Börse Warum ich noch nie eine Aktie verkauft habe

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Pubertärer Gruppendruck am Neuen Markt

Damals gab es allen Ernstes Fernsehsendungen, in denen ganz normale Zuhörer anriefen und erzählten, wo sie gerade wie viel investiert hatten. Woher das Geld kam, ist eine interessante Frage, aber für die Betrachtung hier egal. Ich behaupte, die meisten haben am Neuen Markt mitgemacht, weil es Mode war. Pubertärer Gruppendruck, der an die Schulzeit erinnert.

Einwand: Das heute zu behaupten fällt leicht. Jetzt weiß ja jeder, was aus dem Neuen Markt geworden ist. Stattgegeben. Und sind nicht einige bei diesem Spiel sehr reich geworden? Ebenfalls stattgegeben. Viele haben aber auch viel verloren. Die Zeitungen und Wirtschaftsmagazine sind voll davon.

Typische Fehler

Rationale Untätigkeit ist da besser, jedenfalls besser als Hyperaktivität. Das Forscherteam um Professor Maurer von der Goethe-Uni hat unter anderem festgestellt, dass es je nach Lebenssituation sinnvoller ist, sich um andere Dinge zu kümmern als um die Geldanlage. Gerade Jüngere sollten laut dieser Studie lieber Zeit in den Beruf stecken statt ins private Portfoliomanagement. Wer dennoch investieren will, sollte sich dafür einen Berater nehmen.

In diese Geldanlagen stecken die Deutschen ihr Geld

Börsenmuffel finden sich durch diese Erkenntnisse bestätigt. Und das ist keine Mindermeinung wirklichkeitsfremder Wissenschaftler. Auch Maurers Kollege, Andreas Hackethal, Finanzprofessor am House of Finance der Frankfurter Goethe-Universität, hat aus meiner Sicht wegweisende Forschungsergebnisse geliefert, die Privatanlegern auf der Suche nach der richtigen Haltung beim Investieren helfen können.

Hackethal hat drei Fehler identifiziert, die Anleger an der Börse machen:

So vernachlässigen sie gedanklich die Transaktionskosten, also Gebühren, die bei jedem Kauf (und Verkauf!) fällig werden. Von Steuern auf Spekulationsgewinne oder Kapitalerträge ganz zu schweigen.

Zudem fallen Anleger immer wieder auf scheinbar plausible „Narrative“ herein, also Interpretationen oder Erzählmuster, die zu einem bestimmten Zeitpunkt das Investment oder Desinvestment in einer ganz bestimmten Branche suggerieren. Beispiel: Das Internet ist die Zukunft, investiert in die Digitalisierung! Jetzt!

Diese Anweisungen klingen logisch, sind aber gerade deshalb kein Geheimnis und am Markt bekannt.

Wolf of Wall Street

Anleger sind naiv, wenn sie sich für schlauer halten als der Markt, bloß weil sie ein scheinbar einleuchtendes Ursache-Wirkungsprinzips kennen wie „wegen des Klimawandels werden mehr Regenschirme gekauft“. Wenn Du es weißt, weiß es der Markt längst. Alles andere ist Insiderhandel und verboten.

Im Film „The Wolf of Wall Street“ wurde dieser Irrtum eindrucksvoll vorgeführt. Dort machten die Drücker ihren Kunden ein Investment schmackhaft mit dem Argument: „Wenn sie im Wall Street Journal darüber lesen, dann ist es schon zu spät.“

Zu spät kommt ein solcher Tipp in Wirklichkeit schon dann, wenn man ihn vom Nachbarn hört oder von einem Kollegen. Oder von einem Anlageberater am Telefon.

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