Unter dem Strich dürfen Anleger von den meisten 30 Dax-Unternehmen erwarten, dass sie ihren 2012 erzielten Jahresgewinn erreichen oder sogar übertreffen (siehe Tabelle). Der Gewinn aller Unternehmen dürfte hochgerechnet geschätzt acht Prozent über dem Vorjahresniveau von 63 Milliarden Euro liegen – vorbehaltlich möglicher Abschreibungen, die gern erst zum Jahresende anstehen, wenn die Prüfer tiefer in die Bücher schauen.
Bei acht Prozent Gewinnzuwachs der Unternehmen sind die gut 17 Prozent plus im Dax also nicht auf eine deutlich verbesserte Geschäftsentwicklung der Unternehmen zurückzuführen, sondern vor allem auf eine „Bewertungsausweitung an den Börsen“, konstatiert Christophe Bernard von Vontobel. Darin seien „Vorschusslorbeeren“ auf das kommende Jahr enthalten, so der Chefstratege der Schweizer Bank.
Gewinnentwicklung der 30 Dax-Unternehmen in diesem Jahr bisher | ||||
Unternehmen | Gewinn 2012 (Jahresüberschuss, in Millionen Euro) | Neunmonatsgewinn Euro) | bisheriger Gewinn in Prozent des Gesamtgewinns 2012 | Gewinntrend |
Adidas | 526 | 796 | 151 | aufwärts |
Allianz | 5169 | 4740 | 92 | aufwärts |
BASF | 4879 | 3836 | 79 | stagnierend |
Bayer | 2446 | 2734 | 112 | aufwärts |
Beiersdorf | 442 | 433 | 98 | aufwärts |
BMW | 5096 | 4034 | 79 | stagnierend |
Commerzbank | 6 | 26 | 433 | stagnierend |
Continental | 1884 | 1576 | 84 | aufwärts |
Daimler | 6095 | 5206 | 85 | aufwärts |
Deutsche Bank | 291 | 2074 | 703 | aufwärts |
Deutsche Börse | 645 | 354 | 55 | abwärts |
Deutsche Post | 1658 | 1319 | 80 | stagnierend |
Deutsche Telekom | -5255 | 1682 | - | aufwärts |
E.On | 2217 | 2613 | 118 | aufwärts |
Fresenius Medical Care | 920 | 578 | 63 | abwärts |
Fresenius | 926 | 700 | 76 | stagnierend |
HeidelbergCement | 301 | 755 | 251 | aufwärts |
Henkel | 1510 | 1269 | 84 | aufwärts |
Infineon | 427 | 272¹ | 64 | abwärts |
K+S | 668 | 360 | 54 | abwärts |
Lanxess | 514 | 45 | 9 | abwärts |
Linde | 1250 | 1078 | 86 | aufwärts |
Lufthansa | 990 | 247 | 25 | abwärts |
Merck | 567 | 922 | 163 | aufwärts |
Münchener Rück | 3195 | 2138 | 67 | abwärts |
RWE | 1306 | 609 | 47 | abwärts |
SAP | 2823 | 2006 | 71 | stagnierend |
Siemens | 4458 | 4284¹ | 96 | stagnierend |
ThyssenKrupp | -4668 | -983 | - | aufwärts |
Volkswagen | 21.717 | 6714 | 31 | abwärts |
Gesamtergebnis Dax 30 | 63.003 | 52.390 | 83 | aufwärts |
¹Infineon, Siemens: Jahresüberschuss 2013 per 30. September Quelle: Bloomberg, Quartalsberichte, Unternehmensmitteilungen |
Die haben Anleger auch in den USA verteilt. Laut Daten des Anbieters IBES haben die Gewinne der 500 größten US-Unternehmen im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 5,5 Prozent zugelegt, die Kurse aber gleich um 20 Prozent. „2013 kamen bisher 80 Prozent der Kursgewinne aus einer höheren Bewertung und nur ein Fünftel aus besseren Fundamentaldaten“, sagt Ehrhardt. Mit anderen Worten: Auf dem aktuellen Kursniveau müssen die Unternehmen mehr Gewinn liefern, damit die Rally nicht nur von billigem Geld und Hoffnung getrieben wird.
„Europäische Aktien haben zwar noch etwas Potenzial, sind aber längst nicht mehr auf Krisenniveau günstig“, meint Alfred Roelli, Aktienchefstratege von Pictet in Genf, „die Gewinnbewertungen haben ihren Krisenabschlag seit 2009 wettgemacht und wieder die langjährigen Durchschnittsniveaus erreicht.“
So liegt das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) in Europa, gemessen am Index Stoxx 600, seit 1988 bei 13,6. Derzeit liegt das Index-KGV mit 13,5 fast exakt auf diesem Wert. Das KGV ist die Kernkennzahl für die Aktienbewertung. Je niedriger es ist, umso günstiger die Aktie. Um das KGV zu ermitteln, dividieren Investoren den aktuellen Börsenwert eines Unternehmens durch dessen für das laufende (2013er-KGV) oder das kommende Jahr (2014er-KGV) erwarteten Jahresüberschuss. Auch in den USA liegt das Durchschnitts-KGV für die 500 Konzerne im S&P 500 nur knapp unter dem langjährigen Schnitt: Seit 1988 betrug es im Durchschnitt 15,3; aktuell liegt das 2013er- KGV bei 14,6. Auch Kurs-Buchwert-Verhältnis und Dividendenrenditen haben auf beiden Seiten des Atlantiks wieder ihre langfristigen Durchschnitte erreicht.
Der Dax notierte seit 2003 maximal mit dem 14-fachen erhofften Jahresgewinn, der Durchschnitt lag sogar bei nur gut elf. Mit einem 2013er-KGV von aktuell rund 13,4 liegt der Dax also am oberen Ende der Spanne, die Investoren traditionell bezahlten. Sicher: Sollten die Gewinne 2014 deutlich zulegen, würde das KGV sinken, dann wären auch erheblich mehr als 10.000 Punkte im Dax kein Problem. Allerdings haben die Unternehmen ihre Kosten schon stark gedrückt, von dieser Seite her sind die Gewinne kaum noch zu steigern. Damit diese kräftig wachsen, braucht es deutlich höhere Umsätze. Die wiederum sind in größerem Ausmaß nicht in Sicht.