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Börsenchaos China sucht nach einem Sündenbock

Peking hat den Börsen-Hype in China mit allen Mitteln angeheizt. Jetzt sollen andere für den Crash verantwortlich sein: Ein Journalist ist der neueste Buhmann - aber nicht der erste.

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huGO-BildID: 48296663 A Chinese stock investor monitors stock prices at a brokerage house in Hangzhou in eastern China's Zhejiang province Tuesday Aug. 25, 2015. China's stock market index tumbled for a fourth day, falling 7.6 percent Tuesday to an eight-month low.(Chinatopix via AP) CHINA OUT Quelle: AP

Die Inhalte chinesischer Staatsmedien könnten sehr amüsant sein, wenn sie nicht so traurig wären. Vor einigen Tagen hieß es in einem Kommentar der Tageszeitung "Global Times", China und nicht Indien sei eigentlich die größte Demokratie der Welt. Sie funktioniere eben nur ein bisschen anders als westliche Demokratien, die ja eigentlich nur dem Kapitalismus dienten.

Der Kapitalismus hat das Land zwar in den letzten 30 Jahren aus der Armut geführt. Aber so richtig traut man der Wirtschaftsordnung in Peking nicht. Zwar verkündete die Partei zu Beginn der Amtszeit von Xi Jinping 2013, man wolle "Marktkräften eine entscheidende Rolle" zukommen lassen. Allerdings sollten die Marktkräfte auch bitte das tun, was in Pekings Augen nützlich ist.

Zehn interessante Fakten über China
Täglicher Griff zur ZigaretteUngesunder Rekord: In jeder Sekunde werden 50.000 Zigaretten in China angezündet. Das berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Zahl der Raucher ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Inzwischen zünden sich 66 Prozent der männlichen Chinesen täglich mindestens eine Zigarette an. Bei den Frauen raucht nur jede Zwanzigste täglich. Quelle: rtr
Künstliche TannenbäumeKlar, China ist ein großes Land. Fast jeder fünfte Mensch lebt in dem Riesenreich, China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde. Doch in einigen Statistiken liegt das Land überproportional weit vorne. So ist das Riesenreich nicht nur der größte Textilproduzent, sondern auch weltweit führend in der Herstellung von künstlichen Tannenbäumen. 85 Prozent alle unechten Tannenbäume – so National Geographic – stammen aus China. Texte: Tim Rahmann Quelle: dpa
SchweinereichIn China leben nicht nur die meisten Menschen, sondern auch die meisten Schweine. 446,4 Millionen Eber und Säue lebten 2008 im Reich der Mitte, so die UN. Damit leben dort mehr Schweine als in den 43 nächst größten Ländern, gemessen an der Zahl der Tiere, zusammen. Zum Vergleich: In Deutschland werden aktuell rund 26,7 Millionen Schweine gehalten. Quelle: dpa
Geisterstädte im ganzen LandIn China wurde in den letzten Jahren massiv gebaut – auch in ländlichen Gegenden. Doch die Landflucht ließ vielerorts Geisterstädte entstehen. Mehr als 64 Millionen Wohneinheiten stehen im ganzen Land leer. Auch das größte Einkaufszentrum der Welt, … Quelle: dpa
McDonald’s allein auf weiter Flur… die "New South China Mall", hat reichlich Gewerbeflächen zu vermieten. 1500 Geschäfte finden dort Platz, 70.000 Käufer sollten täglich nach Dongguan pilgern. Doch die Realität sieht anders aus: 99 Prozent der Flächen sind unbenutzt, berichtete die britische Zeitung "Daily Mail". Nur ein paar Restaurants befinden sich in dem Gebäude, unter anderem Mc Donald’s. Quelle: AP
Bauboom geht weiterDennoch bauen die Chinesen fleißig weiter. Die Folge: Kein Land verbaut mehr Zement als China. 53 Prozent der weltweiten Nachfrage stammt aus dem Reich der Mitte, so Michael Pettis, China-Experte und Ökonom der Peking-Universität. Quelle: dpa
Barbie ist zu sexyWenn in China gerade nicht gebaut wird, werden in den zahlreichen Fabriken Güter produziert. Neben Textilien vor allem Spielwaren. Rennautos, Barbie-Puppen und Kuscheltiere: Fast 80 Prozent der deutschen Spielwaren stammen aus China. Vor Ort selbst sind Barbie-Puppen übrigens kein Verkaufsschlager. Für die Chinesen ist die kurvige Blondine zu sexy. Dort verkaufen sich vor allem niedliche Puppen. Quelle: AP

Tun sie das nicht, müssen Sündenböcke gefunden werden. Als die Kurse zu fallen begannen, vermutete man "illegale, ausländische Short-Seller" hinter dem Kursabsturz. Auch der Spekulant George Soros sei daran beteiligt gewesen. Dann wurden einheimische Broker beschuldigt, die Kurse manipuliert zu haben. Der neueste Übeltäter: Ein Reporter des renommierten Wirtschaftsmagazin "Caijing" soll "Gerüchte" gestreut haben, die den Kursrutsch ausgelöst haben.

Neben ihm wurden fast 200 weitere Menschen als Verursacher für den Crash ausgemacht und von den Behörden bestraft, weil sie im Internet "Gerüchte verbreitet" hätten. Einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge hat die Polizei die User verfolgt, weil sie eine „Panik auslösen“ und die „Öffentlichkeit täuschen“ wollten. Ein Nutzer soll behauptet haben, dass sich in Peking ein Mann wegen der Börsenunruhen aus einem Fenster in den Tod gestürzt habe.

Die fünf großen Gefahren für Chinas Wirtschaftswachstum

Vor etwa einem Jahr begann Chinas Liebesaffäre mit der Börse. Die sieben Jahre zuvor lagen die Finanzmärkte in Shanghai und Shenzhen in einer Art Dornröschenschlaf. Nach einer heftigen Spekulationsblase, die 2007 geplatzt war, hatten die meisten Chinesen genug von Aktien und steckten ihre Ersparnisse in Wohnungen.

Die Hauspreise aber hatten bereits Höhen erreicht, die sich viele Städter vor allem in den Metropolen an der Ostküste nicht mehr leisten konnten. Auch das Wachstum schwächelte.

Chinas Unternehmen sind stark verschuldet

So viel China-Umsatz steckt in den Dax-Aktien

Der Aktienmarkt wurde zu einem willkommenen Neben-Theater für Peking - Chinas Unternehmen sind mit 125 Prozent der Wirtschaftsleistung stark verschuldet. Eine Nachwirkung des Konjunkturpakets 2008, als China mit rund 600 Milliarden Euro die Weltwirtschaft stabilisierte. Viele von ihnen konnten sich nun auf den Finanzmärkten refinanzieren

Die Kurse stiegen - der Shanghai Composite Index verdoppelte sich innerhalb weniger Monate, die Kurse des CSI300, in dem viele Hightech-Unternehmen notiert sind, stiegen noch rasanter an. Die chinesischen Staatsmedien feierten die neue Erfolgsstory.

Zum ersten Mal begannen sich auch chinesische Kleinanleger für Aktien zu interessieren. Viele von ihnen waren nie zuvor mit der Börse in Berührung gekommen. Sie hörten nur, dort könne man schnelles Geld verdienen. Da war ein Bauern-Dorf in der Provinz Shaanxi, dessen Bewohner ihre gesamten Ersparnisse in Aktien investierten. Noch Anfang Juni schrieb die Global Times: "Börsenrally ermöglicht Dorfbewohnern einen neuen Lifestyle!"

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