Börsen auf Rekordjagd Wie Anleger den letzten Bullenritt ausnutzen

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Der Notenbank-Effekt wirkt

Unbestreitbar ist eine starke Korrelation zwischen dem Wachstum der Geldmenge M0 in den USA, die der durch massive Staats- und Hypothekenanleihenkäufe aufgepumpten Zentralbankbilanz der US-Notenbank Fed entspricht, und dem Anstieg der Aktienkurse. Die sei „ganz bestimmt kein Zufall“, meint der Vermögensverwalter Jens Ehrhardt, der den Einfluss der Geldpolitik auf die Börsen seit mehr als 40 Jahren untersucht.

Auch in Europa wirkt der Notenbank-Effekt: Als die EZB vorvergangene Woche überraschend den Leitzins auf nur noch 0,25 Prozent halbierte, machte der Dax einen Satz nach oben. Er fiel wieder zurück, als gute Konjunkturdaten aus den USA an den Börsen die Befürchtung nährten, die US-Notenbank Fed werde ihr Gelddruckprogramm („Quantitative Easing“) herunterfahren. Jedes noch so zarte Anzeichen, dass Fed-Chef Ben Bernanke das Tempo der Anleihenkäufe drosseln könnte, löst Kursverluste aus. Doch Bernanke und seine designierte Nachfolgerin Janet Yellen beruhigten die Märkte erst am Donnerstag: Die Fed wird weiter jeden Monat für 85 Milliarden Dollar Anleihen und Hypothekenpapiere kaufen und so frisches Geld ins Finanzsystem pumpen.

Auf die Börse wirkt diese Geldpolitik indirekt. „Ohne die expansive Geldpolitik hätten die Banken nach 2008 weit mehr Kredite zurückrufen müssen, als es ohnehin der Fall war“, gibt Ehrhardt zu bedenken, „das hätte äußerst negative Auswirkungen auf Investitionen und damit auf Arbeitsplätze und Konsum gehabt.“ Auch Hedgefonds und andere Investoren, die Aktien auf Kredit kaufen, hätten dann womöglich sehr viel mehr verkaufen müssen.

Die Geldpolitik wirkt wie Doping auf alle möglichen Anlagen. Zinsen für Immobilienkredite oder Leasingraten für Investitionsgüter etwa hängen stark von den Leitzinsen der Zentralbanken ab; Zinssenkungen haben so einen stimulierenden Effekt auf die Realwirtschaft, der sich in besseren Umsätzen und Gewinnen der Unternehmen niederschlägt. Und Europas Banken haben mit dem Geld von der Zentralbank zwar nicht Aktien in Massen gekauft, dafür aber umso mehr Staatsanleihen.

Dax inklusive und exklusive Dividenden Quelle: Bloomberg

Effekt auf die Kapitalmärkte: Die Anleihenzinsen sind stark gesunken, Aktien sind relativ zu Anleihen deshalb attraktiver. Die Zinssenkungen der Zentralbanken tun ein Übriges; sie machen kurzfristige Zinsanlagen unattraktiv und Firmenkredite billiger – alles gut für Aktien und schlecht für Zinssparer, mit wenig Aussicht auf Veränderung. „Die Zinsen werden auch in den kommenden Jahren höchstens geringfügig steigen“, sagt Heinz-Werner Rapp, Vorstand des Vermögensverwalters Feri aus Bad Homburg, der rund 23 Milliarden Euro anlegt. Das zwinge institutionelle Anleger zunehmend „raus aus Anleihen und rein in Aktien“. So sagte Allianz-Finanzvorstand Maximilian Zimmerer am vergangenen Donnerstag, er halte Aktien „für attraktiv, obwohl die Märkte schon um 20 Prozent gestiegen sind“. Die Allianz hat in den ersten neun Monaten 2013 rund zwei Milliarden Euro neu in Aktien gepackt. Dass „die Dividendenrendite über den Anleihenzinsen liegt“, sei Indiz dafür, dass Aktien nicht überbewertet seien, sagt Zimmerer. Erst bei steigenden Zinsen drohten Verluste.

Darüber, dass der Börse bald die Zentralbankmunition ausgehen könnte, brauchen sich Anleger kurzfristig nicht zu sorgen. „Das dürfte frühestens im Frühjahr 2014 wieder ein Thema werden, die Versorgung der Börse mit frischem Geld ist zurzeit voll intakt“, beobachtet Ehrhardt. Ein schnelles Ende der aktuellen Hausse erwartet er nicht: „Die Erfahrung zeigt, dass starke, mehrjährige Haussen nicht enden, weil Aktien zu teuer wurden, sondern erst, wenn das Geldmengenwachstum einbricht und die Zinsen zuvor massiv erhöht wurden. So war es 1973, 2007 und beim Crash 1987.“

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