
Die Berliner Startup-Schmiede Rocket Internet will bei ihrem anstehenden Börsengang bis zu 1,6 Milliarden Euro einnehmen. Der Start ist für den 9. Oktober geplant, wie das Unternehmen am Dienstag bekanntgab. Die Preisspanne für die Aktien wurde auf 35,50 Euro bis 42,50 Euro festgelegt. Damit folgt Rocket dicht auf den Modehändler Zalando, der am 1. Oktober an die Börse geht.
Hauptanteilseigner von Rocket Internet sind die Brüder Oliver, Marc und Alexander Samwer, die auch gut 16 Prozent an Zalando halten. Die bestehenden Anteilseigner wollen bei dem Börsengang keine Anteile verkaufen, es sollen nur neue Aktien platziert werden. Die Papiere sollen ab Mittwoch Investoren angeboten werden.
Die Einnahmen aus dem Börsengang sollen in die Entwicklung neuer und bestehender Internet-Firmen unter dem Rocket-Dach fließen. „Wir sind überzeugt, dass Rocket eine einmalige Chance hat, am Wachstum des Internethandels in Schwellenländern teilzuhaben“, erklärte Vorstandschef Oliver Samwer. Der Börsengang sei ein „bedeutender Meilenstein“ für das Unternehmen.
Die drei Samwer-Brüder
Auf rund 400 Seiten schildert Gründerszene-Chefredakteur Joel Kaczmarek in „Die Paten des Internets“ das Leben der drei Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer – von ihrer Kindheit über ihr erstes eigenes Unternehmen bis zum gigantischen Start-up-Schmiede „Rocket Internet“. Das Buch gewährt nicht nur vertiefende Einblicke in das gigantische Firmenimperium der Samwers, es vermittelt auch einen Eindruck in die Denkweise der ehrgeizigen Geschwister und zeigt ihre unterschiedlichen Charaktere auf.
„Die Paten des Internets. Zalando, Jamba, Groupon – wie die Samwer-Brüder das größte Internet-Imperium der Welt aufbauen" von Joel Kaczmarek, Finanzbuch Verlag, 19,99 Euro.
Zu Beginn des Samwer-Aufstiegs sucht auch Marc (* 3. Dezember 1970) häufig die Öffentlichkeit, überließ jedoch später häufig Oliver Samwer das Rampenlicht und konzentrierte sich auf seine Rolle als rechtlicher Berater und Steuerer des Samwer-Imperiums. Der erste Sohn des Kölner Rechtsanwalts Sigmar-Jürgen gilt als charismatischer und vernünftiger Gesprächspartner. Allerdings haftet dem ältesten Bruder auch der Ruf als Manipulator an.
Kaczmarek: "Marc Samwer, ein Menschenfänger mit Juristenverstand"
Studium: Rechtswissenschaften
Der mittlere Bruder (* 9. August 1973) hat schnell die Anführerrolle des Trios übernommen. Oliver organisiert und treibt die Entwicklung des Samwer-Imperiums voran.
Kaczmarek: „ Ein Mann, der sich körperlich bis an die Grenzen der Belastbarkeit tastet und einen gewissen Masochismus zeigt, wenn es darum geht, (über andere) zu triumphieren. Dem es gleichzeitig aber auch an einem moralischen Kompass oder einer für Unternehmer üblichen Wirtschaftsethik fehlt. […] Schnelligkeit und seine Auffassungsgabe heben Oliver Samwer deutlich hervor, doch es gibt eine Eigenschaft, die ihn wirklich von allen anderen absetzt – das ist diese ganz eigene Art, wie er mit Menschen umgeht und sie steuert. […] Ist es in seinem Interesse, verströmt er eine inspirierende, anregende Aura, der selbst Größen der internationalen Finanzwelt mit Leichtigkeit verfallen.“
Abitur-Note: 0,8
Studium: Betriebswirtschaftslehre
Anders als seine Brüder gilt Alexander nicht als nur vom Ehrgeiz Getriebener, sondern als analytischer Denker. Er wird als menschlich, höflich und zurückhaltend beschrieben.
Kaczmarek: „Während die Gründungen, bei denen Oliver oder Marc Samwer federführend tätig waren, oftmals auf kurzfristigen Erfolg angelegt waren, konzentrierte sich Alexander Samwer auf die anspruchsvollen Aufgaben und betreute diese mit strategischer Weitsicht.[…] Hätte es ihn nicht in die Selbstständigkeit als Internetunternehmer verschlagen, könnte er heute genauso als Vorstandsvorsitzender eines DAX-Unternehmens tätig sein.“
Abitur-Note: 0,66
Studium: Volkswirtschaftslehre
Rocket Internet war 2007 gegründet worden und bringt hauptsächlich Internet-Startups auf den Weg. Rocket Internet hat die Startup-Produktion wie am Fließband organisiert. Eine Geschäftsidee wird schnell umgesetzt und in verschiedenen Ländern an den Start gebracht. Aktuell sind unter dem Rocket-Dach über 50 Firmen in verschiedenen Weltregionen aktiv. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Online-Handel.
Das Gesamtvolumen der Platzierung soll zum Mittelwert der Preisspanne bei 1,477 Milliarden Euro liegen. Das Unternehmen erwartet auf dieser Basis einen Marktwert von rund 6,2 Milliarden Euro. Am oberen Ende der Preisspanne dürften es bis zu 6,7 Milliarden Euro sein. Bei Zalando wird mit einem Wert von bis zu 5,6 Milliarden Euro gerechnet.
Die bekanntesten Gründungen und Beteiligungen von Rocket Internet
mGut 100 Unternehmen haben die Samwer-Brüder mit ihrer Start-up-Schmiede "Rocket Internet" in den vergangenen Jahren gegründet oder sich an ihnen beteiligt. Die folgenden Liste ist nur eine kleine Auswahl, die zeigt, wie vielschichtig und umfassend das Portfolio der Brüder ist. Deutlich wird auch, dass die Ideen für die Unternehmen selten die eigenen sind.
Quelle: Joel Kaczmarek: Die Paten des Internets, 2014
Unternehmen: Ads.com.mm
Vorbild: Craigslist
Einstieg: Juli 2012
Unternehmensart: Kleinanzeigen (Anzeigen)
Herkunftsland: Myanmar
Unternehmen: Airizu
Vorbild: Airbnb
Einstieg: Mai 2011
Unternehmensart: Privatzimmervermittlung
Herkunftsland: China
Unternehmen: Airu
Vorbild: Etsy
Einstieg: Juli 2011
Unternehmensart: Marktplatz für Selbstgemachtes
Herkunftsland: Mittel- und Südamerika
Unternehmen: Dealstreet
Vorbild: Swoopo
Einstieg: April 2009
Unternehmensart: Live-Shopping Anbieter
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Edarling
Vorbild: Eharmony
Einstieg: November 2008
Unternehmensart: Online-Partnervermittlung
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Fashion4Home
Vorbild: MyFab
Einstieg: Juli 2009
Unternehmensart: Onlineshop für Designer-Möbel
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: HelloFresh
Vorbild: Middagsfrid
Einstieg: November 2011
Unternehmensart: Abo-Commerce zu Rezepten samt Zutaten
Herkunftsland: Afrika, Asien, Europa, Lateinamerika, Mittlerer Osten
Unternehmen: LadenZeile
Vorbild: Like.com
Einstieg: Januar 2009
Unternehmensart: Metasuche für Shoppingangebote
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Lazada
Vorbild: Amazon
Einstieg: Februar 2012
Unternehmensart: Online-Versandhaus
Herkunftsland: Südostasien
Unternehmen: MyBrands
Vorbild: Dress-for-Less
Einstieg: Mai 2009
Unternehmensart: Online-Designer-Outlet
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Payleven
Vorbild: Square
Einstieg: Januar 2012
Unternehmensart: Anbieter für Mobile Payment
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Sexpartnerclub
Vorbild: -
Einstieg: Juni 2007
Unternehmensart: Casual-Dating-Portal
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Toptarif
Vorbild: Check24
Einstieg: Juli 2007
Unternehmensart: Online-Preisvergleich
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Westwing
Vorbild: One Kings Lane
Einstieg: September 2011
Unternehmensart: Shoppingclub für Wohn-Accessoires
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Wimdu
Vorbild: Airbnb
Einstieg: Februar 2011
Unternehmensart: Privatzimmervermittlung
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Zalando
Vorbild: Zappos
Einstieg: Juni 2008
Unternehmensart: Onlineshop für Fashion
Herkunftsland: Deutschland
Zum Vergleich: Die Lufthansa als Dax-Konzern kommt derzeit auf eine Marktkapitalisierung von 5,85 Milliarden Euro. Rocket startet im Börsen-Segment Entry Standard, in dem die Transparenz-Anforderungen etwas niedriger sind. So wird Rocket aktuelle Zahlen nur alle sechs Monate statt jedes Quartal vorlegen müssen. Man wolle innerhalb von 18 bis 24 Monaten in den General oder Prime Standard wechseln, hieß es.
Die Samwer-Brüder werden mit dem Börsengang ihre Mehrheit bei Rocket Internet aufgeben. Derzeit halten sie 52,32 Prozent. Mit der Ausgabe der neuen Aktien dürfte der Anteil auf 39,78 Prozent sinken.
Nach Ablauf aller Sperrfristen sollen rund 24 Prozent der Aktien an der Börse gehandelt werden. Mehrere Investoren hätten sich bereits verpflichtet, Rocket-Aktien zum Angebotspreis im Wert von 582,5 Millionen Euro zu erwerben, hieß es.
Börse
Bei dem Börsengang sollen 32 951 177 neue Aktien von Rocket Internet ausgegeben werden plus 4 941 176 im Rahmen einer Mehrzuteilungsoption für die begleitenden Banken.
Der Online-Modehändler Zalando hatte Mitte September angekündigt, bei seinem Börsengang bis zu 633 Millionen Euro einnehmen zu wollen. Die Preisspanne für seine Aktien liegt bei 18 bis 22,50 Euro.
In der deutschen Internet-Branche wären die Börsengänge von Zalando und dann Rocket Internet - abgesehen von einigen Telekommunikations-Unternehmen - die größten seit den Zeiten der „New Economy“ um die Jahrtausendwende.