Börsenmanipulation Hochfrequenzhändler muss Strafe zahlen

Fast zwei Jahre nach seiner Manipulation an der Börse muss ein Hochfrequenzhändler rund 4,5 Millionen US-Dollar Strafe in Großbritannien und den USA zahlen. Der Fall zeigt, wie schwer die blitzschnellen Händler zu fassen sind.

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Mit Hochfrequenzhandel kann an der Börse leicht manipuliert werden. Deswegen wurde nun ein Händler zu hohen Geldstrafen verurteilt Quelle: dpa

Die Aufseher in Großbritannien brüsten sich: Erstmals habe man mit einem Hochfrequenzhändler kurzen Prozess gemacht – die britische Aufsichtsbehörde FCA sieht es als erwiesen an, dass der in Amerika ansässige Händler Michael Coscia mit seinem Handelshaus Panther Energy Trading den britischen Rohstoffmarkt zu seinen Gunsten manipuliert habe. Tracey McDermott, bei der FCA Chefin der Abteilung Enforcement and Financial Crime, sagte: "Herr Coscia hat den Markt und seine Teilnehmer getäuscht."

Seine Techniken seien dazu designt gewesen, den Markt zu missbrauchen und die Integrität des Marktes zu unterlaufen. "Das ist nicht zu akzeptieren. Daher haben wir harte Maßnahmen ergriffen, um Herrn Coscia zu bestrafen und ihm jeden Vorteil, den er errungen hat, wieder zu entziehen", sagte McDermott. Sie verdonnerte ihn zur Zahlung von 903 176 US-Dollar. Die Strafe wäre um 30 Prozent höher ausgefallen, hätte Coscia sich nicht auf einen Vergleich mit der Behörde eingelassen. Händler Coscia und sein Unternehmen müssen weitere Strafen in den USA zahlen, die sich insgesamt auf 4,5 Millionen US-Dollar summieren.

Die Länge der Kabelverbindung zählt

Coscia gehört zur ausgebufften Generation der umstrittenen Hochfrequenzhändler. Automatisch feuern deren Computer dank programmierter Handlungsanweisungen (Algorithmen) in Bruchteilen von Sekunden Kauf- und Verkaufsaufträge an die Börsen. Leute wie Coscia haben den Börsenhandel revolutioniert: Bundesbank-Vorstand Joachim Nagel sagte einst gar, dass heute "die Länge der Kabelverbindung zum Börsenserver für den Erfolg eines Investors oft entscheidender als seine Fähigkeit in der Unternehmensbewertung" sei. Hochfrequenzhändler haben ihre Server direkt neben den Hauptrechnern der weltweiten Börsen eingemietet, um wenige Meter Kabel zu sparen (Co-Location). Anleger werden so zunehmend von intelligenten Algorithmen ausgebootet. Viele Hochfrequenzhändler stellen ihre Computer nämlich nicht deshalb so nah an den Hauptrechner der Börse, um schneller zu handeln, sondern vielmehr um ihre Aufträge blitzschnell wieder stornieren zu können. 

Manipulation über Auftrag und Stornierung

Diese Technik machte sich offenbar auch Coscia zunutze, als er unter anderem die Preise am Ölmarkt manipuliert haben soll. Die verbotene Strategie funktioniert so: Ein Händler will eigentlich ein Papier verkaufen. Der Preis aber ist ihm zu niedrig. Also stellt er zunächst Kauforders in das Börsensystem ein. Da sich die Börsenkurse nach Angebot und Nachfrage richten, könnte der Preis nun tatsächlich steigen. Etwa dann, wenn andere Hochleistungsrechner, deren Algorithmen darauf programmiert sind, hohe Nachfrage zu identifizieren, tatsächlich anfangen zu kaufen. Der Algo-Trader aber, der den ersten Massenauftrag ins System geschossen hat, storniert dann seinen Spam-Auftrag blitzschnell wieder, nachdem er den Kurs in die gewünschte Richtung getrieben hat. Weil seine Computer nah genug am Börsenrechner stehen, bekommt er das hin - und kann eigene Papiere nun zu höheren Kursen verkaufen.

Co-Location hebelt Gleichberechtigung an der Börse aus

Solche manipulativen Techniken nennt man zum Beispiel Spoofing oder Layering. Dabei täuscht ein Algorithmus andere Marktteilnehmer und bewegt sie zum Handeln. Solche Techniken sind auch von der Deutschen Börse verboten. Verboten wurden Handelsstrategien, bei denen ein Algorithmus Aufträge in das Handelssystem einstellt, die gar nicht ausgeführt werden sollen. Weiteres Beispiel: Bei einer Phantom-Order versucht ein Algorithmus, einen anderen zum Kaufen zu bewegen. Der Computer hat dabei analysiert, dass ein anderer Algorithmus immer loslegt, wenn ein Händler zwei Mal hintereinander eine Order über 1000 Aktien ins System stellt.

Andere Händler denken dann, dass große Aufträge vorliegen. Doch: "Die großen Aufträge zieht er dann blitzschnell zurück, wenn er seine auf der anderen Seite des Orderbuches eingestellte Order im Markt ausgeführt bekommen hat", sagt Michael Zollweg, Leiter der Handelsüberwachungsstelle der Börse. Seine Mitarbeiter suchen nach verbotenen Handelsstrategien.

2,8 Millionen Dollar Strafe in den USA
Das Platzieren von Handelscomputern in Börsen-Rechenzentren, im Fachjargon Co-Location genannt, hebelt das Prinzip Börse, das auf Gleichberechtigung der Handelsteilnehmer zielt, aus. Selbst Bundesbanker Nagel stellte sich schon die Frage, ob "das technologische Wettrüsten am Kapitalmarkt gesamtwirtschaftlich wirklich sinnvoll ist".

Die Strategien der Blitz-Trader

Nach Einschätzung der FCA sorgte auch der US-Händler mit Hilfe eines Algorithmus dafür, dass ein falscher Eindruck von Angebot und Nachfrage für verschiedene Futures entstand. So habe er mit Hilfe eines Brokers aus den USA heraus an der in Großbritannien angesiedelten Börse ICE Futures Europa tausende falsche Orders platziert. Allein binnen sechs Wochen strich Coscia dabei einen Gewinn von 279 920 Dollar ein.

Das Handelshaus Panther und Coscia sollen 2011 auch in den USA zugeschlagen haben. Die höchste Geldbuße hat jetzt  die US-Terminmarktaufsicht CFTC verhängt. Nach der Entscheidung müssen Coscia und Panther Energy insgesamt 3,6 Millionen Dollar überweisen. Hinzu kommen 800.000 Dollar Strafe von der US-amerikanischen Terminbörse CME Group. Panther soll mit dem Algorithmus in den USA mindestens 1,4 Millionen Dollar Profit gemacht haben. Das automatische Tradingsystem soll 400.000 Orders auf der Plattform von CME platziert haben, wovon 98 Prozent wieder gelöscht worden seien, hieß es. Laut CFTC dürfen Panther und Coscia nun für ein Jahr nicht mehr an der Börse handeln. 

Die Strafe gegen Coscia ist hart. Der Fall zeigt aber leider auch, wie schwer es ist, Hochfrequenzhändler zu bestrafen. Coscias Vergehen liegen lange zurück: Er soll die Kurse bereits im Herbst 2011 beeinflusst haben. Erst jetzt wird er bestraft. Verfahren wie dieses dauern damit viel zu lange – und die Trader manipulieren munter weiter. In den USA gehen mittlerweile etwa 70 Prozent der Börsenumsätze auf Turbo-Händler zurück, in Deutschland sind es geschätzt etwa 40 Prozent. Tag für Tag manipulieren Händler dabei auch immer wieder die Kurse an den Börsen.

Noch ist Hochfrequenzhandel nicht strafbar

Die schwärzesten Börsentage aller Zeiten
Farbenprächtig blühende Tulpen im Erholungspark Britzer Garten in Berlin Quelle: dpa/dpaweb
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Broker stehen am 25. Oktober 1929 in der New Yorker Boerse waehrend des Boersenkrachs, der die Weltwirtschaftskrise einleitete ('Schwarzer Freitag'). Quelle: AP
Blick auf das leere Autobahnkreuz Duisburg-Kaiserberg. Wegen der Ölkrise wurde am 02.12.1973 zum zweiten Mal ein sonntägliches Fahrverbot verhängt Quelle: dpa
Hektisches Treiben in der Aktienbörse in Frankfurt (Hessen) Quelle: dpa
United Airlines planes arrive at Denver International Airport in Denver Quelle: REUTERS
 Boris Jelzin, links, neben Alexander Korschakow Quelle: AP

Zwar hat der Bundestag im Februar das "Gesetz zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel" verabschiedet. Das Hochfrequenzhandelsgesetz ist am 15. Mai 2013 in Kraft getreten. Hochfrequenzhändler unterliegen künftig einer Erlaubnispflicht. Für das Stellen eines Antrags ist aber noch eine Übergangsfrist bis zum 14. November 2013 vorgesehen, Ausländer haben länger Zeit. Noch also macht sich trotz Gesetz kein Handelsteilnehmer strafbar, wenn er weiterhin Hochfrequenzhandel in Deutschland betreibt. 

Viel wichtiger jedoch: Aufseher werden auch mit dem neuen Gesetz nicht hinterher kommen. Allein über die Eurex etwa generieren Trader pro Minute bis zu 300 000 Datensätze. Will die Aufsicht Missstände nachverfolgen, kann sie sich gleich einen Tieflader mit Ausdrucken von Handelsdaten kommen lassen und diese jahrelang auswerten.

Die Strafe gegen Coscia ist damit nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Blitzhändler werden Anleger wohl weiter gnadenlos austricksen können.

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