Börsenbetrug Wenn Betrüger die Aktienkurse pushen

Immer mehr Kriminelle jubeln einzelne Aktienkurse hoch - als ob die Mafia dahinter stehen würde. Die Börse schließt jetzt ein Segment für kleine Aktien, wo das öfter geschieht. Was das für Anleger bedeutet.

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Robert Halver, Kapitalmarktexperte der Baader Bank steht unter der Anzeigetafel für die DAX-Kurve Quelle: dpa

Wenn Andreas Wiebe die Börsengeschichte seiner Firma erzählt, fängt seine Stimme an zu zittern. Eigentlich habe er nur das Informationschaos im Internet ordnen wollen, sagt der Industrieelektroniker. Er arbeitete an einer intelligenten Suchmaschine, die unstrukturierte Daten ordnet. Als Wiebe auf einem Vortrag von der Entwicklung erzählt, wittern zwei Zuhörer das große Geschäft. Seine Erfindung, lobten die Männer den heute 37-Jährigen, könne Google Konkurrenz machen. „Jeder andere würde davon träumen, was Sie haben“, sagten sie, „damit müssen Sie an die Börse.“

Börse? Wiebe wollte sich auf seine Arbeit konzentrieren. „Kein Problem“, meinten die Männer, sie würden den Börsengang organisieren. Wiebe sollte in Aktien zahlen. 17,5 Prozent der Anteile handelten sie ihm ab. Dann legten sie los.

Marktmanipulation im First Quotation Board

Und die Jungs machten ganze Arbeit. Wiebes Firma Grossbay, die heute Hulbee heißt, wurde in der Schweiz gegründet. Anschließend organisierten die beiden den Börsengang im First Quotation Board der Deutschen Börse. Das Marktsegment ist der am wenigsten regulierte Bereich der Börse. Hier nahm die Börse ohne bürokratischen Aufwand und lästige Vorschriften über Geschäftsberichte oder Wertpapierprospekte Unternehmen auf, die sonst nirgendwo an einer Börse notiert waren. Im Board tummeln sich vor allem Unternehmen aus Kanada und Großbritannien. Viele geben vor, in bei Anlegern gefragten Branchen tätig zu sein: Energie, Rohstoffe, Gold. Knapp 450 Aktien notieren im Board. Insider gehen davon aus, dass bei rund einem Drittel schon mal manipuliert wurde. Die Börse will das Board deshalb im dritten Quartal schließen.

Wie stark die Segmente der Deutschen Börse reguliert werden Quelle: Deutsche Börse

Auch bei Hulbee wurde manipuliert. Während Wiebe seine Suchmaschine entwickelte, setzten seine neuen Partner eine andere Maschinerie in Gang. Die beschäftigt jetzt Stuttgarter Staatsanwälte, die seit 2009 wegen Marktmanipulation ermitteln.

Einem Beschluss der zuständigen Ermittlungsrichterin am Amtsgericht Stuttgart zufolge handelten die Männer über ein Konstrukt von Firmen die Aktien von Grossbay und weitere Papiere untereinander zu immer höheren Kursen. Dabei, schreibt die Richterin, seien „Käufer und Verkäufer identisch“ gewesen, und die Geschäfte geeignet, „im Markt den unzutreffenden Eindruck wirtschaftlich begründeter Umsätze zu erwecken“.

Wer kauft verliert den Einsatz

Weitere verbreitete Tricks: Aus Callcentern rufen Täter Privatleute an und werben für den Aktienkauf. Sie benutzen unregistrierte Prepaid-Handys und haben nur Briefkastenadressen. Betrüger senden auch angebliche Insiderinfos per Fax an willkürlich ausgewählte Empfänger. So, erzählt Wiebe, sei es auch bei ihm gelaufen: „Das war brutal, die kopierten unser Logo und gaben sich als Aktionärsbetreuung aus. Allein durch die Pusherei stieg unser Kurs rasant auf knapp fünf Euro.“

Auf die Masche fallen Sparer bis heute rein: Zuletzt warnte die Aufsicht BaFin vor der Paketeria-Aktie. Der Kurs, warben Gauner, werde um 4200 Prozent steigen, weil die Postbank Paketeria übernehme. Solche Faxe sehen aus wie Irrläufer, sie suggerieren, dass Empfänger ein Vermögen machen, wenn sie schnell zugreifen. Doch wer kauft, verliert den Einsatz, weil Betrüger, wenn der Kurs steigt, ihm ihre eigenen Aktien aufs Auge drücken.

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