Börse Ist der Dax-Rekord bloß ein billiger Marketingtrick?

Dax-Anzeigetafel Quelle: dpa

Der neue Rekordstand des Aktienleitindex Dax kann Anleger täuschen. Tatsächlich notieren viele Aktien weit unter ihren Bestwerten. Wie kann das sein? Ein Zahlencheck.

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Wer vor fünf Jahren in alle Aktien im deutschen Leitindex Dax investiert hat, der hat seitdem nur magere 1,5 Prozent Kursanstieg pro Jahr mitgenommen – trotz des jüngsten Rekordwertes. 

Kann gar nicht sein? Doch. Der neue Dax-Rekordstand von bis zu 16.331,94 Punkten kann täuschen. Denn im üblicherweise ausgewiesenen Dax sind auch die Dividenden eingerechnet. Rein rechnerisch wird so getan, als ob die Dividende sofort wieder in die jeweilige Aktie reinvestiert würde. Als Performance-Index wird diese Berechnungsweise bezeichnet. Rechnet man die Dividenden mit ein, kommen Dax-Anleger bei fünf Jahren Anlagedauer schon auf über vier Prozent Jahresrendite. Nur mit den Dividenden als Renditetreiber kommt der neue Dax-Rekord zustande.

Aufgehübschte Performance

Manche sehen dahinter einen geschickten Marketingtrick. Ein Performance-Index sieht eben deutlich besser aus als ein reiner Kurs-Index, der ohne Dividenden berechnet würde. Das zeigt der Vergleich vom Dax-Performance-Index mit dem Dax-Kurs-Index: Letzterer notiert noch gut sechs Prozent unter seinem Allzeithoch, das er rund um die Jahreswende 2021/2022 erzielt hatte. Doch in Deutschland findet der Dax-Kurs-Index wenig Beachtung. Wenn hierzulande vom Dax die Rede ist, dann ist der Performance-Index gemeint.

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International sind Performance-Indizes eigentlich unüblich. Ob Dow-Jones-Index oder S&P 500 in den USA oder beispielsweise auch der Nikkei in Japan: Die meisten weltbekannten Aktienindizes sind Kursindizes. Sie bilden also nur die Kursentwicklung der im Index gelisteten Aktien ab, deren Dividenden blenden sie schlicht aus. Der unter ETF-Anlegern beliebte Weltaktienindex MSCI World wird in beiden Varianten berechnet, als Kurs- und als Performance-Index.

Ist ein Performance-Index also eigentlich eine Täuschung? Das nicht. Denn die Dividenden sind ja keine Fata Morgana. Tatsächlich landet das ausgeschüttete Geld bei den Anlegern und es steht ihnen frei, es postwendend wieder in die jeweilige Aktie zu investieren oder anderweitig zu nutzen. Wer die Dividende allerdings nur auf einem mager verzinsten Sparkonto liegen lässt, wird unter Renditegesichtspunkten langfristig weit hinter der Indexentwicklung zurückbleiben.

Sowieso können nur wenige Anleger über die gesamte Bruttodividende verfügen. In der Realität werden ihnen zumindest 26,375 Prozent Abgeltungsteuer und Soli abgezogen, sobald der Sparer-Pauschbetrag von 1000 Euro pro Jahr an Kapitaleinkünften überschritten ist. Manche Indizes versuchen solche Steuerabzüge abzubilden und werden dafür in einer „Netto-Variante“ berechnet.

Wer den Dax treibt und wer ihn bremst

Beim Blick in ihre Depots dürften Anleger, die sich beim Aktienkauf eng am Dax orientieren, aber noch aus einem anderen Grund enttäuscht sein. Denn längst nicht alle der 40 Dax-Aktien notieren nahe an ihrem Allzeithoch. Der Indexrekord kann so in die Irre führen. Kaum ein Anleger gewichtet aber die Aktien exakt so, wie sie auch im Index gewichtet werden. Steigt dann eine im Index stark gewichtete Aktie besonders kräftig, treibt das zwar den Index, aber nicht gleichermaßen das Depot mit Dax-Aktien.

Nur acht der 40 Dax-Aktien bewegen sich derzeit nahe an ihrem jeweiligen Allzeithoch, zeigen Daten des Finanzinformationsdienstes Bloomberg. Ihre Kurse stehen derzeit weniger als zehn Prozent unter dem jeweiligen bisherigen Kurshöchstwert. Mit dabei ist in der Tat ein Index-Schwergewicht: Siemens. Der Mischkonzern steht derzeit nahe am bisherigen Rekordkurs und hat im Index rund acht Prozent Gewicht, also eine besonders hohe Bedeutung. Die anderen Aktien, die nahe an ihren bisherigen Hochs notieren, sind dort etwas weniger bis deutlich weniger stark gewichtet: Porsche, Beiersdorf, Hannover Rück, Rheinmetall, Airbus, Deutsche Börse und Münchener Rück.

Im Schnitt liegen die 40 Dax-Aktien sogar 38 Prozent unter ihren bisherigen Rekordkursen. Sieben Aktien notieren 70 Prozent oder mehr unter ihrem jeweiligen historischen Höchstkurs: Dies sind Continental und Vonovia (70 Prozent Abweichung), Zalando (71), E.On (75) Deutsche Telekom (79) sowie – besonders abgestraft – die Aktien von Deutscher Bank (89 Prozent unter Höchstkurs) und Commerzbank (96 Prozent).

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Im Zusammenspiel aus Gewichtung und Dividenden reicht es dennoch für einen neuen Höchstkurs im Dax. Das liegt auch an der besonders hohen Dividendenrendite im Index. Im Schnitt sind es derzeit dort 3,4 Prozent, während internationale Indizes wie Dow Jones (2,2 Prozent), MSCI World (2,2 Prozent), Nikkei (2,0 Prozent) und S&P 500 (1,7 Prozent) bei der Dividendenrendite deutlich darunter bleiben. So betrachtet lässt der Dax-Kurs-Index die Wertentwicklung der deutschen Aktien zu schlecht aussehen, weil er ihre überdurchschnittlichen Dividenden nicht honoriert. 

Lesen Sie auch: Wie der Dax Dow Jones und Nasdaq abhängt

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