Buchkritik „Tod im Bankenviertel“

Das Frankfurter Bankenviertel ist Schauplatz des Krimis Quelle: imago images

Ein Frankfurter Insider hat einen Börsenkrimi geschrieben. Der bietet handfeste Unterhaltung - und tiefe Einblicke in das sehr spezielle Biotop der Banker, Geldmanager und Finanzjournalisten.

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Dass Börsianer Aktienkurse nach oben tricksen und ahnungslose Anleger betrügen, indem sie sie geschönte News verbreiten: geschenkt. An der Börse ist das fast Alltag.

Ebenso Insiderhandel, zuletzt beobachtet bei einem Top-Fondsmanager von Union Investment, der in großem Stil Aktien vorgekauft haben soll, die seine Fonds dann später orderten. Auch kommt es vor, dass Unternehmen als betrügerische Luftnummern aufgeblasen werden – nicht erst seit Wirecard. Was es noch nie so richtig gab: Großangelegte Manipulation des gesamten Markts, den großen Coup.

Detlef Fechtner konstruiert genau den – in seinem Börsenkrimi „Tod im Bankenviertel“. Eine Bande von Kriminellen will Fake News über den Ticker einer seriösen Nachrichtenagentur in die Märkte geben, so den Dax drücken und mit Hilfe von Termingeschäften Millionen verdienen. Der Plan funktioniert – bis ein junger Wirtschaftsjournalist bei einer langweiligen Investmentkonferenz in der Alten Oper in Frankfurt mitbekommt, wie sich einer der Kriminellen am Laptop eines Nachrichtenagentur-Journalisten zu schaffen macht.

Detlef Fechtner: Tod im Bankenviertel, Börsen-Krimi, Societaets Verlag, Frankfurt 2020 (15 Euro) Quelle: Presse

Der junge Journalist der „Finanzzeitung“ – das fiktive Pendant der real existierenden „Börsen-Zeitung“, deren stellvertretender Chefredakteur Fechtner ist – recherchiert erst den Börsengangstern hinterher und versucht am Ende, den Coup zu verhindern. Das läuft dann wie in einem reinrassigen Krimi, einerseits: Verfolgungsjagden, anonyme Drohungen, die Verbrecher gehen über Leichen. Alles schlüssig aufgeschrieben und stringent durcherzählt. Die andere Seite der Geschichte aber macht das Buch erst so besonders: Fechtner führt seine Leser in das ihm seit Jahren vertraute Frankfurter Biotop der Banker, Wertpapierhändler und Finanzjournalisten. Er streift elegant die börsentechnische Mechanik der großen Manipulation, nicht zu kompliziert oder unerwünscht belehrend, sondern angenehm nebenbei. Abgehobenen Spielereien verfällt Fechtner nicht, Stil und Perspektive sind nicht manieriert, sondern bodenständig und handfest – Rugby statt Polo, Apfelwein statt Mouton Rothschild.

Alle Handlungsorte sind real und sehr präzise nachgezeichnet, auch hypergenaue Ur-Frankfurter werden hier keine geografischen Fehler finden. Banken, Medien und Personen dagegen sind fiktiv, aber viele wiedererkennbar, und diverse Typen wunderbar gezeichnet – so etwa ein sich nach jeder Richtung absichernder Unterabteilungsleiter, den der Bundesbankpräsident wirkungsvoll auflaufen lässt, oder ein die perfekte Mittelmäßigkeit so vieler in der Finanzszene verkörpernder Pressesprecher. Krachend-dramatisch das Finale, und, schließlich ist es ein Krimi: blutig. Ob der Börsencoup gelingt, soll hier nicht gespoilert werden. Unrealistisch, dieser Nachweis gelingt Fechtner, ist er jedenfalls nicht.

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