Die Laune an den Börsen ist gut. Anleger haben in den vergangenen Wochen und Monaten hohe Gewinne eingefahren. Wer länger zurückblick, stellt fest: Eigentlich läuft der Börsenaufschwung nun schon seit fast acht Jahren. Der Dow Jones ist in diesem Zeitraum um über 215 Prozent gestiegen, der Dax schoss bislang um 220 Prozent in die Höhe und die Kurse der Technologieaktien, gemessen am Nasdaq Composite, durchschnittlich sogar um 360 Prozent.
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Unzufrieden mit vagen Handlungsanweisungen aus Lehrbüchern begann Hartmut Jaensch schon im BWL-Studium in München Algorithmen zu testen, um Börsenzyklen zu entschlüsseln. Auch während seiner Tätigkeit als Manager und Berater für US-Konzerne wie Google, Xerox, Avaya und Dresser forschte er weiter. Unter anderem verantwortete er die Entwicklung und Einführung von Prognose-, Finanz- und Risk-Management-Systemen. Heute leitet er als geschäftsführender Gesellschafter Prediqma, ein Unternehmen, das Anlegern mit einer selbst entwickelten Software Informationen für ihre Börsenstrategie zur Verfügung stellt.
Jeder Trend bricht – irgendwann. Beim Anblick ständig neuer Höchstkurse wird daher selbst vielen Börsenexperten mulmig. Wie lange kann das noch gut gehen? Hat sich an den Aktienmärkten eine Blase gebildet und kommt bald das böse Erwachen?
Wohl dem, der frei entscheiden kann
Wenn ich dem von der Südseeblase 1720 gebeutelten Forscher und Philosophen Isaac Newton Glauben schenke, kann niemand voraussehen, wie sich die Märkte in den nächsten Monaten entwickeln. Denn er war sich sicher: „Ich kann zwar die Bahn der Gestirne auf Zentimeter und Sekunde berechnen, aber nicht, wohin eine verrückte Menge einen Börsenkurs treiben kann.“
Wohin genau, vielleicht nicht. Doch die Mechanismen der Börse funktionieren heute wie damals. Übertreibungen werden von der Masse der Anleger forciert. Das geht sogar so weit, dass Fondsmanager von ihren vom Hype infizierten Kunden dazu genötigt werden, Gelder im Markt zu platzieren. Selbst wenn die Preise fundamental keinesfalls gerechtfertigt sind – der Manager muss das ihm aufgedrängte Geld seiner Kunden investieren.
Die Folge: Die Kurse schießen ins Kraut und solche Extremsituationen können sich oft erstaunlich lange halten, bis es dann schließlich doch zum unausweichlichen Fiasko kommt. Ganz extrem etwa war es beim Nikkei im Dezember 1989: Nach einer Verfünffachung innerhalb von acht Jahren halbierte sich in den darauffolgenden Jahren der Index von knapp 40.000 Punkten. Noch heute – 28 Jahre später – liegt der Nikkei 50 Prozent unter seinem Allzeithöchstkurs.
Das Ende des Anlegerparadieses naht
Aber Börse wiederholt sich nicht, sondern sie erschließt sich: Und so weit wie nach 1989, bei der Finanzkrise 2008/2009 oder bei der New-Economy-Blase wird es derzeit nicht kommen. Die Aktienpreise sind momentan nicht mehr besonders günstig, aber eine solch gigantische Spekulationsblase mit einem gravierenden Absturz ist mit Blick auf die Gesamtheit der Börsenindikatoren nicht in Sicht. Auch wenn der Vergleich der Indizes mit ihrem jeweiligen Zehnjahresdurchschnitt zeigt, dass die Börsen sich derzeit in gefährlichem Terrain bewegen. Der Kurs des Dow Jones steht zum Beispiel beim 1,5-Fachen seines gleitenden Zehn-Jahres-Durchschnitts. Das ist zwar nichts im Vergleich zur Dotcom-Blase im Jahr 2000 (2,04), beim Börsencrash 1987 (2,33), aber doch höher als bei der Finanzkrise 2007/2009 (1,38).
Daher ist für Anleger erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Das Risiko einer mehrmonatigen und durchaus scharfen Zwischenbaisse ist klar vorhanden. Denn: Die Zinsen steigen. Zwar auf einem niedrigen Niveau, aber sie steigen stetig. Die Rohstoffpreise, insbesondere das Öl, klettern weiter nach oben. Zudem haben Unternehmen im global immer noch eher deflationär geprägten Umfeld wenig Anreize zu investieren.
Noch ist es vertretbar, den Höhenlauf an den Börsen mitzugehen. Doch Anleger sollten sich dabei bewusst sein, dass sie immer größere Risiken eingehen. Vorsichtige Naturen sollten lieber etwas Geld aus dem Spiel nehmen. Mehr Sicherheit kann es manchmal wert sein, nicht noch die letzten Prozentpunkte an Kursgewinnen mitzunehmen.