Börsensegment Scale Nachfolger des Neuen Markts nimmt Fahrt auf

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Sprungbrett für Jungunternehmen

Kapitalmarktexperten sehen Scale vor allem als Börsen-Sprungbrett für Jungunternehmen auf der Suche nach institutionellem Kapital. Privatanlegern dagegen raten sie zur Zurückhaltung. „Für Unternehmen sollte Scale nur eine Zwischenstation auf dem Weg in den Prime Standard sein“, sagt Christoph Demuth, General Manager und Head of Corporate Finance bei der auf kleine und mittlere Unternehmen spezialisierten Frankfurter Investmentbank equinet. Die Idee, kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt und zu Investoren zu erleichtern, sei zu loben. Allerdings müsse sich erst noch zeigen, ob dieses Ziel auch nachhaltig erreicht werden kann. „Trotz aller Auflagen bleibt Scale aus Investorensicht auch ein Risikosegment, das für klassische Privatanleger weniger geeignet ist, weil die Liquidität und Größe der Scale-Werte häufig überschaubar und eine faire Bewertung durch den Kapitalmarkt nicht immer gegeben ist“, sagt Demuth.

Wie schnell Anlegern bei Scale-Werten schwindelig werden kann, zeigte der Börsengang des Fintech-Unternehmens Naga Group im Juli 2017. Die Kurskapriolen unmittelbar nach dem Start erinnerten an die wilden Zeiten des Neuen Markts und riefen auch die Finanzaufsicht Bafin auf den Plan. Der Schwerpunkt des Geschäftsmodells scheint bei Naga noch nicht ganz festzustehen. Zunächst wollte Naga vor allem den Börsenhandel im Stil eines sozialen Netzwerks anbieten, sogenanntes Social Trading. Dann stand plötzlich das Projekt einer digitalen Geldbörse für Cyberwährungen auf dem Plan, was im Bitcoin-Boom des vergangenen Jahres für viel Aufmerksamkeit sorgte. Für Jungunternehmen sind solche Balanceakte nicht ungewöhnlich, langfristig orientierte Anleger dürfte das aber irritieren.

„Unternehmen mit geringerer Marktkapitalisierung haben es erfahrungsgemäß schwerer Investoren zu finden.“, sagt Dietmar Schieber, Leiter Capital Market Advisory bei der Bank Oddo BHF AG. Nennenswerte Nachfrage bestehe vor allem bei kleineren institutionellen Anlegern, wie kleinen Vermögensverwaltern. Für Privatanleger gestaltete Zertifikate auf den Scale-Index werde es von großen Anbietern wegen der geringen Liquidität der Aktien wohl nicht geben. Falls doch, stünde dafür seit Februar ein von der Börse geführter Index der 30 meist gehandelten Scale-Unternehmen zur Verfügung.

Hans-Werner Grunow vom Finanzierungsberatungsunternehmen capmarcon sieht Scale als einen Schritt in die richtige Richtung. Sehr skeptisch ist der Kapitalmarktexperte allerdings mit Blick auf die in dem Segment notierenden Unternehmensanleihen. Hier seien die Zutrittshürden nicht wirklich geeignet, schwache Kandidaten vom Markt abzuhalten.

80.000 Research-Downloads

Grunow hatte anlässlich des Scale-Starts vor einem Jahr spektakuläre Pleite-Anleihen aus dem umstrittenen Mittelstandssegment Bond M der Stuttgarter Börse überprüft, und siehe da, zwölf der 17 Papiere oder 1,1 der rund 1,5 Milliarden Euro hätten auch in Scale emittiert werden können, wären also vom Schutzfilter des neuen Börsensegments nicht ausgesiebt worden. Darunter wären die mittlerweile insolventen Skandalunternehmen wie German Pellets, KTG Agrar oder Windreich gewesen.

Scale-Mitglieder müssen sich beim Börsenstart und anschließend mindestens jährlich von den beiden Researchhäusern Edison und Morningstar analysieren lassen. Zudem werden sie ständig von einem Begleiter beaufsichtigt, der Dienstleister mit Kapitalmarkterfahrung sein muss. Die obligatorische Begleitung der Scale-Unternehmen durch Kapitalmarktdienstleister ist ein gutes Geschäft für die bei der Börse akkreditierten Beratungsunternehmen und Banken wie die Investmentbanken Oddo Seydler und equinet, die Anwaltskanzlei Hogan Lovells oder ähnliche. Laut aktuellen Zahlen wurden die auf den Internetseiten der Deutschen Börse bereitgestellten Unternehmensberichte von Edison 80.000 mal heruntergeladen.

Bei einem der bei Scale akkreditierten Kapitalmarktpartner handelte es sich im wörtlichen Sinn um keine ganz so sichere Bank. Die auf kleine und mittlere Unternehmen spezialisierte Dero Bank aus München ist pleite, weil sie sich wohl mit Steuertricks verzettelt hat. Dero hat Kapitalmarkttransaktionen von Scale-Unternehmen betreut, wie eine Kapitalerhöhung bei FinLab, ein Schuldscheindarleihen von Blue Cap oder Wahldividenden bei Mensch + Maschine. Auch stand Dero den Scale-Werten EQS und Heliad als Kapitalmarktpartner zur Seite. Trotz des Abgangs von Dero ist die Zahl der Kapitalmarktpartner von ursprünglich 34 auf mittlerweile 67 gestiegen.

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