Börsengang Tech-Branche setzt Hoffnungen auf Messenger Line

Global ist der SMS-Ersatz Messenger Line eine kleine Nummer, doch bei dem anstehenden Gang an die Börse erlöst das japanische Unternehmen mehr als eine Milliarde Euro. Die Firma hat noch Großes vor.

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Auf einem Smartphone ist in Berlin das Logo vom Instant-Messaging-Dienst Line Messenger für den Download zu sehen. Mit der App können Nachrichten von Smartphone zu Smartphone verschickt werden. Quelle: dpa

Tokio/New York „Line? Nie gehört“. So dürften die meisten in Europa auf die Frage antworten, ob sie den Kurzmitteilungsdienst aus dem Fernen Osten kennen. Aber Line ist Japans beliebteste Messenger-App mit global 218 Millionen Nutzern. Rund 70 Millionen davon leben in Japan. Line ist ein Riesenhit unter den Chat-verrückten Inselbewohnern, mit denen der Dienst dickes Geld unter anderem über ausgefallene Emojis und niedliche Sticker verdient. Diese Woche geht das dem südkoreanischen Internet-Konzern Naver gehörende Unternehmen zuerst in New York und kurz darauf in Tokio an die Börse.

Global ist Line noch eine recht kleine Nummer im Vergleich zu Facebooks Diensten WhatsApp oder Messenger. WhatsApp zählt eine Milliarde Nutzer, der Facebook Messenger 900 Millionen. Der bisher größte Tech-Börsengang des Jahres, bei dem Line umgerechnet mindestens eine Milliarde Euro einnehmen wird, deutet an, dass auch Line noch Großes vor hat.

Das Unternehmen aus Japan hat am Montag den Ausgabepreis seiner Aktie am oberen Ende der Preisspanne bei 3300 Yen festgesetzt. Mit 35 Millionen Anteilsscheinen bekommt Line damit 115 500 Yen. Inklusive der sogenannten Mehrzuteilungsoption für teilnehmende Banken könnte der Börsengang bis zu 132,8 Milliarden Yen (aktuell 1,18 Milliarden Euro) schwer werden. Die Aktien kommen am 14. Juli in New York und am Tag darauf in Tokio in den Handel.

Als ein gewaltiges Erdbeben und ein folgender Tsunami im März 2011 weite Gebiete im Nordosten Japans verwüsteten und mehr als 18 000 Menschen in den Fluten ums Leben kamen, war es für viele Japaner nahezu unmöglich, in dem Chaos ihre Familienmitglieder per Telefon zu erreichen. Entwickler bei NHN Japan, einer Tochter von Naver, setzten sich damals zusammen, um eine Lösung zu finden: den Line Messenger.

Line spricht mit seinen Stickern und anderem digitalem Content vor allem technikbegeisterte junge Leute an. Da von denen viele jedoch noch keinen Zugang zu Kreditkarten haben, schuf Line kurzerhand seine eigenen Prepaid-Karten. Das Wissen über die Interessen seiner Nutzer will Line nutzen, um seine Werbeklientel auszubauen. Line kooperiert mit Riesen wie Toyota und dem Online-Einzelhandelskonzern Rakuten, hat aber auch kleinere Anbieter im Blick.

Angesichts Japans rapide alternder und schrumpfender Bevölkerung ist es für Line nach Meinung von Experten unerlässlich, die Präsenz auch global auszubauen. Zumal die Zahl der Konkurrenten wächst. Bislang konzentrierte sich das Unternehmen auf die Expansion in Thailand, Taiwan und Indonesien. Hier bietet der Konzern den Nutzern unter anderem lokal zugeschnittene Serien zum Anschauen an sowie Musik- und Jobsuchdienste. Hinzu kommen Online-Nachrichten.

Die Tech-Branche erhofft sich von dem Aktienverkauf eine Signalwirkung: Das Klima für Internet-Börsengänge war in diesem Jahr bisher mau. Stattdessen stehen Aktien früherer Börsenlieblinge wie Twitter unter Druck, die Milliarden-Bewertungen vieler Start-ups werden in Frage gestellt - und zudem sind die Risikoinvestoren mit Finanzierung für junge Firmen vorsichtiger geworden. Dass Line seine Aktien am obersten Ende einer zwischenzeitlich angehobenen Preisspanne loswurde, ist da ein willkommenes Zeichen, dass die Anleger noch zu begeistern sind.

Zum Ausgabepreis wurde Line mit rund sieben Milliarden Dollar bewertet - und kündigte bereits an, die sogenannte Mehrzuteilungsoption für beteiligte Banken mit über fünf Millionen weiteren Aktien komplett zu ziehen. Die spannenden Fragen sind jetzt, wie sich der Kurs nach der ersten Euphorie schlägt und was Line aus der Geldspritze macht. Schließlich werden Investoren jetzt die Entwicklung von Line neben global agierenden Online-Diensten wie Facebook und Twitter betrachten.

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