Börsen-Roundtable Warum Anleger und Gründer eine neue Tech-Börse brauchen

Wenig junge Unternehmen gehen in Deutschland an die Börse. Was muss passieren, damit sich mehr Technologiefirmen aufs Parkett wagen – und Aktien wie Google oder Amazon demnächst auch aus Deutschland kommen?

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Teilnehmer des Roundtable Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Diemer, Sie führen ein junges Unternehmen mit respektablen Wachstumsraten – was macht Kreditech?

Diemer: Wir vergeben Kredite an Konsumenten in Märkte wie Polen, Russland oder Mexiko. Deren Bonität berechnen wir auf Basis der Spuren, die sie im Internet hinterlassen und deren Daten sie uns freigeben. Unsere Algorithmen analysieren dann bis zu 8000 Datenpunkte, die Auskunft über die Kreditwürdigkeit erteilen. Es geht um die Kombination verschiedenster Online-Daten, Big Data. Einen Antragsteller, der bei Amazon das Buch „Raus aus den Schulden“ bestellt hat und angibt, 3000 Euro bei einer Bank zu verdienen, in der sein Smartphone aber nie geortet wurde, den lehnen wir zum Beispiel ab.

Schambach: Und damit bekommen Sie keine Datenschutzprobleme?

Diemer: Das ist einer der Gründe, warum wir nicht auf dem deutschen Markt tätig sind. Rein rechtlich könnten wir mit Einverständnis des Kunden auch in Deutschland tätig werden.

Herr Reck, könnte Kreditech bei Ihnen an die Börse gehen, obwohl es in Deutschland kein Geschäft macht?

Reck: Wir haben in unserem Einstiegssegment, dem Entry Standard, eine Reihe von Unternehmen, die nicht in Deutschland sitzen; Unternehmen aus Westeuropa, Russland oder China.

Sebastian Diemer Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

Herr Diemer, wo wollen Sie an die Börse?

Diemer: Das weiß ich noch nicht. Wir diskutieren verschiedene Instrumente, über die wir unsere nächste Wachstumsphase finanzieren könnten, von Krediten über eine Mittelstandsanleihe bis hin zu Risikokapital.

Brauchen Unternehmen nicht Eigen- statt Fremdkapital, also Geld, das sie nicht zurückzahlen müssen?

Schambach: Fremdkapital, etwa aus einer Anleihe, hilft zwar. Aber wenn man substanzielle Beträge einsammeln will, mit denen man zum Beispiel Übernahmen organisieren kann, dann nutzt nur Eigenkapital. Und dazu muss es eine liquide Börse geben, sonst klappt das nicht. Fremdkapital muss außerdem besichert werden. Bei Venture Debt – also Fremdkapital für Startups – sind die Bedingungen für die Unternehmen besonders harsch. Da kann es sein, dass hinterher alles weg ist, denn da werden etwa die Patente als Sicherheit verpfändet. Das passiert bei Eigenkapital, etwa aus einem Börsengang, nicht – wenn man das eingeworben hat, kann die Geschäftsleitung frei darüber verfügen.

Conzatti: Beim Fremdkapital hängt auch immer das Damoklesschwert der Rückzahlung über einem. Wenn die konjunkturelle Lage ungünstig ist, kann der Zahltag das Ende für das Unternehmen bedeuten.

Die Teilnehmer des Roundtable

Herr Reck, wenn Eigenkapital die Zauberformel ist: Wieso gehen kaum deutsche Unternehmen an die Börse?

Reck: Deutschland hat eine Fremdkapitalkultur. Finanzierung wird stark von Banken getragen, über Kredite. Außerdem haben wir eine schwierige Zeit für Aktien hinter uns, wir kommen aus einer Finanzkrise. Die Bereitschaft, Aktien zu kaufen, nimmt gerade jetzt erst wieder etwas zu. Trotzdem sollte die Börse eine zentrale Rolle bei der Finanzierung von Wachstumsunternehmen in Deutschland spielen. Um Wachstum stärker zu fördern, könnte es zum Beispiel steuerliche Anreize geben.

Conzatti: In Frankreich können Anleger, wenn sie bis zu 132.000 Euro und bald bis zu 150.000 Euro in europäische Aktien investieren, den möglichen Gewinn steuerfrei kassieren. Die Summe soll noch einmal um 75.000 Euro aufgestockt werden. Begünstigt werden sollen nun europäische Unternehmen mit bis zu 5000 Mitarbeitern und maximal 1,5 Milliarden Euro Umsatz.

In Berlin gibt es einen Haufen erfolgreiche Startups. Warum sind die nicht in Ihren Fonds, Herr Conzatti?

Conzatti: Wenn sie nicht an der Börse sind, kann ich nicht in sie investieren.

Schambach: Und wenn sie an die Börse gehen, tun sie dies oft in den USA, vor allem, weil US-Risikokapitalfonds in sie investiert haben. Weltmarktführer wie Apple, Google, Amazon oder Facebook kommen alle aus den Vereinigten Staaten.

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