar.

Finger weg von Geschlossenen Fonds

Geschlossene Fonds sind solche, bei denen Du Dich für einen langen Zeitraum bindest. Du hast für viele Jahre kein Recht auf Rücknahme Deiner Anteile durch die Fondsgesellschaft. Oft bindest Du Dich für Jahrzehnte.

Regelmäßig handelt es sich bei geschlossenen Fonds um als „Sachwerte-Fonds“ vermarktete Produkte. Die Fonds investieren in Immobilien, Schiffe, Windparks, Solaranlagen und andere illiquide Assets. Damit wird auch die lange Haltezeit begründet.

Gegen langfristige, illiquide Investitionen ist im Grundsatz nichts einzuwenden. In einem funktionierenden Umfeld wird die Illiquidität der Investition, also die lange zeitliche Bindung des Investors, mit einer höheren Rendite vergütet. Versicherungen und Versorgungswerke steigen deshalb im Niedrigzinsumfeld, in dem selbst langlaufende Anleihen nichts mehr abwerfen, zunehmend auf illiquide Investments um. Private Equity, also der Kauf von Unternehmen und anderer Vermögenswerte, die nicht an der Börse gehandelt werden, basiert auf diesem Prinzip.

Für Dich haben geschlossene Fonds aber den großen Nachteil, dass Du über viele Jahre nicht an Dein Geld kommst. Außerdem begibst Du Dich in Abhängigkeit von der Fondsgesellschaft. Du kannst nicht mit den Füßen abstimmen und Dein Investment abstoßen.

Das größte Problem ist aber, dass Du – anders als Versicherungen, Versorgungswerke und andere institutionelle Anleger – nicht die nötige Masse und Expertise mitbringst, um vernünftige Konditionen aushandeln zu können. Die Investitionen, die Dir angeboten werden, stammen oft von mehr oder minder dubiosen Anbietern und sind vor allem eines: VIEL ZU TEUER!

Hinzu kommt, dass die Fonds regelmäßig zu klein sind, um eine Fondsstruktur zu finanzieren, ohne dass die Kosten dafür aus dem Ruder laufen. Schlimmer aber noch ist, dass die Fondsgesellschaften sich allzu oft in unanständiger Weise an Dir bereichern. Du zahlst erst einmal einen 10 bis 15 Prozent hohen Ausgabeaufschlag. Dann eine jährliche Verwaltungsgebühr von zwei Prozent. Jeder An- und Verkauf einer Immobilie oder eines anderen Assets wird mit einer weiteren Gebühr vergütet. Am Ende kann bei der Sache nichts rauskommen, selbst wenn sich die gekauften Vermögenswerte selbst nicht schlecht entwickeln.

Ich rate deshalb dringend vom Kauf geschlossener Fonds oder anderer „Sachwerte“-Finanzprodukte ab! Glaube vor allem nicht, dass ein „Sachwerte“-Investment sicherer ist als eine Aktieninvestition. Das Gegenteil ist der Fall. Die Gefahr mit einem „Sachwerte“-Investment Schiffbruch zu erleiden, ist groß! Zu denken geben sollte Dir, dass praktisch alle Banken in den vergangenen zehn Jahren mit Klagewellen betreffend geschlossene Fonds überzogen wurden, und dass die meisten Banken deshalb ihr eigenes geschlossene-Fonds-Geschäft sowie den Vertrieb geschlossener Fonds daraufhin eingestellt haben.

Zum Glück ist das Segment der geschlossenen Fonds rückläufig. Es dürfte sich langsam herumgesprochen haben, dass geschlossene Fonds nichts sind.

Für Dich gilt jedenfalls: FINGER WEG VON GESCHLOSSENEN FONDS!

Offene Immobilienfonds

Anders als geschlossene Immobilienfonds, die inzwischen ein Schattendasein führen, erfreuen sich offene Immobilienfonds großer Beliebtheit bei deutschen Anlegern, was unter zwei Gesichtspunkten erstaunlich ist.

Liquiditätsmismatch

Erstens erlebten viele Anleger in der Finanzkrise 2008/09 mit ihren offenen Immobilienfonds Schiffbruch. Das Problem der Fonds lag im Mismatch der Liquidität der Fondsanteile und der Liquidität der Vermögenswerte des Fonds: Der Name „offene“ Immobilienfonds besagt schon, dass Du Deine Anteile jederzeit zurückgeben kannst und Dir die Fondsgesellschaft den Wert Deiner Anteile auszahlen muss.

Das Problem in der Finanzkrise war nun, dass plötzlich alle Anleger ihr Geld aus den Fonds abziehen und ihr Geld zurückhaben wollten, die Fondsgesellschaften diesen Wünschen aber nicht nachkommen konnten, weil Immobilien nun einmal nicht von heute auf morgen verkauft werden können, und in der Finanzkrise schon gar nicht. Das führte zu Fondsschließungen und -liquidationen und zum Teil zu großen Verlusten für die Anleger.

Der Gesetzgeber hat darauf reagiert, indem er für offene Immobilienfonds eine Mindesthaltefrist von zwei Jahren und eine Kündigungsfrist von einem Jahr eingeführt hat. So soll einem Run auf die offenen Immobilienfonds wie in der Finanzkrise vorgebeugt und den Fondsgesellschaften im Notfall genug Zeit für den Verkauf der Immobilien eingeräumt werden. Damit ist der offene Immobilienfonds aber nicht mehr offen, sondern weist Züge eines geschlossenen Fonds auf.

Dein Anlageberater wird Dich gerne auf die Möglichkeit hinweisen, Deinen offenen Fondsanteil jederzeit an der Börse verkaufen zu können. In Schönwetterzeiten ist das sogar richtig. Denn offene Fondsanteile werden an der Börse gehandelt. In der Krise wirst Du aber auch an der Börse keinen Käufer und vor allem keine verlässliche Preisbildung finden. Beobachte in diesem Zusammenhang auch, ob Dir Dein Anlageberater auch den Einstieg über die Börse empfiehlt. Im Zweifel wird er das nicht tun, weil er an Dir den Ausgabeaufschlag verdienen will, den ihm die Fondsgesellschaft, nicht aber die Börse zahlt!

Deutscher Sonderweg

Zweitens ist der offene Immobilienfonds ein deutscher Sonderweg. In anderen Ländern gibt es ihn nicht. In den USA investieren Anleger stattdessen in sogenannte REITS (Real Estate Investment Trusts). Deren Anteile werden wie Aktien an der Börse gehandelt. Anleger können also grundsätzlich jederzeit ein- und aussteigen.

von Frank Doll, Anton Riedl, Heike Schwerdtfeger

Warum sich REITS in Deutschland nicht durchgesetzt haben, weiß ich nicht. Immobilienaktiengesellschaften wie Vonovia, Deutsche Wohnen und dergleichen weisen aber ähnliche Charakterzüge auf und sind einem offenen Immobilienfonds jederzeit vorzuziehen; auch schon deshalb, weil offene Immobilienfonds extrem hohe Gebühren erheben. Die Verwaltungsgebühren liegen bei ca. 1,5 bis 2 Prozent. Hinzu kommen noch Vergütungen für den An- und Verkauf von Immobilien usw.

Offene Immobilienfonds sind keine Anleihen

Ein weiteres Problem offener Immobilienfonds ist, dass sie als anleiheähnliche Produkte beworben werden. Da im Niedrigzinsumfeld mit Anleihen keine Zinsen verdient werden können, wird Anlegern empfohlen, auf offene Immobilienfonds ausweichen. Die würden praktisch ebenso konstant ca. zwei Prozent im Jahr abwerfen.

Bei Betrachtung mit gesundem Menschenverstand fällt auf, dass das nicht sein kann. Der Wert von Immobilien schwankt. In den letzten Jahren sind sie im Schnitt um deutlich mehr als zwei Prozent gestiegen. In anderen Jahren wie der Finanzkrise und (wie ich vermute) in den Nachläufen der Coronakrise fallen sie hingegen deutlich. Da kann es nicht sein, dass der Wert des Fonds über die Jahre wertbeständig ist und Jahr für Jahr zwei Prozent ausschüttet.


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Richtig ist allerdings, dass die Charts das suggerieren. Woran liegt das? Die Fondsgesellschaften tun alles dafür, den Investmenterfolg konstant zu halten, indem sie in guten Jahren die Werte der Immobilien extrem konservativ ansetzen, um in schlechten Jahren Spielraum für weniger dramatische Anpassungen zu haben. Die Wirtschaftsprüfer spielen das Spiel mit. Letztlich heißt das aber, dass der angegebene Wert Deines Anteils nie den tatsächlichen heutigen Wert aller Assets widerspiegelt. Das kann meines Erachtens auf die Dauer nicht gut gehen. Hinzu kommt, dass das Risiko, das Immobilien - insbesondere Gewerbeimmobilien - mit sich bringen, mit den mageren Renditen der Immobilienfonds nicht ausreichend vergütet wird. Schließlich sind sie, wie gesagt, zu teuer.

Auch von offenen Immobilienfonds rate ich deshalb ab.

Mehr zum Thema: Alle Lektionen des Anlegerleitfadens im Dossier: Hier geht es zum Börsen-1x1 für Privatanleger.

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