
Als der deutsche Aktienindex Dax Anfang Juni 2014 die Marke von 10.000 Punkten überschritt, waren noch viele Beobachter skeptisch, ob das neue Allzeithoch lange halten würde. Tatsächlich ging es für den Dax in den darauffolgenden Wochen und Monaten zunächst unter starken Schwankungen wieder Richtung 9300 Punkte, im Oktober sank der Index sogar auf 8570 Punkte. Aber spätestens seit Anfang Januar sind Anleger wieder in Kauflaune und beförderten den deutschen Leitindex im Eiltempo zu neuen Rekorden – Ukraine-Konflikt, ISIS-Terror, Griechenland-Krise und bevorstehender Zinserhöhung in den USA zum Trotz.
So auch an diesem Donnerstag: Der Dax kletterte um ein Prozent auf den Rekordschluss von 11.327 Punkten. Zwischenzeitlich stellte er bei 11.330,63 Zählern sogar ein neues Allzeithoch auf. Ein Grund war der fallende Euro. Viele deutsche Konzerne profitieren wegen ihrer Export-Stärke von einem niedrigen Euro-Kurs. Mit 1,1184 Dollar kostete die Gemeinschaftswährung so wenig wie seit einem Monat nicht mehr. Auch TecDax und SDax haben in den vergangenen Tagen ein neues Allzeithoch erklommen. Der MDax, der sich seit Jahren noch dynamischer als der Dax entwickelt, sprang an diesem Freitag erstmals über die Mark von 20.000 Punkten – so hoch wie nie zuvor.





Unter Aktionären herrscht derzeit Optimismus vor. Und die Bullen treiben nicht nur in Frankfurt die Kurse in neuen Höhen, auch in den USA und Großbritannien stehen die Börsenindizes Dow Jones, S&P 500 und FTSE 100 auf Rekordniveau. Nun schickt sich auch noch die US-Technologiebörse Nasdaq an, einen 15 Jahre alten Rekord zu brechen. Damals, im März 2000, zählte der Nasdaq Composite Index 5048 Punkte. An diesem Freitagmittag fehlten nur noch rund 60 Punkte bis zum alten Rekord.
Der Höchststand an der Nasdaq vor 15 Jahren markierte gleichzeitig auch den Beginn der Dotcom-Krise. Die aberwitzigen Bewertungen der Internet- und Technologieaktien fielen damals wie Kartenhäuser in sich zusammen. In den folgenden drei Jahren fiel der Index bis in die Region von 1300 Punkten. Bis sich die Nasdaq von diesem Rückschlag erholt hat, hat es bis heute gedauert. Überflieger wie Apple und Amazon halfen der Technologiebörse kräftig auf die Sprünge. Der Nasdaq Composite ist zuletzt neun Quartale in Folge gestiegen.
Doch auch, wenn derzeit überall alte Börsenrekorde fallen, ist diesmal kein Platzen einer Blase zu erwarten. Gegen einen brutalen Absturz sprechen folgende Punkte:
- Im Durchschnitt sind die Bewertungen noch nicht übertrieben, wenn auch nicht wirklich niedrig. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis an der Nasdaq liegt bei 30. Im Jahr 2000 waren die enthaltenen Technologieaktien mit durchschnittlich dem 175-fachen Gewinn bewertet.
- Die Nasdaq-Bewertungen basieren auf den Gewinnen der Unternehmen. Als die Dotcom-Blase 2000 platzte, schrieben die Unternehmen in weiten Teilen hohe Verluste und boten lediglich gute Wachstumsperspektiven. Heute sind IT-Aktien niedriger bewertet, die Gewinne der Unternehmen hingegen deutlich höher und stetiger. Sogar Ausschüttungen an die Aktionäre sind mittlerweile drin.
- Die Wirtschaftsaussichten sind positiv. Vor allem in den USA zieht die Konjunktur kräftig an. Aber auch in Europa und Asien geht es aufwärts. Die Unternehmen rechnen mit steigenden Gewinnen.
- Während die USA von der guten Konjunktur profitieren, hilft in Europa der niedrige Euro-Kurs der exportorientierten Ökonomie.
- Wegen der niedrigen Zinsen bei festverzinslichen Anlagen bleiben Aktien weiter im Fokus der Anleger.
- Profitgier und Euphorie der Anleger sind heute weit weniger ausgeprägt als in der Goldgräberstimmung um die Jahrtausendwende.
- Unternehmen wie Apple und Intel gaben im vergangenen Jahr insgesamt rund 100 Milliarden Dollar für Aktienrückkäufe aus. Damit stützen sie die Kurse massiv.
- Die hohen Liquiditätsreserven der Spitzenunternehmen beflügeln Übernahmefantasien.
Das Beste an den neuen Rekorden in Frankfurt, New York und London: Ein rascher Rückfall ist nicht absehbar, vielmehr stehen die Zeichen weiter auf steigende Kurse. Für den Dax etwa hält unser Kolumnist Anton Riedl beispielsweise 12.000 Punkte für durchaus möglich. Zinserhöhungen in den USA oder eine Euro-Austritt Griechenlands haben längst ihren Schrecken verloren. Die größten Risiken gehen damit derzeit von den geopolitischen Risiken aus – allen voran in der Ukraine und im Nahen Osten.
Aber politische Börsen haben ja angeblich kurze Beine. Anleger sollten deshalb auch weiterhin mit sehr starken Schwankungen an den Börsen rechnen und Ruhe bewahren. Dann kann die Hausse weitergehen.
Mit Material von Reuters