Britische Buchmacher Wetten auf das Euro-Aus

Nachrichten zur Euro-Krise haben an der Börse größeren Einfluss auf Kurse als die besten Unternehmenszahlen. Der Markt verkommt mehr und mehr zum Wettbüro. Wieso also nicht gleich direkt wetten – auf den Euro-Exit eines Landes?

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Eine Filiale des britischen Wettanbieter Ladbrokes Quelle: dpa

Dem britischen Wettanbieter Ladbrokes war der bitterböse Spaß ein schönes Sümmchen wert: Wer vor dem EM-Fußballspiel Deutschland gegen Griechenland einen Euro darauf setzte, dass die deutsche Regierung noch während des Spiels ankündigt, die Griechen aus der Gemeinschaftswährung zu werfen, dem winkten 100 Euro.

Diese Summe stand für den Wettanbieter wohl nie ernsthaft auf dem Spiel. Denn ein bisschen mehr diplomatisches Geschick und auch ein besseres Timing wäre der Kanzlerin durchaus zuzutrauen.

Doch ein Fünkchen Wahrheit steckt in der Wette trotzdem. Die Griechen haben zwar endlich wieder eine neue Regierung – aber dennoch die alten Probleme.

Der Ruf nach dem Ende mit Schrecken

So wünscht sich nun manch ein Anleger lieber ein Ende mit Schrecken. Viel zu lange schon dominiert die Krise die Börsenkurse. Annahmen und Prognosen, auf die man gestern seine Investmententscheidung bauen konnte, können Anleger heute oft gleich in der Mülltonne begraben. Unternehmenszahlen, die lange Jahre für fundierte Analysen taugten, werden so immer wertloser. Nur noch auf eins ist Verlass: Die nächste Euro-Hiobsbotschaft kommt bestimmt.

Das Treiben an der Börse wirkt daher immer hilfloser: Richtung Norden zucken die Kurse vor allem, wenn die nächste Rettungsaktion von Notenbankern, Politikern oder dem Internationalen Währungsfonds kurzfristig groß genug erscheint. Allein: Die Freude über Kurssprünge ist meist nicht von langer Dauer. Am Ende gewinnt oft genug nur noch die Erkenntnis, dass keine Geldspritze dieser Welt die Überschuldung von Banken und Staaten löst. Und schon liegen die Aktienkurse wieder tiefer.

Finger weg vom Zocken

So auch Mitte der Woche, diesmal ausnahmsweise als Reaktion auf eine Nachricht von der anderen Seite des Atlantik: Die US-Notenbank Fed kündigte an, ihr Twist-Programm fortzusetzen. Bis Jahresende will sie kurzfristige Anleihen im Wert von 267 Milliarden Dollar verkaufen und im Gegenzug lang laufende Papiere hereinnehmen, um so die Zinsen zu drücken. 267 Milliarden, das war dem Markt irgendwie zu wenig, die Börse drehte einen Tag später nach unten.

Selbst abgebrühte Superzocker kommen nicht gegen die unkalkulierbare Nachrichtenlage an. Viele Hedgefondsmanager haben in den letzten Monaten ihre Fonds beerdigt – unter anderem der US-Milliardär und Energiehändler John Arnold, Zoe Cruz, Ex-Co-Präsidentin von Morgan Stanley, und Duke Buchan III.

Einige begründen das explizit mit der Euro-Krise: „Die Märkte scheinen mehr von den jüngsten Nachrichten aus Europa und weniger von der Aussicht auf Unternehmensgewinne getrieben zu sein“, schrieb der New Yorker Buchan an Investoren, als er seinen Fonds Hunter Global Investors LP schließen wollte.

Überquellende Abschusslisten

Entwicklung der Staatanleihen in der Schuldenkrise
Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe seit Januar 2010 Quelle: Bloomberg
Bundesanleihen USA Quelle: Bloomberg
Staatsanleihen Griechenland Quelle: Bloomberg
Bundesanleihen Portugal Quelle: Bloomberg
Bundesanleihen Irland Quelle: Bloomberg
Bundesanleihen Italien Quelle: Bloomberg
Bundesanleihen Spanien Quelle: Bloomberg

Zuletzt kündigte US-Manager Paul Sinclair an, seinen gut 450 Millionen Dollar schweren Fonds Expo Capital Management dichtzumachen. Sinclair verbuchte Verluste, politische Entscheidungen hätten seine Aktien im Nachhinein negativ beeinflusst. „Ich kann mir keinen Vorteil erarbeiten mit Blick auf die griechischen Wahlen, das spanische Bankensystem oder was die Europäische Zentralbank, der Internationale Währungsfonds, Angela Merkel oder die Federal Reserve tun werden“, erklärte er laut der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Wer noch im Geschäft ist, tappt weiter im Dunkeln. Die meisten Investoren wissen eher, was sie nicht mehr kaufen wollen, als umgekehrt. Auf den öffentlich vorgetragenen Abschusslisten landen jetzt immer häufiger Staatsanleihen aus Spanien und Italien. Die beiden Länder, erinnert Chris Iggo, Chefanleger für Anleihen bei Axa Investment Managers, machten rund 30 Prozent des Staatsanleihemarktes der Euro-Zone aus. „Sofern diese und andere Peripheriemärkte für Investoren weiterhin tabu sind – wohin soll das Geld dann fließen?“, fragt er rhetorisch.

Doppelt so hoher Zins

Für spanische und italienische Staatsanleihen wird es eng. Die Spanier konnten am Donnerstag der vergangenen Woche zwar 2,22 Milliarden Euro leihen, müssen aber für zweijährige Papiere mit 4,7 Prozent im Schnitt mehr als doppelt so viel Rendite bieten wie in der letzten vergleichbaren Auktion im März.

Investoren beschäftigen sich jetzt mit der Frage, ob ihnen mit den spanischen Papieren ein ähnliches Schicksal droht wie mit griechischen. „Die Politiker“, sagte ein hochrangiger Frankfurter Investmentbanker nach der Griechen-Wahl, „haben einen Kardinalfehler gemacht, als sie private Gläubiger am griechischen Schuldenschnitt beteiligt haben, die EZB aber ausgenommen wurde.“ Weil die Zentralbank keine Verluste machen sollte, mussten private Investoren deutlich mehr Geld abschreiben als erwartet. Je mehr Staatsanleihen die EZB nun von Spanien und Italien kauft, desto gefährlicher wird es für Private, am Ende wieder schlechter dazustehen.

Die Furcht vor dem Auseinanderbrechen der Euro-Zone bewegt den Dax Quelle: Intrade, Thomson Reuters

Griechen setzen auf Austritt

So wie der Investmentbanker trauen viele Investoren der Politik nicht mehr über den Weg – und meiden Papiere aus Krisenstaaten. Das steigert die Chance auf Staatsbankrotte – und damit auf ein Euro-Aus. Dieses von Dax-Investoren eher gefürchtete Szenario (siehe Chart) wiederum zieht reinrassige Zocker an. Wenn schon wetten, dann richtig, so ihr Kalkül. Die Plattform bieten ihnen die britischen Buchmacher, die seit jeher Wetten zu allen nur denkbaren Themen annehmen.

Selbst der mit allen Wassern gewaschene britische Wettanbieter William Hill hat seine Griechen-Exit („Grexit“)-Wette allerdings erst nach der Wahl in Griechenland wieder aufgenommen. Er wollte sich am Euro nicht die Finger verbrennen. Es wäre dumm, hieß es, eine Wette auf den Euro-Exit während der Wahl aufrecht zu halten, wenn die Griechen über die Auszählung der Stimmen viel besser Bescheid wüssten als der Wettanbieter. Denn hätte die Partei Syriza gewonnen, wäre das Land kaum mehr im Euro zu halten gewesen, weil der Chef des radikalen Linksbündnisses, Alexis Tsipras, die Sparauflagen kündigen wollte.

Die Wette mit der Euro-Zone

Eine Griechin in einem Wettbüro Quelle: dpa

Vorbei. Die Wette ist wieder im Programm. Wie gut sie läuft, will Hill zwar nicht preisgeben. Aber „Hunderte von Wetten“ würden schon jede Woche auf den Austritt eines Landes aus der Euro-Zone abgeschlossen. Auf die Frage, ob Griechenland bis zum Ablauf des Jahres die Währung abgegeben habe, wetten bei den Briten derzeit vier von zehn Mitspielern mit Ja. Jeder vierte der Pessimisten kommt laut William Hill gar aus Griechenland – das nennt man dann wohl Galgenhumor.

Bei William Hill kann man ebenfalls darauf setzen, welches Land als erstes die Euro-Zone verlässt. Wer einen Euro einsetzt, bekommt 1,20 Euro, falls Griechenland als erstes austritt. Die niedrige Gewinnchance deutet darauf hin, dass viele es für sehr wahrscheinlich halten, dass das Land die Euro-Zone doch verlässt.

Das Geschäft mit der Euro-Angst will sich auch Hill-Konkurrent, der britische Wettanbieter Ladbrokes, nicht entgehen lassen – und dieser Tage seine ebenfalls eingestellten Wetten auf den Zusammenbruch des Euro wieder aufnehmen. Bei ihm soll es dann eine volle Liste aller Euro-Mitgliedstaaten geben.

Die Internet-Plattform Intrade

Während man bei Wettbüros gegen den Anbieter wettet, der die Höhe des Gewinns anpasst, je nachdem wie wahrscheinlich der Eintritt des Ereignisses wird, tritt man auf Prognosemärkten gegen Mitspieler an. Auf der Internet-Plattform von Intrade kommt eine Wette nur zustande, wenn es auf dem Markt jemanden gibt, der die Gegenmeinung vertritt. Intrade-Kunden sehen derzeit die Wahrscheinlichkeit, dass ein Euro-Land seine Währung vor Jahresende abgibt, bei über 25 Prozent. Knapp 20.000 Mal wurden bislang Aktien auf diese Prognose gehandelt, laut Intrade ein rechnerischer Gegenwert von rund 200.000 US-Dollar.

Intrade funktioniert so: Wer auf ein Bestehen der Währungsunion setzt, geht short, verkauft also Aktien, die er gar nicht besitzt. Erst wenn ein anderer Mitspieler die Gegenmeinung vertritt und die Aktien kauft, steht die Prognose. Tritt das Ereignis ein, oder läuft die Prognose aus, bekommen alle, die richtig liegen, von den Verlierern ihr Geld. Damit die zahlen können, friert Intrade auf dem Kundenkonto jeweils den maximalen Verlust ein (bis zu zehn Dollar pro Aktie). Wer sein Geld zwischenzeitlich zurück möchte, kann seine Aktien vor Ablauf der Prognose zum dann aktuellen Preis verkaufen. Gewinne mitzunehmen ist also möglich. Intrade verlangt von aktiven Tradern 4,99 US-Dollar Gebühr pro Monat.

Die Starken gingen zuerst

Eine gezielte Wette auf Griechenlands Exit bietet Intrade nicht an. Die müsste am Ende auch gar nicht die profitabelste sein. Ökonomie-Professor Andrew K. Rose von der amerikanischen Haas School of Business hat untersucht, wie sich Währungsunionen seit 1945 entwickelt haben. Seit dieser Zeit blieben 61 Mitglieder in ihrer Union, 69 verließen sie, wie Rose 2007 in seiner Studie feststellte. Sein verblüffendes Ergebnis: Die ersten Abtrünnigen waren meist die größeren, reicheren und demokratischeren Länder. Er nennt zum Beispiel Länder wie Singapur, Irland oder Neuseeland.

Wer auf Deutschlands Exit tippt und recht behält, konnte bei William Hill zuletzt 26 Euro rausschlagen – der Anbieter hält es, das lässt sich an den Gewinnsummen ablesen, für wenig wahrscheinlich, dass einer der starken Euro-Partner vor den schwachen geht.

Die Wette auf den D-Exit könnte daher am Ende profitabler sein als die auf den Grexit. Zumindest dann, wenn man die immensen finanziellen Verwerfungen herausrechnet, die mit einer Rückkehr zur D-Mark verbunden wären.

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