Gleichzeitig nimmt das hohe Kursniveau vieles von der positiven Erwartung vorweg, die im Markt steckt. Die derzeit präsentierten Zahlen für das erste Quartal 2013 werden erst noch zeigen, ob die Mehrheit der Unternehmen von einer Konjunkturerholung eben profitieren. „Und diese bieten in diesem Jahr Enttäuschungspotenzial“, sagt Anja Welz, Vorstand der Laureus AG Privat Finanz. „Letztlich sollten Anleger auch einmal einen Blick auf die enorme Dauer der derzeitigen Bullenphase werfen. Im März wurde in den USA das fünfte Jahr mit steigenden Kursen beschlossen. Der historische Durchschnitt liegt bei 4,5 Jahren“, argumentiert Welz. „Insofern deutet auch die Statistik an, dass die Gefahr von Rückschlägen durchaus real ist.“
Wer die Börsenregel in seiner Anlagestrategie berücksichtigen will, hat verschiedene Möglichkeiten. Am einfachsten geht das mit börsengehandelten Fonds, die auf die großen Indizes und damit den Gesamtmarkt setzen und noch am ehesten die statischischen Saisoneffekte auffangen. Allerdings müssen Anleger dann Jahre, in denen die Börsenregel „Sell in May and go away“ nicht greift oder sich sogar ins Gegenteil verkehrt, auch aushalten.
Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln
Gegen die größer werdenden Unwägbarkeiten sollte man sich zuallererst mit einer Strategie wappnen: Wer an kräftiges Wachstum in Deutschland glaubt, an einen anhaltenden Boom der Schwellenländer und hohen privaten Konsum, kann weiter am Aktienmarkt investieren. Wer skeptisch ist, sollte seine Bestände hingegen nicht aufstocken.
Eng verbunden mit der ersten Regel: Immer wieder kommt es vor, dass sich Dinge anders entwickeln, als man erwartet hat. Es ist wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und nicht jeder Entwicklung hinterherzulaufen. Eine solche Reaktion zeugt nicht von einem geringen Vertrauen in die eigene Strategie. Es kostet meist auch Geld, weil die Masse schon vorher diese Richtung eingeschlagen und das Gros an Rendite eingefahren hat.
Groß oder klein, spekulativ oder konservativ, liquide oder illiquide, dividendenstark oder dividendenschwach, Substanz oder Wachstum: Bei Aktien ist die Auswahl riesig. Der richtige Mix aus spekulativen und konservativen Titeln hilft, Schwankungen zwischen guten und schlechten Zeiten auszugleichen. Nicht zu unterschätzen sind starke Dividendenzahler, die Jahr für Jahr den Grundstock für eine solide Rendite legen.
Keine Frage, die Börsen haben in den vergangenen zehn Jahren stärker geschwankt als in allen Dekaden zuvor. Das wird so bleiben, mit wachsendem Computerhandel sogar noch zunehmen. Wer sein Risiko minimieren will, baut Barrieren ein – sogenannte Stopps. Gerne werden Stopps bei 20 Prozent über und unterhalb des aktuellen Kurses gewählt. Dann wird automatisch verkauft, wenn diese Grenzen erreicht sind. Kommt eine Phase überraschend steigender Kurse mit anhaltendem Aufwärtstrend, lässt sich die Barriere leicht nach oben verschieben. Wichtig ist dann, auch die Barriere am unteren Ende nachzuziehen.
Wichtig in Phasen überraschender Kurssteigerungen oder -stürze ist es, das Verhalten der Masse zu beobachten. Ist es noch nachvollziehbar oder völlig irrational? Häufig ist es irrational. Dann hilft meist die zweite Regel: Widerstandskraft zeigen. Nach einigen Monaten kehrt die Rationalität von ganz allein zurück. Der Kurssturz aus dem vergangenen Jahr und die jüngste Entwicklung beweisen das gerade wieder.
Sind Aktien wie seit Jahresbeginn schon um 30, 40 oder gar 50 Prozent gestiegen, dann sind Anschlussgewinne in der Regel nur noch schwer zu erzielen. Phrasenverdächtig ist zwar die alte Weisheit: „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand zugrunde gegangen.“ Richtig ist sie trotzdem.
Firmenchefs haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber normalen Aktionären. Sie wissen weit mehr als jeder Analyst oder Kommentator, wie es in ihrem Unternehmen aussieht. Insider nennt man sie deshalb. Sie melden ihre Orders innerhalb von fünf Handelstagen an die Börsenaufsicht Bafin. Das Handelsblatt veröffentlicht alle zwei Wochen das sogenannte Insider-Barometer, das aus der Summe aller Kauf- und Verkaufsorders Schlüsse für den weiteren Verlauf in Dax & Co. zieht. Jüngste Tendenz: Vorstände und Aufsichtsräte verkaufen mehr als sie kaufen. Vorsicht also!
Terroranschläge und Naturkatastrophen kommen unerwartet. Politische Konflikte wie aktuell zwischen Israel und dem Iran schwelen meist länger. Entscheidende Wahlen wie jüngst in Russland und in diesem Jahr noch in Frankreich und den USA sind vorhersehbar und haben immer Einfluss auf die Börse. Dabei gilt generell: Wahljahre sind gute Börsenjahre.
Mit Optionsscheinen oder Bonus-Zertifikaten lässt sich zwar aus einem Aufwärtstrend ein noch größerer Profit schlagen. Dies sind jedoch in der Regel Wetten ohne realen Hintergrund. Aktien sind reale Werte.
Vor allem Aktien einzelner Branchen unterliegen immer wieder gewissen Moden. Doch die wechseln wie im realen Leben, und manchmal geht das schneller, als man denkt. Das bekommt gerade die einst angesehene Solarenergie-Branche bitter zu spüren.
Die Variante, alle Aktien im Mai zu verkaufen und im Oktober wieder gezielt einzusteigen, ist sicher die radikalste, aufwendigste und riskanteste Methode, dem Börsenbonmot zu folgen. Wer das nicht über Jahre hinweg durchzieht und so die Ausreißerjahre ausgleichen kann, wird eher zufällig Erfolg damit haben – oder schmerzhafte Erfahrungen machen. Besser ist sicher ein selektives Vorgehen: Anleger können sich vor den Sommermonaten von besonders schwankungsanfälligen Aktien trennen und stabilere, saisonal unempfindlichere Papiere behalten. Vor allem Konsum- und Freizeitwerte bieten sich an, ebenso Handel und Versorger-Titel.
Zudem gibt es spezialisierte Fonds oder Zertifikate, die auf die saisonalen Effekte setzen und sich mitunter als Depot-Beimischung eignen. Damit lassen sich unter Umständen auch Kursverluste mit Aktien teilweise wieder wettmachen.
Dabei sollten Anleger allerdings nicht vergessen, dass alle Handelsaktivitäten Kosten verursachen, die durch die mögliche Extraperformance erst einmal verdient werden wollen. Wer also seine Aktien gewissenhaft auswählt und selektiv anpasst, kommt günstiger davon, als mit der Tabula-rasa-Methode.
Für 2014 ist kaum absehbar, wohin die Reise geht. Aber einiges spricht dagegen, dass es typischer Börsensommer wird. "Ich bin verhalten optimistisch - eine ausgeprägte Seitwärtsbewegung mit leichtem Drift nach oben", erwartet Aktienstratege Basse. Bei den Zukäufen sollten Anleger aber wählerisch sein. "Einige Papiere haben höhere Bewertungen und sind entsprechend teurer geworden".