Börsenkenner Rudolf Ferscha "Liquidität schützen"

Der Börsenkenner propagiert eine Umsatzsteuer auf Handelsgebühren, die Milliarden bringt, den Hochfrequenzhandel aber nicht zerstört.

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Rudolf Fercha Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Wirtschaftswoche: Herr Ferscha, sollten Finanztransaktionen mit einer Steuer belegt werden?

Ferscha: Ja. Wer Dienstleistungen einer Börse oder eines Brokers nutzt, sollte umsatzbezogene Steuern bezahlen, so wie Nutzer anderer Dienste auch. Der Finanzsektor hat Steuerzahler und Sparer schwer belastet – der Staat hat deshalb das Recht, einen Beitrag zur Abdeckung der Kosten von Finanzkrisen zu fordern.

Muss eine Steuer nicht auch die für die Finanzmärkte schädlichen Handelsstrategien eindämmen, konkret: den Hochfrequenzhandel, bei dem weitgehend sinnlos in Millisekunden Milliarden durch Börsensysteme gejagt werden?

Hochfrequenzhandel ist weder schädlich noch sinnlos, im Gegenteil, er bringt zusätzliche Liquidität. Er muss allerdings fair ablaufen. Eine drakonische Steuer wäre schädlich für die Volkswirtschaft. Das hat sich in Schweden gezeigt, wo eine brachiale Transaktionssteuer große Teile des Kapitalmarkts nach London vertrieben hat.

Die EU-Kommission erwartet von einer europaweiten Steuer 57 Milliarden Euro Einnahmen jährlich. Ist das realistisch?

In den Rettungsdebatten sind die Nullen vor dem Komma inflationiert worden. Die avisierte Steuer würde Schäden weit über den Einnahmen anrichten. 57 Milliarden würden niemals erreicht.

Wo läge denn der Schaden?

Wir setzen das höchste Gut in entwickelten Märkten aufs Spiel, die Markteffizienz, die durch hohe Liquidität in einem für jeden Marktteilnehmer einsehbaren offenen Orderbuch gewährleistet wird. Käufer und Verkäufer bekommen hier automatisch, ohne dazwischenstehende Makler, die besten Preise. Doch die Liquiditätszufuhr muss auf einem bestimmten Niveau gehalten werden, wie bei einem rund laufenden Motor, der sonst stockt und schließlich stillsteht. Sonst fallen wir zurück in Zeiten, in denen Broker Mondpreise verlangen und mangels Liquidität auch bekommen konnten.

Bei weniger Liquidität müssten ein paar Börsenprofis und Hedgefonds eben mehr bezahlen...

Privatanleger auch, und für Unternehmen würde es teurer, Kapital aufzunehmen. Kapitalanlagen, zum Beispiel von Lebensversicherern und Fonds, würden teurer. Die Transaktionssteuer ist eine Operation am offenen Herzen der Marktwirtschaft. Sie sollte nur wohlüberlegt eingeführt werden, am besten stufenweise. Dann kann man Nebenwirkungen bereits in Teilmärkten untersuchen, bevor man in die allgemeine Umsetzung geht.

Da drängt sich der Verdacht auf, dass die Finanzbranche wieder nur so wenig Steuern wie möglich bezahlen will...

Das mag sein. Eine Radikallösung würde aber weniger einbringen als eine marktorientierte Besteuerung.

Und wie sollte die konkret aussehen?

Die Steuer sollte so kalibriert werden, dass sie mit einem gewissen Sicherheitsabstand gerade nicht die Liquidität beeinträchtigt.

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