
In der Luft liegt der Geruch von Klebstoff. Am Rande der schmucklosen Halle fährt ein meterlanger Druckerarm über eine Platte. Auf hundertstel Millimeter genau sprühen 30 000 Düsen Leim auf. Begleitet von ohrenbetäubendem Lärm, fährt ein anderer Druckerarm aus und verteilt feinsten Sand passgenau auf die Klebeflächen. Minute für Minute, Schicht für Schicht nimmt die Einstein-Büste Form an – filigran, lebensnah, ganz so, wie es der Computer dem 3-D-Drucker anhand von dreidimensionalen Daten aufgegeben hat.
Dort, in einem Industriegebiet in Friedberg bei Augsburg, will der 3-D-Druck-Spezialist Voxeljet die industrielle Fertigung revolutionieren. Der dreidimensionale Druck gilt an der Börse als Zukunftstechnologie. Die Einstein-Büste ist nur Spielerei, es geht um Teile von Prototypen für die Automobil- oder Luftfahrtindustrie, die weitaus billiger und schneller gebaut werden können als mit klassischem Werkzeug. Wer will, kann bei Voxeljet nicht nur Teile drucken lassen, sondern gleich die ganze Druckmaschine kaufen.
Voxeljet entwickelt sich, Gründer und Chef Ingo Ederer will in fünf Jahren aus aktuell 11 mehr als 50 Millionen Euro Umsatz machen. Seine Wachstumsgeschichte hat Ederer jetzt Investoren verkauft – er ist im Oktober mit Voxeljet an die Börse gegangen. Binnen vier Wochen verfünffachte sich der Kurs der Papiere; in der Spitze haben Anleger den jungen Mittelständler aus der Provinz, dessen Unternehmen gerade einmal in zwei Hallen auf 5800 Quadratmeter passt, mit gigantischen 1,1 Milliarden Dollar bewertet.
Allein: Deutsche Anleger haben diese Rally verpasst. Denn Voxeljet ist in den USA an die Börse gegangen. Das Management hatte sich zwar auch bei einer Handvoll deutscher Investoren vorgestellt. Doch die hätten bloß gemäkelt: „Kleiner Umsatz, kein Gewinn“, so lautete deren Kritik. Ederer versteht das einfach nicht: „Deutsche Investoren haben eine typische rückwärtsgerichtete Sichtweise“, hat er festgestellt.
Er erinnert sich noch allzu gut an seinen Börsengang, auf dem Parkett der altehrwürdigen New York Stock Exchange. Auf allen Anzeigetafeln leuchtete der Name seines Unternehmens. „Der erste Handelstag an der New York Stock Exchange war für uns alle ein besonderes Erlebnis“, schwärmt Ederer noch heute. Mit seinen Bankern, Rechtsanwälten und Finanzchef Rudolf Franz stand er am Computer-Bildschirm des Aktienhändlers. Wer Glück hatte an der US-Börse, hatte Voxeljet zu 13 Dollar bekommen. „Das Orderbuch war mehrfach überzeichnet, Investoren fragten elf bis zwölf Mal so viel Papiere nach, wie wir ausgegeben haben“, sagt Finanzchef Franz. Viele, die bei der Zeichnung leer ausgegangen waren, rissen sich nun um die Aktie: Gleich am ersten Handelstag verdoppelte sich der Kurs. „Das war erlösend, da ist viel Druck abgefallen“, sagt Ederer.
Dass deutsche Anleger bei diesem urbayrischen Unternehmen außen vor blieben, ist symptomatisch. Keine zehn Prozent der Deutschen haben Aktien. Neue, junge Wachstumsunternehmen sind Fehlanzeige auf dem Kurszettel. Wenn überhaupt, dann kommen Großunternehmen aus Industrie und Wohnungswirtschaft neu aufs Parkett: Osram, Evonik, der Gabelstaplerbauer Kion, die Immobilienwerte Deutsche Annington und LEG schafften es 2013.





Die Deutsche Börse in Frankfurt arbeitet seit dem vergangenen Frühjahr an einem Projekt, das dazu führen soll, dass wieder mehr junge Wachstumsunternehmen an die Börse gehen. Seit Noch-Wirtschaftsminister Philipp Rösler im Sommer anregte, den Neuen Markt wieder auferstehen zu lassen, kursieren zwischen Berlin und Frankfurt diverse Namenslisten von Unternehmen, die möglicherweise für ein solches Börsensegment infrage kommen. Die fünf im Folgenden vorgestellten Unternehmen und 15 weitere (siehe Kurztextgalerie auf Seite 4 in diesem Artikel), finden sich in fast jeder Aufstellung.