Börse für Einsteiger – Teil 6 Riskante Fonds: Vorsicht vor diesen Produkten!

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Offene Immobilienfonds

Anders als geschlossene Immobilienfonds, die inzwischen ein Schattendasein führen, erfreuen sich offene Immobilienfonds großer Beliebtheit bei deutschen Anlegern, was unter zwei Gesichtspunkten erstaunlich ist.

Liquiditätsmismatch

Erstens erlebten viele Anleger in der Finanzkrise 2008/09 mit ihren offenen Immobilienfonds Schiffbruch. Das Problem der Fonds lag im Mismatch der Liquidität der Fondsanteile und der Liquidität der Vermögenswerte des Fonds: Der Name „offene“ Immobilienfonds besagt schon, dass Du Deine Anteile jederzeit zurückgeben kannst und Dir die Fondsgesellschaft den Wert Deiner Anteile auszahlen muss.

Das Problem in der Finanzkrise war nun, dass plötzlich alle Anleger ihr Geld aus den Fonds abziehen und ihr Geld zurückhaben wollten, die Fondsgesellschaften diesen Wünschen aber nicht nachkommen konnten, weil Immobilien nun einmal nicht von heute auf morgen verkauft werden können, und in der Finanzkrise schon gar nicht. Das führte zu Fondsschließungen und -liquidationen und zum Teil zu großen Verlusten für die Anleger.

Der Gesetzgeber hat darauf reagiert, indem er für offene Immobilienfonds eine Mindesthaltefrist von zwei Jahren und eine Kündigungsfrist von einem Jahr eingeführt hat. So soll einem Run auf die offenen Immobilienfonds wie in der Finanzkrise vorgebeugt und den Fondsgesellschaften im Notfall genug Zeit für den Verkauf der Immobilien eingeräumt werden. Damit ist der offene Immobilienfonds aber nicht mehr offen, sondern weist Züge eines geschlossenen Fonds auf.

Dein Anlageberater wird Dich gerne auf die Möglichkeit hinweisen, Deinen offenen Fondsanteil jederzeit an der Börse verkaufen zu können. In Schönwetterzeiten ist das sogar richtig. Denn offene Fondsanteile werden an der Börse gehandelt. In der Krise wirst Du aber auch an der Börse keinen Käufer und vor allem keine verlässliche Preisbildung finden. Beobachte in diesem Zusammenhang auch, ob Dir Dein Anlageberater auch den Einstieg über die Börse empfiehlt. Im Zweifel wird er das nicht tun, weil er an Dir den Ausgabeaufschlag verdienen will, den ihm die Fondsgesellschaft, nicht aber die Börse zahlt!

Deutscher Sonderweg

Zweitens ist der offene Immobilienfonds ein deutscher Sonderweg. In anderen Ländern gibt es ihn nicht. In den USA investieren Anleger stattdessen in sogenannte REITS (Real Estate Investment Trusts). Deren Anteile werden wie Aktien an der Börse gehandelt. Anleger können also grundsätzlich jederzeit ein- und aussteigen.

Warum sich REITS in Deutschland nicht durchgesetzt haben, weiß ich nicht. Immobilienaktiengesellschaften wie Vonovia, Deutsche Wohnen und dergleichen weisen aber ähnliche Charakterzüge auf und sind einem offenen Immobilienfonds jederzeit vorzuziehen; auch schon deshalb, weil offene Immobilienfonds extrem hohe Gebühren erheben. Die Verwaltungsgebühren liegen bei ca. 1,5 bis 2 Prozent. Hinzu kommen noch Vergütungen für den An- und Verkauf von Immobilien usw.


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Offene Immobilienfonds sind keine Anleihen

Ein weiteres Problem offener Immobilienfonds ist, dass sie als anleiheähnliche Produkte beworben werden. Da im Niedrigzinsumfeld mit Anleihen keine Zinsen verdient werden können, wird Anlegern empfohlen, auf offene Immobilienfonds ausweichen. Die würden praktisch ebenso konstant ca. zwei Prozent im Jahr abwerfen.

Bei Betrachtung mit gesundem Menschenverstand fällt auf, dass das nicht sein kann. Der Wert von Immobilien schwankt. In den letzten Jahren sind sie im Schnitt um deutlich mehr als zwei Prozent gestiegen. In anderen Jahren wie der Finanzkrise und (wie ich vermute) in den Nachläufen der Coronakrise fallen sie hingegen deutlich. Da kann es nicht sein, dass der Wert des Fonds über die Jahre wertbeständig ist und Jahr für Jahr zwei Prozent ausschüttet.

Richtig ist allerdings, dass die Charts das suggerieren. Woran liegt das? Die Fondsgesellschaften tun alles dafür, den Investmenterfolg konstant zu halten, indem sie in guten Jahren die Werte der Immobilien extrem konservativ ansetzen, um in schlechten Jahren Spielraum für weniger dramatische Anpassungen zu haben. Die Wirtschaftsprüfer spielen das Spiel mit. Letztlich heißt das aber, dass der angegebene Wert Deines Anteils nie den tatsächlichen heutigen Wert aller Assets widerspiegelt. Das kann meines Erachtens auf die Dauer nicht gut gehen. Hinzu kommt, dass das Risiko, das Immobilien - insbesondere Gewerbeimmobilien - mit sich bringen, mit den mageren Renditen der Immobilienfonds nicht ausreichend vergütet wird. Schließlich sind sie, wie gesagt, zu teuer.

Auch von offenen Immobilienfonds rate ich deshalb ab.

Mehr zum Thema: Alle Lektionen des Anlegerleitfadens im Dossier: Hier geht es zum Börsen-1x1 für Privatanleger.

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