China-Beben und Dax-Rutsch Wer hat Angst vor China?

Die Unsicherheit über Chinas labile Konjunktur hat den Börsen erneut schmerzhafte Kursstürze zugefügt. Solange die Zweifel am Zustand von Chinas Wirtschaft bestehen bleiben, dürften die Märkte immer wieder beben.

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Das China-Beben ist in die zweite Runde gegangen. Quelle: REUTERS

Das China-Beben ist in die zweite Runde gegangen. Zum zweiten Mal in dieser Woche wurden chinesische Aktien vom Handel ausgesetzt, nachdem die Kurse zuvor um mehr als sieben Prozent gefallen waren. Ähnlich wie bereits am Montag rauschte in der Folge auch der deutsche Leitindex Dax in den Keller, das Börsenbarometer verlor zu Handelsbeginn rund 300 Zähler und fiel unter die Marke von 10.000 Punkten. Müssen Anleger sich an solche Kursaussetzer und ihre Folgen gewöhnen? Und bleibt das Beben ein Beben, oder können die Probleme Chinas der Weltwirtschaft substanzielle Probleme bereiten?

Der erneute Not-Stopp sorgte auch bei deutschen Investoren für Unruhe, wie ein professioneller Trader am Morgen sagte, der seine Positionen gerade den Entwicklungen in China anpasste. Insbesondere Aktien von deutschen Konzernen, die hohe Absätze auf dem chinesischen Markt machen, mussten am Donnerstag starke Kursverluste hinnehmen.

Die Autohersteller BMW und Daimler waren zum Mittag Schlusslichter im Dax mit rund 4,7 Prozent Minus. Auch der EuroStoxx 600, der Index der 600 größten europäischen Konzerne muss den schlechtesten Handelsstart in ein neues Jahr aller Zeiten verkraften. Er steht vor einem Wochenminus von gut fünf Prozent.

„Mich hat es völlig auf dem falschen Fuß erwischt“, sagte der Trader. Eigentlich sei in den vergangenen Jahren zum Handelsstart im neuen Jahr immer ein guter Kursgewinn möglich gewesen im Dax. Deshalb sei er – wie viele andere Investoren auch – in Long-Positionen investiert gewesen. Hatte also auf einen Kursanstieg nach Neujahr gesetzt.

„Fundamental kann ich mir diesen Verkaufsdruck auf dem europäischen Markt nicht erklären“, sagte er. „Dass diese vergleichsweise kleine Börse in Shanghai solche Einflüsse auf die Dax-Werte hat, kann nicht sein.“ Ausschlaggebender wäre eigentlich der Hang Seng Index in Hong Kong. Der hatte heute nur mit einem Minus von drei Prozent geschlossen, das liege eher im normalen Bereich für China. Und zeigt, dass die deutlichen Kursverluste nicht nur an die sinkenden Wachstumsaussichten auf dem chinesischen Markt gekoppelt sein können.

„Der Not-Stopp in Shanghai ist mit fünf und sieben Prozent auch viel zu eng gesetzt“, sagte der Trader. Solche Schwankungen habe es an dieser Börse immer schnell gegeben, die sich zum Ende des Handelstages dann aber wieder korrigiert hätten. Er hält einen Break bei zehn Prozent Kursverlust für angemessener.

„Ich vermute, dass der Verkaufsdruck durch den weiterhin niedrigen Ölpreis kommt“, sagte der Trader. Der könnte gerade in Ländern wie Russland und Brasilien in diesem Jahr für erheblich nachhaltige Schäden in der Wirtschaft und bei den Konzernen sorgen. Das wäre für ihn eine fundamentalere Erklärung für die Rücksetzer im Markt. „Aber die Reaktionen auf Kursstopps an der Börse Shanghai sind gerade reine Panik.“

Auslöser für den erneuten Kurseinbruch in China war die chinesische Zentralbank, welche die Abwertung der Landeswährung Yuan beschleunigte. Gegenüber Mittwoch werteten die Notenbanker die Währung um 0,5 Prozent ab, ihr Mittelwert liegt nun bei 6,56 Yuan je Dollar. Es ist bereits der achte Tag in Folge, an dem die Währung geschwächt wird. Analysten mutmaßen, China wolle damit seine Exporteure unterstützen und die Ausfuhren ankurbeln. Grund für diese Annahme ist vor allem das schwache Wachstum, welches China belastet. Im vergangenen Jahr ist die chinesische Wirtschaft nach Schätzungen der Notenbank nur um 6,9 Prozent gewachsen, so langsam wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr.

Beobachter sorgen sich nun erneut vor einem Währungskrieg im asiatischen Raum. "Das wird an den Märkten befürchtet", sagte Devisen-Experte Sim Moh Siong von der Bank of Singapur. Ein Handelskrieg wäre eine gefährliche Spirale. Wird eine Währung so stark abgewertet und verschafft dem jeweiligen Land kräftige Wettbewerbsvorteile, besteht die Gefahr, dass andere Länder nachziehen und es zu einem "Abwerten um die Wette" kommt.

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Nicht das erste Mal

Mitte August brachte die chinesische Notenbank die Märkte schon einmal kräftig durcheinander, weil sie den Yuan mehrmals in Folge deutlich abwertete. Auch da schürte sie Sorgen vor einem Währungskrieg. Die Notenbank selber begründete ihren Schritt allerdings anders. Es handele sich dabei um eine weitere Annäherung an marktwirtschaftliche Mechanismen. Künftig solle sich der Mittelwert des Yuan am Marktgeschehen und an den Schlusskursen des Vortages orientieren. Die schrittweise Entkopplung des Yuan gehört zu dem Vorsatz der chinesischen Regierung, die Finanzmärkte stärker zu liberalisieren. Das Argument, man habe sich nur am Marktgeschehen orientiert, könnte diesmal ähnlich lauten.

Dennoch schüren die Maßnahmen jedesmal Zweifel an Chinas wirtschaftlicher Standfestigkeit. Weiß die Notenbank etwas, was die Märkte noch nicht wissen. Diese Überlegung führte am Donnerstag zu Panikverkäufen. Zuletzt waren schlechte Zahlen seitens der Industrieproduktion Anlass zur Sorge. Besser lief es dagegen im Dienstleistungssektor, hier konnte ein Plus erwirtschaftet werden. Die Regierung plant, die chinesische Wirtschaft schrittweise zu einem nachhaltigeren Wachstumsmodell zu treiben, welches eher von einer stabilen Inlandsnachfrage profitieren soll als von seinem Dasein als "Werkbank der Welt".

Zweifel vor Zuversicht

Der Sprung dahin ist allerdings schmerzhaft, auch an den Märkten. Panikverkäufe führen schnell zu großen Kursschwankungen. Das liegt vor allem daran, dass im Laufe der vergangenen Monate an Chinas Börsen eine gewaltige Liquiditätsblase aufgebaut wurde. Für viele Beobachter ist es daher wenig verwunderlich, dass es an Chinas Märkten zu heftigen Verzerrungen kommt. Die heiße Luft muss eben irgendwie wieder aus den Märkten abfließen.

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So warnt Fang Jian, Managing Partner bei Linklaters in China davor, von den Bewegungen auf Chinas Aktienmärkten direkt auf den Zustand der chinesischen Konjunktur zurückzuschließen. "Der chinesische Aktienmarkt ist nicht zwingend ein Spiegelbild der Gesundheit der breiten Wirtschaft", sagt Jian. Der Grund, so Jian, ist unter anderem, dass die größten Unternehmen Chinas weiterhin in Staatshand sind. Gleichzeitig sei die Mehrheit der Händler an den Börsen weiterhin individuelle Investoren, die Struktur sei eben noch sehr anders als an den Märkten in westlichen Volkswirtschaften. Jian befürwortete die Umstrukturierung Chinas weg von der Exportabhängigkeit hinzu mehr inlandsgetriebenem Wachstum.

Sicherlich stecken die Märkte in China noch in den Kinderschuhen. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass sie dennoch genug Schlagkraft haben, um die weltweiten Börsen mit ins Minus zu reißen. Das haben die vergangenen Tage bewiesen. Und die Sorgen um die Weltwirtschaft sind nicht unberechtigt. Investorenlegende George Soros mahnte, China tue sich schwer, ein neues Wachstumsmodell zu finden, und die Abwertung seiner Währung transferiere diese Probleme auf den Rest der Welt. Das derzeitige Umfeld "erinnert mich an die Krise des Jahres 2008", sagte Soros.

Die Reaktion des Dax ist daher nachvollziehbar. China ist die zweitgrößte Wirtschaft der Welt, viele deutsche Unternehmen sind vom Handel mit der Volksrepublik in hohem Maße abhängig. Zudem sorgt die Abwertung des Yuan dafür, dass deutsche Produkte in China teurer werden. Das alles trifft vor allem die Exporteure aus wichtigen Branchen wie dem Maschinenbau und der Automobilindustrie. Die Aktien dieser Unternehmen, beispielsweise Papiere von VW oder BMW, trifft ein solches Beben besonders hart. Allerdings haben auch andere Dax-Unternehmen wie BASF oder Siemens ein breites China-Geschäft, welches sich in einer Krise eintrüben könnte.

Hinzu kommt, dass Händler weltweit weiterhin Zweifel haben an den Maßnahmen, welche die chinesische Regierung ergreift. Solange die Absichten nicht klar sind, dürfte es immer wieder zu Einbrüchen an den Märkten kommen. Denn solange nicht klar ist, ob Chinas Weg hinzu einem nachhaltigeren Wachstum erfolgreich ist, dürften die Zweifel die Zuversicht übersteigen. Und Zweifel sind nie gut für die Börsen.

Mit Material von Reuters.

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