
Die Furcht vor einem deutlichen Konjunktureinbruch in China hat zu Wochenbeginn erneut Schockwellen durch die Märkte gejagt. Anleger warfen weltweit Aktien und Industrierohstoffe wie Öl und Kupfer aus ihren Depots. Der Dax, in dem zahlreiche Titel exportorientierter Unternehmen notiert sind, rutschte erstmals seit Mitte Januar wieder unter die psychologisch wichtige Marke von 10.000 Punkten. Damit sind die seit Jahresanfang angehäuften Gewinne aufgezehrt.
"Wir sind mitten in einer Panikattacke und China ist das Epizentrum", schrieben die Analysten von JP Morgan Cazenove in einer Studie. Sein NordLB-Kollege Tobias Basse ergänzt: "Anleger fürchten, dass die Wachstumsdelle in China in der Weltwirtschaft ihre Spuren hinterlassen wird." Das mache die Investoren "super-nervös".
Stichwort: Die schwärzesten Tage für den Dax seit 1987
Frankfurt, 24. Aug (Reuters) - Die Furcht vor einem deutlichen Konjunktureinbruch in China hat die Aktienmärkte am Montag auf Talfahrt geschickt. Der Frankfurter Leitindex Dax rutschte erstmals seit Mitte Januar wieder unter die Marke von 10.000 Punkten, zeitweise fiel er um bis 3,6 Prozent auf 9760 Zähler.
Eindeutige Kriterien für einen Crash gibt es nicht - außer Panik, hohe Umsätze und hohe Verluste. Beim bislang größten Börsenkrach der Nachkriegszeit am 19. Oktober 1987, als Spekulationen auf Zinserhöhungen den Dow-Jones-Index an der Wall Street um 23 Prozent einbrechen ließ, gab es den Dax noch nicht. Er wurde erst am 1. Juli 1988 erstmals berechnet.
Im folgenden eine Übersicht über die prozentual höchsten Verluste des Dax seither:
DIE 1990er JAHRE UND DIE ANSCHLÄGE VON 9/11
Der Dax fällt um rund 13 Prozent und folgt damit der Wall Street, wo Finanzierungs-Schwierigkeiten bei einem Unternehmensverkauf einen Ausverkauf auslösten.
Ein später gescheiterten Putsch gegen den damaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow drückt den Dax um gut neun Prozent ins Minus.
Im Sog der Asienkrise sackt der Dax im Handelsverlauf um bis zu 13 Prozent ab und schließt mit 3567 Punkten acht Prozent niedriger.
Die Angst vor einem Flächenbrand im Bankenwesen nach der Schieflage eines Hedgefonds in den USA und einer Eskalation der Krisen in Asien, Japan, Lateinamerika und Russland drücken den Dax um acht Prozent ins Minus.
Nach den Terroranschlägen in den USA fällt der Dax um neun Prozent.
Sie hinterlässt tiefe Spuren im Dax.
Angst vor einer Rezession in den USA drückt den Dax um sieben Prozent auf 6790 Punkte ins Minus. Bei der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers am 15. September kommt er aber glimpflich davon und verliert nur moderate 2,7 Prozent.
Für den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate muss binnen einer Woche ein zweites Rettungspaket geschnürt werden. Der Dax verliert sieben Prozent.
Im Sog der Finanzkrise stürzt der Nikkei -Index um über neun Prozent ab. Der Dax verliert bis zu neun Prozent. Nach einer konzertierten Zinssenkungsrunde der großen Notenbanken erholen sich die Kurse nur leicht. Der Dax schließt mit einem Minus von sechs Prozent.
Rezessionsängste angesichts der Finanzkrise drücken den Nikkei-Index um zehn Prozent. Der Dax verliert ebenfalls sieben Prozent.
Ein erneuter Absturz der Tokioter Börse drückt den Dax in der Spitze um über elf Prozent.
Nachdem die USA bei der Ratingagentur Standard & Poor's ihre Bestnote als Kreditnehmer verlieren, brechen die Kurse ein: Der Dax verliert rund fünf Prozent.
Die Furcht der Anleger vor einer weltweiten Rezession und einer Ausweitung der Schuldenkrise in der Euro-Zone drückt den Dax um 5,3 Prozent ins Minus.
Der Dax verliert rund fünf Prozent. Auslöser ist die überraschende Ankündigung einer Volksabstimmung in Griechenland über ein Rettungspaket.
Das Scheitern der Gespräche zur Lösung der Schuldenkrise in Griechenland und die überraschende Ansetzung einer Volksabstimmung über die Forderungen der Gläubiger drückt den Dax gleich im frühen Handel um 4,6 Prozent auf 10.964,24 Punkte.
China ist einer der größten Konsumenten von Rohstoffen und ein wichtiger Absatzmarkt für Europa - Anleger beobachten die konjunkturelle Entwicklung im Reich der Mitte mit Argusaugen. Zuletzt hatten sich Anzeichen für eine stärkere Abkühlung der chinesischen Wirtschaft gemehrt, wichtige Konjunkturdaten fielen schlechter aus als erwartet. Von den früher zweistelligen Wachstumsraten ist schon lange nichts mehr zu sehen. Für 2015 strebt die Regierung ein Plus von sieben Prozent an - es wäre der kleinste Zuwachs seit einem Vierteljahrhundert.
Die chinesische Zentralbank versucht sich mit aller Macht gegen den Abwärtstrend zu stemmen: So ließ sie die Landeswährung Yuan kräftig abwerten, was chinesische Waren im Ausland billiger macht. Viele Anleger sahen darin einen weiteren Beleg, dass es um die nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft alles andere als gut bestellt ist.
Aktienanleger nehmen Reißaus
Nach den Kurseinbrüchen an der chinesischen Börse zu Wochenbeginn, nahmen auch Aktienanleger in Europa Reißaus. Der Dax fiel in der Spitze um 3,6 Prozent auf 9760 Zähler. Anfang April hatte er noch auf einem Rekordhoch von 12.390,75 Zählern notiert. Die europäischen Finanzmärkte rauschten um knapp drei Prozent auf den tiefsten Stand seit sieben Monaten - insgesamt wurden durch den Kursrutsch rund 230 Milliarden Euro an Börsenwert vernichtet.
Der Shanghai-Composite ging am Montag 8,5 Prozent schwächer aus dem Handel. Die Entscheidung der Regierung, Pensionsfonds erstmals Investitionen am Aktienmarkt zu gestatten, blieb ohne spürbare Auswirkungen. Investoren hatten offenbar damit gerechnet, dass die chinesische Notenbank die Märkte mit neuen Geldspritzen stützt..
Belastet wurden die Aktienbörsen in Europa neben den China-Sorgen auch durch einen wieder erstarkten Euro, der europäische Waren im Ausland verteuert. Spekulationen auf eine spätere Zinswende trieben die Gemeinschaftswährung auf 1,1499 Dollar, den höchsten Stand seit fast sieben Monaten.
Öl-und Kupferpreise geraten ins Straucheln
Am Rohstoffmarkt rutschten die Preise für das Nordseeöl Brent und das US-Öl WTI in der Spitze um mehr als vier Prozent ab und notierten mit 43,28 und 38,69 Dollar je Fass auf dem tiefsten Stand seit sechseinhalb Jahren. Kupfer war mit 4903 Dollar je Tonne ebenfalls so billig wie seit mehr als sechs Jahren nicht mehr. Schwächelt die Wirtschaft im Reich der Mitte, fürchten Anleger einen deutlichen Nachfrageeinbruch bei Industrierohstoffen wie Öl und Kupfer.
Die fünf großen Gefahren für Chinas Wirtschaftswachstum
Seit Jahren schießen die Immobilienpreise in Chinas Großstädten in ungeahnte Höhen - seit Monaten mehren sich jedoch Zeichen für einen Kollaps.
Neben den trägen Staatsbanken hat sich in China ein großer Markt von nicht-registrierten Geldinstituten etabliert, die der Staat bislang nicht kontrollieren kann.
Banken haben ohne genaue Prüfung Firmen immense Kredite für unproduktive und verschwenderische Investitionen gegeben.
Mit Subventionen der Regierung haben viele Branchen gewaltige Überkapazitäten aufgebaut, beispielsweise die Solarindustrie. Aber sie werden ihre Produkte nicht los.
Chinas Wirtschaft hängt vom Export ab. Geraten wichtige Abnehmerländer in Krisen, hat auch China Probleme.
Vor allem exportorientierte Industriezweige wie die Autobauer litten unter den Befürchtungen der Börsianer, dass sich der Wachstumsrückgang in China als langfristiger Trend herausstellen könnte. BMW und Daimler verloren im Dax zeitweise mehr als fünf Prozent. Der europäische Branchenindex gab in der Spitze 4,2 Prozent nach, seit Monatsbeginn kommt er auf ein Minus von rund 13 Prozent.
Zuflucht suchten die Anleger in den gern als sichere Häfen angesteuerten zehnjährigen Bundesanleihen. Die Kurse stiegen, im Gegenzug fiel die Rendite bis auf ein Drei-Monats-Tief von 0,541 Prozent zurück