
WirtschaftsWoche: Herr Armstrong, ursprünglich sollte die Dokumentation „The Forecaster“ (Deutschlandstart: 7. Mai) nicht in den USA gezeigt werden. Warum?
Martin Armstrong: Inzwischen hat sich die Situation geändert. Der Film läuft jetzt in einigen ausgewählten Städten. Wir bekamen sehr gute Kritiken, aber man sagte uns, dass sich die Filmindustrie nicht mit den Banken anlegen will – ein klarer Fall von Selbstzensur. Deshalb war die Dokumentation auch als deutsche Produktion angelegt.
Hat das nicht viel mehr mit der Tatsache zu tun, dass Sie zwölf Jahre wegen angeblichen Betrugs hinter Gittern verbrachten?
Indirekt. Es war so, dass ich im Zuge meiner Aktivitäten die ganzen Manipulationen beobachtete, wie sie von den US-Banken praktiziert wurden. Und um meine Recherchen zu unterfüttern, behielt ich von jedem Telefonat Tonbandaufnahmen. Ich wollte sie nur zur Absicherung, nie um jemand damit zu erpressen. Auf einmal wurde ich wegen angeblichen Betrugs angeklagt, und im Zuge dessen wurden meine Anwälte gezwungen, diese Aufnahmen herauszurücken, obwohl die mit dem eigentlichen Fall gar nichts zu tun hatten.





Von welchen Manipulationen sprechen Sie?
Es geht hier um unzählige Beispiele, ob den Angriff 1997 auf den thailändischen Baht, den malaysischen Ringgit und den japanischen Yen oder die Versuche, den Preis für Silber Ende 1997 hochzutreiben, ebenso die Manipulation der internationalen Platin- und Rhodiummärkte, nicht zu vergessen den Angriff auf den Rubel 1998. Auch die Praxis, Subprime-Hypotheken als neues Produkt zu verkaufen – der Auslöser der Finanzmarktkrise 2007 –, gehört dazu. Verantwortlich ist dafür ein, wie ich ihn nenne, „Club“ der großen amerikanischen Finanzinstitute, der mit wichtigen Regierungsstellen zusammenarbeitet.
Mit Verlaub, die großartige Verschwörungstheorie der Weltregierung...? So klingt das.
Ich spreche nicht von systemischen Manipulationen. Da geht es nur um die Frage „Wie viel kann ich in 30 Tagen verdienen?“. Die Spieler machen ihren Trade, und dann geht es schon weiter zum nächsten.
Zur Person
Armstrong, 65, ist eine der kontroversesten Personen der Finanzbranche und Erfinder des auf der Zahl Pi basierenden Economic Confidence Model, mit dem er vorgab, den Crash von 1987 und andere vorhergesagt zu haben. 1999 wurde er inhaftiert und saß wegen Nichtanerkennung des Gerichts sieben Jahre in Haft.
Als Sie sieben Jahre in Beugehaft waren, wollten die Behörden angeblich, dass Sie den Quellcode Ihres Computerprogramms herausrücken, mit dem Sie laut eigener Aussage Krisen auf den Tag genau vorhersagten – darunter den Kollaps des Nikkei 1989 oder die Russlandkrise 1998. Wie funktioniert dieses Programm?
Die entscheidende Frage ist: Welche Daten gibst du ein? Die meisten Firmen haben keine ausreichende Datenbasis – die reicht vielleicht bis 1971. Wir haben zunächst die Währungsordnung der Weltgeschichte, so weit es geht, auf der Grundlage des Münzwesens rekonstruiert. Dann fügten wir andere Daten hinzu – zum Beispiel Wetterzyklen, denn Mitte des 19. Jahrhunderts machte sogar in entwickelten Staaten die Landwirtschaft 70 Prozent der Volkswirtschaft aus. Später nahmen wir auch die Daten für die Entwicklung der Eisenbahn auf, dann für die Industrieproduktion und als Nächstes für die High-Tech-Entwicklungen. Du kannst dich nicht einfach auf verschiedene Sektoren konzentrieren, sondern brauchst ein Programm, das alles kombiniert auswertet. Wir haben dafür alle erdenklichen Datenbanken genutzt, ob von der Organisation für technologische Zusammenarbeit und Entwicklung oder dem IWF. Wir hatten Teams, die das britische Zeitungsarchiv in London auf ausländische Wechselkurse hin auswerteten – allein unsere Datenbank zu diesem Thema ist beispiellos. Und das alles wird von meinem Programm analysiert. Wobei ich ihm nicht vorgegeben habe, wie es das tut, sondern dass es einfach nur analysiert. Über die Ergebnisse bin ich selbst immer wieder erstaunt.