Brexit Zocken wie Soros

Wer am Donnerstag ein Brexit-Votum der Briten erwartet, kann mit Währungswetten gegen das Pfund kurzfristig viel Geld verdienen. Doch auch die Verlustrisiken sind extrem.

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Der Starinvestor hat 1992 mit Wetten gegen das britische Pfund Milliarden verdient. Quelle: Reuters

Frankfurt Kurs-Chaos an den Börsen und negative Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft fürchten Investmentprofis, falls die Briten bei der Volksbefragung am Donnerstag ihren Austritt aus der Europäischen Union wählen.

„Lediglich einige Spekulanten, die auf einen Brexit gesetzt hätten, würden ‚sehr reich werden‘, warnt etwa der US-Multimilliardär und Starinvestor George Soros in der Londoner Zeitung "The Guardian". Und da der Wahlausgang wenige Stunden vor dem Referendum völlig offen erscheint, raten Experten defensiven Anlegern sich mit Engagements lieber zurückzuhalten.

Auch wenn in den vergangenen Tagen die Austritts-Gegner in einigen Erhebungen minimal vorne lagen: Die Umfrageergebnisse lägen nah beieinander und die Gefahr sich zu verbrennen sei groß, sagt Joe Rundle vom britischen Brokerhaus ETX Capital.

Diese Einschätzung teilt Christine Romar, Derivatspezialistin bei der Citigroup: „Angesichts des ungewissen Ausgangs und der nur wenig absehbaren Folgen des Referendums bietet sich eine direkte Positionierung pro oder contra Verbleib Großbritanniens in der EU kaum an“, so die Fachfrau. Vieles spreche jedoch dafür, sich auf weitere Schwankungen vorzubereiten und vorsichtig zu positionieren.

Wer an der Börse im Falle eines „Brexit“ zu den wenigen Gewinnern gehören möchte, kann am unmittelbarsten durch Währungswetten davon profitieren – und sich gegen das Pfund positionieren: „Sollten die Briten für einen Ausstieg des Landes aus der EU stimmen, wäre ein starker Einbruch des Pfund wahrscheinlich", sagt Devisenspezialist Michael Rottmann von der italienischen Großbank Unicredit.


Wie stark die britische Währung abstürzen dürfte

George Soros erwartet in diesem Szenario, dass das Pfund Sterling „steil und schnell" um mindestens 15 Prozent abstürzen wird. Auch mehr als 20 Prozent Minus seien möglich. Damit würde die britische Währung von ihrem aktuellen Niveau bei rund 1,46 Dollar auf 1,15 Dollar einbrechen.
Mit Devisenspekulationen kennt sich Soros bestens aus. Sie brachten ihm 1992 den Ruf ein, die Bank of England geknackt zu haben. Der ehemalige Hedgefonds-Manager hatte damals massiv gegen das Pfund gewettet und auf Kosten der britischen Zentralbank und der Regierung Milliarden verdient.

Soros‘ Absturz-Prognose ist kein negativer Ausreißer: Dass Pfund-Schwächeszenarien von bis zu einem Fünftel gegenüber dem US-Dollar nicht auszuschließen seien, glaubt auch Niall Delventhal, Analyst beim Handelsplattformbetreiber FXCM Deutschland. „Auch die dann zu erwartenden expansiven Schritte der Bank of England (BoE), etwa eine mögliche Zinssenkung auf ein Rekordtief zur Stützung der Konjunktur, würden den Verkaufsdruck im Pfund erhöhen“, erläutert der Investmentprofi.

Steen Jakobsen, Chefvolkswirt und oberster Anlagestratege bei der Saxo Bank rechnet ebenfalls damit, dass bei einem „Leave“-Votum die Reaktion der BoE und der Europäischen Zentralbank entscheidenden Einfluss auf die Währungsentwicklung haben wird: „Sollte der wichtigste britische Aktienindex FTSE oder das britische Pfund mehr als fünf Prozent nachgeben, wird es zu Zinssenkungen um mindestens 25, wenn nicht sogar 50 Basispunkten kommen“, sagt Jakobsen.

Die Aussicht auf eine so massiven Abwertung treibt nicht nur Börsianer um: Die Briten selbst decken sich vor dem Referendum offensichtlich bereits kräftig mit Euro und Dollar ein - wohl auch um einem möglichen Kaufkraftschwund ihrer Ersparnisse zu begegnen. Der Umsatz im Devisenhandel sei allein seit dem Wochenende um 74 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen, erklärt das UK Post Office. Kunden tauschten die Landeswährung überwiegend in Euro und Dollar um.

Ausländische Investoren sind dagegen auf spezielle Finanzinstrumente angewiesen, um von einer Pfund-Abwertung zu profitieren. Mit Hebelprodukten wie Optionsscheinen oder sogenannten ETC (Exchange Trades Produkts) lassen sich dann sogar noch höhere Gewinne erzielen als bei einfachen Devisentransaktionen.

Diese speziellen Finanzinstrumente münzen Wechselkursbewegungen überproportional in Depoterträge um, falls die Brexit-Wette aufgeht. Im Gegenzug drohen allerdings bereits extreme Verluste, falls sich die Währung nur minimal anders entwickelt als vom Anleger gedacht.

Bereits seit Wochen sind hier auch Privatinvestoren verstärkt aktiv: „Die meisten Anleger glauben, dass die größte kurzfristige Auswirkung des Brexit das britische Pfund treffen würde – mehr aus Angst vor dem Austritt als dem Brexit selbst“, sagt James Butterfill, vom Produkteanbieter ETF Securities. Folgerichtig habe man einen großen Anstieg verzeichnet „in den Short-Positionen unserer Short-GBP ETCs“ – also bei den Finanzwetten auf fallende Pfund-Notierungen.

Doch nicht nur um unmittelbar an einem Brexit zu verdienen, engagierten sich Investoren bei den Währungs-ETCs, sondern auch als Schutz für Depotpositionen wie etwa Aktien oder Indexfonds: „Anleger treffen unter Risikogesichtspunkten gewisse Vorkehrungen, dazu zählt der Erwerb von Short-Positionen auf GBP als eine Form der Absicherung“, sagt Butterfill. Hintergrund: Brechen die Börsenkurse im Austrittsszenario ein, dann kann der Kursanstieg der Wetten gegen das Pfund einen Teil der Aktienverluste kompensieren.


Was Hobby-Spekulanten eine Warnung sein sollte

Wie schnell Währungswetten in einem hochnervösen Markt wie derzeit allerdings auch nach hinten losgehen können, hat sich diese Woche gezeigt: So schoss das Pfund am Montag völlig überraschend in die Höhe - zeitweise um 2,2 Prozent zum Dollar auf 1,4673 Pfund je Dollar. Das war der größte Intraday-Kursanstieg seit Dezember 2008. Auslöser waren Umfragen, die erstmals seit Wochen die Brexit-Gegner vorne sahen.

Im Gegenzug sanken die Prämien für eine Absicherung gegen Pfund-Turbulenzen um etwa ein Viertel – gleichwohl sie immer noch mehr als viermal so hoch liegen wie vor einem Monat. Auch am Dienstag spekulierten Investoren zunehmend auf ein "Ja" der Briten zur Europäischen Union Das Pfund Sterling setzte seinen Höhenflug fort und markierte bei über 1,474 Dollar auf dem höchsten Stand seit sieben Wochen.

Was Hobby-Spekulanten ebenfalls eine Warnung sein sollte: Selbst Profis sind wegen der völlig unkalkulierbaren weiteren Entwicklung am Devisenmarkt solche Wetten inzwischen zu heiß geworden. Sie reduzieren ihre Engagements und begeben sich hinter die Seitenlinie: Zwar haben im Vorfeld des Referendums am 23. Juni Hedgefonds weltweit auf die "Brexit-Angst" gewettet – hauptsächlich mit Pfund-Leerverkäufen, sagte Nicolas Rousselet, Hedgefondschef bei dem Genfer Dachfondsanbieter Unigestion am Dienstag gegenüber dem Nachrichtendienst Bloomberg. Doch planten sie keine Positionen mit Blick auf das Ergebnis der Abstimmung. Stattdessen lösten die meisten „Global-Macro-Fonds“ vor dem Urnengang ihre Pfund-Short-Positionen auf. "Niemand will auf das tatsächliche Ergebnis wetten", so der Stratege.

Die Vorsicht der professionellen Spekulanten untermauern auch aktuelle Daten der US-Aufsichtsbehörde "Commodity Futures Trading Commission" zum Verhalten am Terminmarkt. Demnach fiel der Überhang an Wetten gegen das Pfund zuletzt um knapp die Hälfte im Vergleich zum Monatsanfang.

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