Börse Istanbul Türkische Aktien kaufen, wenn Erdoğan poltert

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Anlagen in der Türkei sind oft riskant und umständlich

Schon jetzt spricht, abgesehen von der politischen Unsicherheit, viel für türkische Aktien. „Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse für 2016 liegen bei knapp neun – das ist 20 Prozent unter dem Schnitt der letzten drei Jahre“, sagt Biondo von der BB-Wertpapier. Auch die Kurs-Buch-Werte sind mit 1,1 sehr günstig, was bedeutet, dass Anleger nur zehn Prozent Aufschlag auf das ihnen zustehende Vermögen an den Unternehmen zahlen. Zum Vergleich: Die Dax-Unternehmen kosten einen 70-prozentigen Aufschlag auf ihr Vermögen; das Kurs-Buch-Wertverhältnis liegt bei 1,7.

Die türkische Inflation liegt zwar mit acht Prozent weit über westeuropäischem Niveau, ist aber unter Kontrolle und fällt. Und gegen die außenpolitischen Krisen haben sich türkische Unternehmen erstaunlich robust erwiesen. Vertrauenerweckend ist die niedrige Staatsverschuldung von nur gut 30 Prozent des BIPs. Das könnte auch die Währung, die türkische Lira, stützen. Aktuell liegt die Lira sogar etwas höher als zu ihrem Tief im Sommer 2015. Sollte sich die Wirtschaft besser als erwartet entwickeln, stabilisiert sich der Lira-Kurs. Zu möglichen Aktienkursgewinnen kämen dann noch Währungserträge hinzu.

Schlüsselstaat Türkei

Allerdings ist es für Anleger riskant und oft umständlich, direkt in einzelne türkische Werte zu investieren. Selbst Profis wie Renaissance Capital oder der BBWV setzen deshalb auf Fonds, die breit streuen. Privatanleger können es ihnen nachtun, das Angebot dafür ist gut.

Wer trotzdem Direktanlagen wagen möchte, der kann von einer Besonderheit des türkischen Aktienmarkts profitieren. Die türkische Wirtschaft ist geprägt von mehreren Firmenkonglomeraten. Sowohl deren Beteiligungen als auch die Holdings selbst sind an der Börse notiert. Aufgrund ihrer breiten Streuung funktionieren Investitionen in diese Aktien wie ein kleiner Fonds.

Die Koç Holding alleine steht für rund zehn Prozent des türkischen BIPs. Insgesamt handelt es sich um 136 Unternehmen mit insgesamt 90.000 Angestellten – viele davon in der Auto-, Verteidigungs-, Schiffs- und Bauindustrie. Der Umsatz lag 2015 bei umgerechnet 28,9 Milliarden Euro.

Größter Konkurrent ist die Sabanci-Holding, wie Koç bereits 1926 gegründet. Sie umfasst 70 Firmen mit 65.000 Angestellten – elf Firmen davon sind an der Börse von Istanbul notiert. Eine dritte Gruppe ist die Doğan-Holding, in deren Besitz Zeitungen und Fernsehsender sind. Bei Doğan ist allerdings große Vorsicht angebracht: Die Mediengruppe ist regierungskritisch, als Erdoğan die Wahl im vergangenen November gewann, fiel beispielsweise deshalb der Kurs gleich um 16 Prozent.

Positiv begleiteten aber auch die Doğan-Medien eine Nachricht vom vergangenen Montag. Die Türkei und Russland hatten da nicht nur den Bau der Gaspipeline TurkStream unter dem Schwarzen Meer besiegelt, sondern auch eine Vereinbarung getroffen, dass Erdoğan vergünstigtes Erdgas beziehen kann. Das hilft den Unternehmen und vielleicht auch schon bald den Kursen an der Börse Istanbul.

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