Börsenweisheit Aktien oder Anleihen? – Privatanleger sollten sich diese Frage gar nicht erst stellen

Nach den letzten Turbulenzen fürchten Anleger das Ende der Börsenrally. Sind Anleihen daher besser als Aktien?

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Warren Buffett ist ein überzeugter Aktionär. Privatanleger sollten in ihrem Portfolio eher auf eine gesunde Mischung achten. Quelle: dapd

Düsseldorf Das erste Quartal des Jahres war für Börsianer eine ziemliche Enttäuschung. Mehr als sieben Prozent verloren die deutschen Standardwerte, der Dax rutschte wieder unter die Marke von 12.000 Punkten. Auch an der Wall Street sackten die Kurse ab, wenn auch etwas weniger stark.

Der plötzliche Absturz geschah unter relativ heftigen Schwankungen. Die waren Anleger gar nicht mehr gewöhnt, ging es doch im vergangenen Jahr mehr oder weniger schnurstracks aufwärts. Nun ist die Volatilität zurück – und mit ihr die Unsicherheit. Sind Anleihen aktuell womöglich die bessere Wahl als wankelmütige Aktien?

Eine Frage, die sich Superinvestor Warren Buffett nie stellen würde. Für ihn sind Aktien immer die bessere Wahl. „Warum soll ich einem erfolgreichen Unternehmen Geld leihen, wenn ich mich auch daran beteiligen kann“, fragte er einst. Buffett ist überzeugter Aktionär. Er verleiht sein Geld nicht, er investiert es und lässt es arbeiten.

Eine durchaus weise Herangehensweise, finden Experten. „Aber höhere Chancen sind ja bekanntermaßen auch mit höheren Risiken verbunden“, bemerkt Marcel de Gavarelli, Leiter Fonds Advisory bei Laureus Privat Finanz. „Eine Aktie ist kein Selbstläufer und auch per se gute Unternehmen beziehungsweise Qualitätsaktien können in einem angeschlagenen Gesamtmarkt deutlich unter die Räder kommen.“ Allen langfristigen Chancen zum Trotz.

Auch Hans-Jürgen Delp kann Buffetts Börsenweisheit einiges abgewinnen – unter einer gewissen Prämisse. Der Anlagestratege der Commerzbank verweist auf eine andere Aussage des 87-Jährigen. Buffett sagte nämlich auch: „Ich denke nicht darüber nach, ob ein Markt nach oben oder nach unten geht. Ich kümmere mich nur darum, ob ich ein Unternehmen zu einem akzeptablen Preis kaufen kann.“

Buffett ist ein Langfristinvestor am Aktienmarkt, dem die aktuelle Volatilität zu Gute kommt. „Denn er passt genau diese Situationen ab, in denen gute Unternehmen mit dem Markt billiger werden, um sie dann zu einem attraktiven Preis einzukaufen“, weiß Delp.

Eine clevere Strategie. Schließlich ist die Aktienanlage mit einem durchschnittlichen Return von acht bis zehn Prozent langfristig die nach wie vor attraktivste Assetklasse. Trotz der bereits erreichten Bewertungen und der schwer zu steigernden Margen blieben Aktien „ohne adäquate Alternative“, sagt Delp. „Gerade Renten dürften im ansteigenden Zinstrend Probleme haben, da sich die Renditen noch auf niedrigen Niveaus befinden und zudem die Kurse unter Druck geraten.“

Außerdem, merkt der Commerzbank-Experte an, seien die realen Renditen angesichts der Inflation in vielen Ländern weiterhin negativ.

Ein klares Plädoyer für Aktien, auch in stürmischen Zeiten. Allerdings sollten Anleger nicht so dogmatisch denken wie Buffett. Er ist einer der reichsten Menschen der Welt und hat bei seinen Anlagen einen wirklich extrem langen Atem. Die meisten Aktien hält er über Jahrzehnte. Schwächephasen kann Buffett daher locker aussitzen, sogar höhere Verluste.

Der normale Privatanleger tickt anders, lässt sich allzu oft von Emotionen leiten und hat auch nicht die finanziellen Mittel, um wie der Superinvestor aus den USA zu agieren. Deshalb raten Experten auch zu einer gesunden Mischung auf verschiedenen Anlageklassen.

„Aktienbeteiligungen sind gut und sehr sinnvoll, aber warum nicht auch attraktive Anleihen sowie Kupons und die Entwicklungen am globalen, vielfältigen Rentenmarkt nutzen“, sagt Laureus-Experte Gavarelli. „Das Niedrigzinsniveau war und ist ja kein weltweiter Dauerzustand, sondern es gibt ein breites Spektrum mit vernünftigen Anlagemöglichkeiten zur Strukturierung des Depots.“

Lieber Aktien statt Anleihen? Diese Frage sollten sich Privatanleger gar nicht erst stellen. „Es sollte auf keinen Fall ein Entweder-oder sein, sondern vielmehr eine gesunde passende Mischung“, sagt auch Lars Reiner, CEO des digitalen Vermögensverwalters Ginmon. „Welche Produkte man in sein Portfolio aufnimmt, sollte vor allem von der individuellen Risikoneigung, der aktuellen Lebenssituation und dem individuellen Investmenthorizont abhängen.“


Die Gefahr eines aktienlastigen Portfolios

Natürlich sind Aktien in der Regel renditestärker als Anleihen. Gleichzeitig sind Erstere auch volatiler als Letztere. „Die Gefahr bei einem stark Aktien-lastigen Portfolio ist immer, dass ein eigentlich sicherheitsorientierter Anleger sich vom klassischen “Gier-frisst-Hirn”-Phänomen auf der einen und Panik auf der anderen Seite leiten lässt“, so Reiner.

Häufig werden die Wertpapiere dann früher als notwendig und geplant verkauft, weil die Angst vor einem zu hohen Verlust zu groß ist. Mit seinen von Emotionen geleiteten Anlageentscheidungen wird der Anleger meist selbst zur größten Gefahr für sein Portfolio.

Trotzdem fragen sich viele Anleger angesichts der jahrelangen Kursrally an den Aktienmärkten und der jüngsten Rücksetzer: Ist es Zeit für eine Umschichtung? Experten warnen vor Überreaktionen. Sich wegen der aktuellen Rücksetzer von Aktien zu verabschieden, würde auch der Buffet‘schen Langfriststrategie widersprechen, merkt Delp an. „Vielmehr sollte man solche Phasen nutzen, um einen Depotstock zu gründen.“

Auch Gavarelli rät dazu, Rücksetzer für Nachkäufe zu nutzen. Umschichten sei nur sinnvoll, wenn ein Anleger einer Anlageklasse kein oder nur noch geringes Potenzial zutraut und andere Segmente attraktiver erscheinen.

Besonders im Auge behalten sollten Investoren die Politik der Notenbanken. In den USA ist die Zinswende bereits eingeleitet worden, in Europa dürfte das noch dauern. Ende 2015 hat die amerikanische Notenbank Fed das erste Mal die Zinsen angehoben.

Seither folgten weitere Zinsschritte zu jeweils 25 Basispunkten – trotz einer deutlich dynamischeren Konjunkturentwicklung. „Dies zeigt, dass die US-Notenbank sehr vorsichtig zu Werke geht und sich dabei stets vom Wachstum leiten lassen wird“, sagt Commerzbank-Anlagestratege Delp. Die EZB stehe kurz davor, die Nettokäufe von Anleihen zurückzufahren. Erst zum Ende der Anleihenkäufe sei mit einem Zinsschritt zu rechnen. „Dementsprechend rechnen wir mit einem ähnlich zähen Verlauf bei den langfristigen Zinsen.“

Auch Lars Reiner sieht lediglich Anzeichen für eine Trendwende bei den Zinsen. Es sei nun „nicht zu erkennen, dass nun eine Phase des linearen Zinsanstiegs eingeläutet ist“, sagt der Ginmon-CEO.

Es sei sinnvoll, weitere Signale der Notenbanken, Inflationszahlen und in erster Linie die fundamentalen Konjunkturdaten abzuwarten, rät Gavarelli. Diese würden sich langfristig üblicherweise durchsetzen. „Die durchaus gängigen, unerwarteten, kurzfristigen Entwicklungen und auch unvorhersehbare Auslöser müssen – nach oben wie nach unten – ganz einfach mit einkalkuliert werden“, so der Anlageexperte.

Jeder langfristig orientierte Anleger müsse zu jedem Zeitpunkt die Entwicklungen im Blick behalten und insbesondere auf die längerfristigen Trends achten, sagt auch Reiner. „Und egal ob im Anleihe- oder Aktienbereich: Anlageoptionen gibt es in jeder Zinsphase.“

Auch Laureus-Experte Gavarelli ist überzeugt, dass Aktien immer ins Depot gehören – auch bei konservativen Anlegern. „Mit einer Quote von zehn Prozent plus X wäre schon mal eine gute Basis gelegt, in Anbetracht der erschreckend geringen Aktienquote der deutschen Anlegerschaft.“

Warren Buffett kann über solche Aktienquoten nur lachen. Und wahrscheinlich wird in wenigen Wochen bekannt, welche Positionen er in der Schwächephase dieses Mal aufgestockt hat.

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