Börsenchef Kengeter "Vertragsverlängerung ließe nur die Abfindung steigen"

Angesichts des Verdachts auf Insiderhandel gegen Börsenchef Kengeter fordert der Analyst Dieter Hein ein Ende von Aktienprogrammen für Top-Manager und kritisiert die enge Verbundenheit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat.

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Carsten Kengeter, Vorstandschef der Deutsche Börse Quelle: REUTERS

WirtschaftsWoche: Börsenchef Carsten Kengeter hat Ärger wegen des Verdachts auf Insiderhandel mit Aktien seines Arbeitgebers. Spricht das gegen Aktienkaufprogramme für Top-Manager?

Dieter Hein: Top-Manager haben immer einen Informationsvorsprung und sind durch ihr Amt die Top-Insider. Daher wäre es die sauberste Lösung, Vorstände keine Aktien des eigenen Unternehmens kaufen zu lassen und sie auch nicht mit Aktien des Unternehmens zu entlohnen. Zwar gelten Aktienkäufe mit langen Verkaufssperren als langfristiger Leistungsanreiz für Manager, ganz im Gegensatz zu den kurzfristigen üppigen Boni, mit denen wir vor allem im Investmentbanking schlechte Erfahrungen gemacht haben. Man kann Top-Manager aber auch ganz ohne Aktien des eigenen Unternehmens für nachhaltige Erfolge belohnen. Mit so einer Regelung hätte jetzt auch die Deutsche Börse und ihr CEO kein Problem mit einem Insiderverdacht. Übrigens gelten schon Analysten wie ich als Insider und dürfen keine Aktien der von ihnen beobachteten Unternehmen halten. Dabei haben wir anders als Vorstände keinen Zugang zu Interna eines Unternehmens.

Kengeter hält trotz Ermittlungen im Zusammenhang mit seinen Aktienkäufen und möglicherweise falscher Ad-Hoc-Meldungen an seinem Posten fest.

Das kann er, weil Aufsichtsratschef Joachim Faber zu ihm hält. Die in manchen Fällen zu enge Verbundenheit zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden und seinem CEO ist ein grundsätzliches Problem bei der Kontrolle deutscher Aktiengesellschaften. Die Phalanx von Aufsichtsrats- und Vorstandschef ist von außen kaum zu knacken, selbst wenn das Duo unter schärfster Kritik steht. Im Fall von Herrn Kengeter kann wohl noch die Finanz- und Börsenaufsicht einschreiten. Nach der Auflösung der „Deutschland AG“ sitzen in vielen Aufsichtsräten aus meiner Sicht keine Vertreter von großen Aktionären mehr, sondern von der Gesellschaft vorgeschlagene, häufig branchenfremde Menschen, denen schlicht die Kompetenz fehlt, den Vorstand zu kontrollieren.

Dieter Hein Quelle: fairesearch

Lässt sich das ändern?

Die großen Fondgesellschaften wie die Allianz sollten mehr in die Pflicht genommen werden, ihre Kandidaten in den Aufsichtsrat zu entsenden, um die Interessen ihrer Kunden wirksam zu wahren. Übrigens ist Herr Faber bei der Deutschen Börse nicht der Vertreter seines alten Arbeitgebers, der Allianz. Die Unternehmen selber sollten verpflichtet werden, bei Neuwahlen des Aufsichtsrates mehr Kandidaten vorzuschlagen als Aufsichtsratssitze zu vergeben sind. Denn in fast allen Fällen werden die von der Gesellschaft vorgeschlagenen Kandidaten von der Hauptversammlung gewählt, und ohne Auswahl ist jede Wahl eine Farce.


Die Börse soll laut einem Medienbericht versuchen, den Vertrag für Kengeter zu verlängern.

Das muss nicht heißen, dass er bleibt. Es gab auch schon Fälle von Managern, deren Verträge verlängert wurden und die dann trotzdem nach einer Schamfrist gehen mussten. Eine Vertragsverlängerung für Herrn Kengeter vor einem Abtritt ließe nur die Abfindung steigen. Das Schlimme in solchen Fällen ist, dass die Aktionäre, die das bezahlen müssten, nichts dagegen unternehmen könnten.


Was sollte aus Sicht der Aktionäre passieren?

Herr Kengeter hätte nach meiner Meinung schon längst gehen müssen, wenn die Medienberichte zutreffen. Laut einem Bericht soll die Börse gegenüber der Finanzaufsicht nicht alle seine Treffen mit dem Londoner Börsenchef offen gelegt haben. Das sieht für mich nach einer Täuschungsabsicht aus. Sollte das stimmen, ist er insbesondere als Börsenchef bei einem Insiderverdacht nicht mehr tragbar.

Können Investoren, Anleger und Emittenten als Kunden und Nutzer der Börse noch vertrauen?

Das muss jeder selbst entscheiden. Ich bin kein Richter, der über Schuld oder Unschuld entscheidet, sondern habe nur eine Meinung als Analyst. Aber allein so eine Frage deutet auf einen Imageschaden bei der Börse hin, die eine öffentlich-rechtliche Aufgabe wahrnimmt.

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