Börsen auf Rekordjagd Wie Anleger den letzten Bullenritt ausnutzen

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Kehrseite der Geldschwemme

Deutsche fürchten die Inflation
Die Deutschen sind fleißige Sparer. Nur verhalten sie sich bei der Geldanlage oftmals irrational. "Deutsche Haushalte wetten bei ihrer Geldanlage auf Deflation"– sagte Tobias Graf von Bernstorff, Leiter der Düsseldorfer Niederlassung des Bankhauses B. Metzler seel. Sohn & Co. Viele Deutsche legten ihr Vermögen überwiegend in Bargeld, Sichteinlagen und Anleihen an. In Aktien legen nur gut fünf Prozent der Deutschen an (direkt) beziehungsweise zehn Prozent, wenn man indirekte Investments über Fonds und Versicherungen miteinbezieht. Quelle: REUTERS
Dabei ist eine der größten Ängste der Deutschen die Preissteigung. Nur ihrer Anlagestrategie merkt man das nicht an. 75 Prozent haben ihr Geld schlicht auf der Bank liegen oder investieren in Anleihen. Kommt eine Inflation, wäre der Wert des Geldes futsch. Quelle: dpa
Auf den ersten Blick sei Inflation ein Krisenaspekt, von dem die Deutschen bisher weitgehend verschont geblieben seien. Die harmonisierte deutsche Inflationsrate sank seit Herbst 2011 von 2,9 Prozent auf 1,6 Prozent im September 2013. Die Ängste vor einer "Geldschwemme" scheinen somit weitgehend unbegründet. "Wir zweifeln jedoch daran, dass die niedrigen Raten der Vergangenheit auch für die Zukunft angenommen werden können", so von Bernstorff vom Bankhaus Metzler. Quelle: dpa
Das Wachstum des Kapitalstocks habe sich in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahren infolge der geringen Investitionen verlangsamt, die Arbeitskräfte würden knapp, und die Löhne stiegen. Der Preisdruck zeichne sich bereits in der sogenannten Kerninflationsrate ab. Deshalb sollten Anleger ihr Geld aus dem Sparstrumpf holen und es lieber inflationssicher anlegen. Quelle: dpa
So ließe sich angesichts des erwarteten Weltwirtschaftswachstums besondere mit deutschen Aktien profitieren. "Die Bewertung deutscher Aktien ist nicht so hoch, wie der Indexstand glauben machen will. Denn beim DAX fließen die Dividendenzahlungen in die Indexberechnung mit ein, sodass er schneller steigt als ein ausschließlich auf Aktienkursentwicklung beruhender Index", erläutert Frank Naab, Leiter Portfoliomanagement Metzler Private Banking. "Auf reiner Kursbasis gerechnet liegt der DAX noch ca zehn Prozent unter seinem alten Höchststand von 2007 – und das bei vergleichbaren Nettoergebnissen der Unternehmen." Quelle: dpa
Daneben eigneten sich US-Aktien als defensives Basisinvestment. US-Titel seien mit einer Dividendenrendite von zwei Prozent und einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 2,5 gegenüber ihren europäischen Pendants zwar ambitionierter bewertet, hierin drücke sich aber auch eine generelle Vorliebe der Anleger für US-Titel aus. Quelle: dpa
Rentenanleger stünden im Hinblick auf das aktuelle makroökonomische Umfeld dagegen vor einem Dilemma: Angesichts der historisch niedrigen Zinsen sei es kaum möglich, einen positiven Realzins zu erwirtschaften. Durch den Kauf langlaufender Anleihen ließe sich diesem Problem der Realzinsfalle zwar mit höheren Laufzeitenprämien und so mit einer insgesamt höheren Rendite begegnen, jedoch seien gerade Anleihen mit langer Laufzeit im Falle steigender Zinsen besonders von Kursverlusten bedroht. Quelle: dpa

Vom Ende des Geldmengenwachstums aber kann zurzeit keine Rede sein. So steigt etwa die Geldmenge M1 in den wichtigsten Industrienationen weiter unvermindert an. Als Geldmengen bezeichnet man den volkswirtschaftlichen Geldbestand in den Händen von Industrieunternehmen und Verbrauchern. M1 – Bargeld und täglich kündbare Einlagen, wie Giro- und Tagesgeldkonten – sei der „mit Abstand beste monetäre Indikator für die Börse“, so Ehrhardt, der über das Thema „Einfluss der Geldpolitik auf die Börse“ promoviert hat.

Dafür, dass ein Teil dieser Liquidität auch in Aktien fließt, sprechen die starken Mittelzuflüsse bei Aktienfonds. Laut Deutscher Bank verwalten Fonds, die Aktienindizes nachbilden, 2,2 Billionen Dollar weltweit, 19,2 Prozent mehr als zu Jahresbeginn. Seit Januar haben allein US-Aktienfonds netto 160 Milliarden Dollar neues Geld eingesammelt; weltweit waren es sogar 230 Milliarden Dollar, der stärkste Zufluss seit über zwölf Jahren. Zum Vergleich: 2012 verbuchten Aktienfonds global nur 36 Milliarden Dollar Mittelzuflüsse.

Ein Teil des in den USA gedruckten Geldes fließt in die europäischen Aktienmärkte. „US-Geschäftsbanken bekommen günstig Geld von der Fed, dieses leihen sie zum Beispiel Hedgefonds, die wiederum damit europäische Aktien kaufen“, erklärt Assenagon-Chefvolkswirt Hüfner. Europa gelte generell infolge der Krise „bei vielen großen Fonds als unterbewertet, viele internationale Institutionelle investieren derzeit hier“, beobachtet Ian Scott, Chefstratege für Aktien bei der britischen Bank Barclay’s. Dies sei ein „noch junger Trend, der sich fortsetzen wird“, vermutet Scott.

Anleger sollten aber auch bedenken, dass Unternehmen mit dem billigen Geld in großem Stil fehlinvestieren oder -finanzieren könnten: „Unter den herrschenden Bedingungen sind die Kapitalkosten verzerrt. Sie werden unseres Erachtens stark manipuliert“, warnt Cindy Sweeting, Portfolio-Chefin bei Templeton Franklin. Weil Schulden nach Abzug der Inflation die Unternehmen nahezu nichts kosten, könnten diese Geschäfte weiter betreiben, die sie besser aufgeben sollten. Die „ungewollten Folgen der laufenden künstlichen Verringerung und Manipulation der Zinsen und Finanzierungskosten“ hält Sweeting für „potenziell schwerwiegend“. Unternehmen minderer Qualität würden subventioniert, könnten ihre fundamentale Schwäche verschleiern und wachsende Verbindlichkeiten auf einen künftigen Tag der Abrechnung verschieben. Überkapazitäten, die vom Wettbewerb ausgemerzt werden sollten, bleiben so im System, was am Ende in vielen Branchen Wert vernichtet, so Sweeting. Aktionäre werden also von dauerhaft niedrigen Zinsen nicht zwangsläufig auch dauerhaft beglückt sein.

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