Andererseits fürchten Anleger offenbar, die US-Notenbank könnte den Geldhahn – Stichwort Tapering – langsam zudrehen. Das hat schon für Kursverluste an den Börsen gesorgt. Ist das nicht widersprüchlich?
Das ist eine große Verunsicherung, weil es weder für die derzeitige Geld-Sintflut und erst recht für deren wie auch immer geartete Normalisierung keine historische Blaupause gibt. Grundsätzlich ist diese Tapering-Debatte nur eine Scheindebatte. Denn selbst wenn Tapering dafür sorgt, dass im kommenden Jahr nicht ein Cent zusätzliche Liquidität in den Markt gepumpt wird, hält die US-Geldpolitik immer noch wichtige Trümpfe für einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Hand.
Welche sehen Sie denn?
Erstens: Die Überschussreserven der Geschäftsbanken bei der US-Notenbank Fed von fast einer Billion Dollar. Die reichen mühelos aus, um die gesamte Volkswirtschaft der USA mehrfach zu refinanzieren. Uns droht also keine Liquiditätswüste. Wir sind nach wie vor im Regenwald der Liquidität. Zweitens: Der Notenbankzins wird ja auf absehbare Zeit unten bleiben. Außerdem hat die EZB noch gar nicht angefangen, ihre geldpolitische Munition zu verschießen. Drittens: Die japanische Notenbank entwickelt sich immer mehr zur globalen Gelddruckmaschine. Bei schwacher Währung, niedrigem Zins und viel Geld in Japan, kann man sich auch dort verschulden und das Geld rund um den Globus transferieren. Wir brauchen Bernankes Geldschwemme daher nicht mehr so.
Das müsste doch den meisten Börsianern ohnehin klar sein. Warum reagieren die Märkte dann auf jedes Räuspern von US-Notenbankchef Ben Bernanke so nervös?
Die Frage ist berechtigt. In den USA sind die Zinsen teilweise schon dramatisch gestiegen, obwohl Tapering noch gar nicht begonnen hat und die Fed weiter monatlich 85 Milliarden Dollar in den Anleihemarkt pumpt. In den Schwellenländern steigen die Zinsen so schnell, dass man dabei zuschauen kann. Dort werden massiv Investorengelder abgezogen. So, als wollten die Amerikaner den Chinesen mal zeigen, wer das Sagen in der Finanzwelt wirklich hat. Was die Märkte stört, ist die Verunsicherung, wann und wie das Tapering kommt. Das Warten macht die Finanzmärkte nervös.
Die Kapitalmärkte müssen aber weiter einen Schwenk zu einer restriktiven Notenbankpolitik fürchten.
Wenn die Katze aus dem Sack ist, werden sich die Märkte beruhigen und merken: Mehr Wasser im Schwimmbad als bis zur Oberkante Beckenrand bringt nichts. Der Rest läuft nur über und kann gar nicht genutzt werden. Die Investoren werden also erkennen, dass die Liquidität nicht abnimmt, sondern nur der Zuwachs an Liquidität gebremst wird. Bernanke will in seinen letzten Wochen im Amt mit seinem Tapering verhindern, dass Aktienmärkte, Rohstoffmärkte, Gold- und Immobilienpreise im Turmbau zu Babel münden. Er möchte verbal seine Liquiditätspolitik normalisieren, was in der Realität aber nicht passiert, denn dann müsste er Geld aus dem System abziehen.