Bomben-Attentat auf den BVB Ein Anschlag für eine Handvoll Euro

Mit einem Anschlag wollte der mutmaßliche Bomben-Attentäter von Dortmund von fallenden Kursen der Borussia-Aktie profitieren. Der Kursverlauf seiner Spekulationen zeigt: Es gab keinen nennenswerten Profit. Im Gegenteil.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Düsseldorf Es war eine perfide Tat. Aus Geldgier soll der mutmaßliche Bombenattentäter den Mannschaftsbus des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund angegriffen haben. Sein Kalkül war: Wären bei dem Angriff Spieler des börsennotierten Vereins gestorben oder schwer verletzt worden, hätten seine sogenannten Put-Optionsscheine (hier erklärt) an Wert gewonnen. Und der Täter hätte einen hohen Gewinn eingestrichen.

Doch die Realität sieht komplett anders aus. Ein Blick auf die Kursentwicklung der Put-Optionsscheine, die der Verdächtige gekauft haben könnte, zeigt: Fasst man alle verdächtigen Trades zusammen, hätte er maximal nur 1650 Euro erzielen können. Doch das ist unwahrscheinlicher als sechs Richtige im Lotto. Vermutlich hat er die Scheine noch nicht verkauft – und wird wohl die komplette Investition abschreiben müssen.

Zur Vorgeschichte: Recherchen des Handelsblatts zeigten, dass es an dem Tag des Angriffs (11. April) insgesamt sieben verdächtige Trades gab. Es lässt sich aufgrund der Börsendaten zwar nicht belegen, wer diese Optionsscheine ge- oder sogar verkauft hat. Doch sowohl die Höhe als auch die Zahl der Transaktion ist im Vergleich zu den Vortagen ungewöhnlich.

NRW-Innenminister Ralf Jäger sprach am Freitagnachmittag (21.4.) davon, dass sich der mutmaßliche Täter für den Erwerb von BVB-Aktienoptionen knapp 80.000 Euro geliehen hat. „Der Täter hat ganz offensichtlich einen Verbraucherkredit aufgenommen“, sagte der Minister. „Nach meinem jetzigen Kenntnisstand 79.000 Euro.“

Für den Kauf der Put-Optionsscheine hatte der mutmaßliche Täter aber nur einen Bruchteil dieses Geldes benötigt. Addiert man die 75.000 Stück, die an der Börse Frankfurt zu maximal 18 Cent pro Stück (siehe Tabelle) gekauft wurden, betrug der gesamte Kaufpreis 7380 Euro – ohne Transaktionskosten. Weitere 1810 Euro kommen hinzu, wenn man auch die 21.000 Stück anhand von zwei Transaktionen an der Börse Stuttgart gehandelten Scheine hinzuzählt (zu einem Preis von 17 bzw. 6 Cent), die der Bombenbastler ebenfalls erworben haben könnte.


Nur ein Schein mit Gewinn

Ein Blick auf die Kursentwicklung der Derivate seit den mutmaßlichen Käufen am 11. April zeigt: Lediglich ein Schein von den sechs verschiedenen Derivaten hätte mit Gewinn verkauft werden können, alle anderen haben seitdem kontinuierlich an Wert verloren. Manche sind mittlerweile sogar wertlos verfallen.

Der Grund für diese Kursentwicklung liegt in erster Linie an der BVB-Aktie. Es gilt der Grundsatz: Fällt der Kurs einer Aktie, steigt in der Regel der Wert des Put-Optionsscheines. Doch die BVB-Aktie ist nur gering gefallen – auch weil der Anschlag glücklicherweise misslang und mit Marc Bartra lediglich ein Spieler verletzt wurde. Das Wertpapier fiel von 5,70 Euro (11.4.) in den folgenden Tagen lediglich auf bis zu 5,36 Euro.

Der zweite Grund: Optionsscheine haben einen Brief- und einen Geldkurs. Der Geldkurs, zu dem ein Anleger verkaufen kann, ist niedriger als der Briefkurs, zu dem Investoren kaufen können. Und bei eher exotischen Werten wie einer BVB-Aktie ist diese Spanne – auch Spread genannt – relativ hoch.

Der Optionsschein beispielsweise mit der Wertpapierkennnummer DGQ1VV, den der mutmaßliche Attentäter am 11. April gekauft haben soll, notiert an diesem Mittwoch bei einem Geldkurs von 15 Cent und einem Briefkurs von 20 Cent. Vereinfacht ausgedrückt: Würde man einen solchen Optionsschein kaufen und sofort wieder verkaufen, hätte man einen Verlust von fünf Cent erzielt. Hinzu kämen noch die Handelskosten –sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf.

Dabei war dieser Put-Optionsschein noch der einzige, mit dem der Täter einen Gewinn hätte erzielen können – zumindest theoretisch. Dieser Schein notierte am Tag nach Attentat, dem 12. April 2016, kurzzeitig bei 0,26 Cent. Auf die beiden Käufe in Frankfurt und Stuttgart umgerechnet, hätte er einen Gewinn von 1200 Euro aus dem Kauf in Frankfurt (15.000 mal acht Cent Gewinn) plus 450 Euro vom Kauf in Stuttgart (5.000 mal neun Cent Gewinn). Wahrscheinlich ist das aber nicht: Denn zu einem Höchstkurs zu verkaufen, gilt unter Börsianern als extrem selten. Und in den Statistiken der Börsen gibt es keine Transaktionen mit diesen Wertpapieren. In der ganzen Rechnung fehlen zudem noch die Handelskosten.

Alle anderen Optionsscheine haben den Kaufpreis seitdem nie wieder erreicht. Manche von ihnen sind praktisch wertlos verfallen. So notiert der Optionsschein mit der WKN DGQ1VU bei einem Geldkurs von 0,001 Euro, einem Zehntel Cent.

Die unterschiedliche Kursentwicklung der verschiedenen Derivate hängt auch vom Basispreis ab. Dies ist der Preis, der beim Ausüben, der Realisierung zum Laufzeitende, von Optionsscheinen als Kauf beziehungsweise Verkaufspreis zugrunde gelegt wird.

Bei Put-Optionsscheinen gilt: Je höher der Basispreis ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man mit Put-Optionsscheinen Geld verdienen kann. So liegt der Basispreis von WKN DGQ1VU bei 4,40 Euro, der von DGQ1VV bei 5,20 Euro. Doch auch der zweite Optionsschein verfällt spätestens zum Laufzeitende wertlos, sollte die BVB-Aktie dann oberhalb dieser Marke notieren. Derzeit wird die Aktie des Fußball-Bundesligisten bei 5,74 Euro gehandelt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%