Brexit-Gefahr Anleger flüchten in die vermeintliche Sicherheit

Die Notenbanken in den USA und Japan haben eine weltweite Kursrally bei Anleihen angeheizt. Die Folge: Negative Renditen sind offenbar die neue Normalität. Doch was ist in der aktuellen Lage an den Märkten noch normal?

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Ein Bildschirm im Handelssaal der New Yorker Börse zeigt die Pressekonferenz der US-Notenbankchefin Janet Yellen. Als Folge ihrer Rede fielen die Renditen der Staatsanleihenn weltweit. Quelle: AP

Der weltweite Anleihemarkt steht Kopf: Die Kurse von Staatsanleihen haben in vielen Ländern neue Rekordmarken erreicht, nachdem die weltweiten Staatsschulden den höchsten Anstieg seit zwei Jahrzehnten erreicht haben. So suchen Anleger auch wegen der Aussicht, dass Großbritannien die Europäische Union verlassen könnte, weltweit neue Zufluchtsorte.

Janet Yellen, Chefin der US-Notenbank, hat die Rally am gestrigen Mittwoch angeheizt. Ihrer Ansicht nach könnten die Zinsen angesichts einer langsam wachsenden Wirtschaft und einer alternden Gesellschaft nach länger auf diesem niedrigen Niveau bleiben. Alles in allem scheint die Fed sich daher dem Lager der Ökonomen zu nähern, die auf lange Sicht niedriges Wachstum und niedrige Zinsen für den Normalzustand halten.

Auch die japanische Notenbank trug dazu bei: Nach ihrer Ansicht könnte die Inflation im Land der aufgehenden Sonne bei null oder sogar negativ bleiben. Daher verfolgt sie weiterhin eine Politik des billigen Geldes - und schwemmt die Märkte mit Kapital.

Im Verlauf der Rally fielen die Renditen von zehnjährigen Staatsanleihen, die als die wichtigste Kenngröße für den Markt gelten, in einigen Ländern auf beispiellose Niveaus gesenkt. Der Zins für japanische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit sank nach der Entscheidung der dortigen Notenbank auf minus 0,21 Prozent.

Auch in Deutschland ist die Rendite von Schuldverschreibungen mit dieser Laufzeit negativ. In der Schweiz liegt die Rendite von 30-jährigen Bonds - dort die Staatsanleihen mit der längsten Laufzeit - nur noch bei 0,027 Prozent.

Sowohl in Deutschland, Japan als auch der Schweiz gilt dies als ein weiteres Zeichen für die Flucht in die vermeintliche Sicherheit. Negative Renditen, früher als undenkbar angesehen, werden immer mehr zum Alltag für Anleger.

„Das ist das neue Anormale”, meint Park Sungjin, von der Investmentgesellschaft Mirae Asset Securities in der südkoreanischen Hauptstadt Seou. „Das Anormale ist nun normal“. Ähnliches sagte Janet Yellen, allerdings vorsichtiger. Die Zinsrate könne beeinflusst werden von „Faktoren, die nicht schnell verschwinden werden, aber ein Teil der neuen Normalität werden“, betonte sie.


Analysten lagen komplett falsch

Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen liegt mittlerweile bei 1,55 Prozent und damit nur noch 20 Basispunkte über dem Rekordtief. Analysten lagen Ende des Jahres 2015 mit ihren Erwartungen komplett falsch. Sie hatten Ende Juni dieses Jahres eine durchschnittliche Rendite für diese US-Anleihe von 2,6 Prozent erwartet, mehr als 100 Basispunkte oberhalb des aktuellen Stands.

Als ein weiterer Grund für den Renditeverfall gilt: Die globalen Staatsschulden sind in diesem Jahr um 5,5 Prozent angestiegen und damit so stark wie noch nie in einer vergleichbaren Periode seit 1995. Das belegen Zahlen der Bank of America vom Mittwoch.

„Portfoliomanager weltweit preisen derzeit die Risiken ein“, meint auch Norihiro Fujito von Mitsubishi UFJ Morgan Stanley Securities. Seiner Meinung wollen sie sich vor unliebsamen Ereignissen schützen. „Wir sehen die typische Flucht hin zur Qualität“. Risikante Anlagen wie Aktien werden verkauft, die Alternative seien Anleihen oder Cash.

Die weltweite Anleiherally hatte aber für Anleger seit Jahresanfang auch positive Seiten. Da bei fallenden Renditen der Anleihen gleichzeitig deren Kurse steigen, gab es viele Chancen für Gewinnmitnahmen. So waren laut der US-Bank JP Morgan für Euro-Investoren vor allem mit japanischen Staatsanleihen in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres gute Erträge zu erzielen. Gemessen an den Bloomberg-Indizes legten Japan-Bonds mit einer Laufzeit von zehn oder mehr Jahren um über 20 Prozent zu, wenn man in der europäischen Gemeinschaftswährung rechnet.

Gute Gewinne brachten zwischen Januar und Mai auch Langläufer aus Dänemark, hier lag das Plus bei rund zwölf Prozent. Knapp dahinter folgten zehnjährige Papiere der Niederlande mit elf Prozent. Deutsche und französische Anleihen gleicher Laufzeit gewannen rund zehn Prozent.

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