China und der Dax "Chinas Salami-Crash ist schmerzhaft für die Märkte"

Die Aktienkurse in China brechen regelmäßig ein und belasten damit auch den Dax. Anlagestratege Christian Kahler erklärt, warum Zukäufe sich dennoch lohnen und wie Anleger sich absichern können. Ein Interview.

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Chinas Börsen: Keine Beständigkeit in Aussicht. Quelle: dpa Picture-Alliance

WirtschaftsWoche Online: Herr Kahler, am Montag haben die Kurse an der chinesischen Börse schon wieder um gut fünf Prozent nachgegeben. Müssen wir uns daran nun gewöhnen?

Christian Kahler: Letztlich sehen wir gerade das schrittweise Platzen einer Blase. Im chinesischen Markt steckt viel zu viel Liquidität, die Bewertungen sind weiterhin stark übertrieben. Seit dem ersten Crash im vergangenen Sommer werden diese Übertreibungen nun Stück für Stück abgebaut.

Platzt eine Börsen-Blase normalerweise nicht einmalig mit lautem Knall?

Häufig ist das so, ja. Allerdings sorgt die chinesische Regierung mit ihren Regulierungsvorschriften am Markt dafür, dass es keinen massiven Crash gibt, sondern einen scheibchenweisen Salami-Crash.

Zur Person

Welche Regulierungsvorschriften meinen Sie?

Beispielsweise die Verkaufsverbote für Großinvestoren. Solche Maßnahmen verhindern zwar massive Kursverluste, schränken aber gleichzeitig den Handel ein. Teilweise sind nur wenige Prozent der Aktien handelbar.

Das klingt, als stünde uns eine lange Anpassungsphase bevor. Ist so ein Salami-Crash schmerzhafter als der große Rumms?

Die chinesische Börse dürfte über Monate krisenanfällig bleiben. Solange dauert es, bis die spekulativen Aufschläge aus den Bewertungen weg sind. Problematisch ist vor allem, dass sich viele chinesische Privatanleger auf Kredit verspekuliert haben. Dieser Hebel ist weiterhin in den Kursen drin. Je länger es dauert, bis die Blase aus den Kursen raus ist, desto schlimmer ist das für die internationalen Finanzmärkte.

Christian Kahler Quelle: PR

Dann ist es gut, dass China den Stopp-Mechanismus, welcher dafür sorgt, dass bei großen Kursrücksetzern der Handel ausgesetzt wird, nun wieder abgeschafft hat?

Ja, so sind auch größere Kursbewegungen möglich. Ein Ad-hoc-Crash, bei dem die Märkte um 20 oder 30 Prozent fielen, wäre gut für die Börsen. Dann käme mehr Ruhe in den Handel. Die chinesische Regierung interveniert noch zu viel, sie macht die gleichen Fehler wie vor einigen Jahren die Japaner. Sie zwang Banken und Broker dazu, Papiere zu kaufen, die immer weiter an Wert verloren. In den Depots häufen sich massive Verluste an, die dann über Jahre abgeschrieben werden müssen. Japans Banken hat dieses Problem lange verfolgt.

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Müssen wir uns nur Sorgen um die chinesische Börse machen, oder sehen Sie auch die Volkswirtschaft in Gefahr?

Anleger sollten nicht vergessen, dass es sich beim Crash um ein reines Börsenthema handelt. Im Vergleich zu Industriestaaten besteht in China zwischen der Entwicklung der Börsenkurse und der Konjunktur nur ein sehr loser Zusammenhang. Chinas Börse ist noch jung, und die Regierung hat viele unerfahrene Privatanleger in den Markt gelockt, welche dort Geld und Kredite verspielen.

"Mehr Konsum und Binnennachfrage"

Aber die Sorgen um die chinesische Wirtschaft lassen sich doch wohl nicht einfach so wegwischen?

Ohne Zweifel läuft die Konjunktur nicht mehr so rund wie noch vor einigen Jahren. Das zeigen auch die Frühindikatoren. Das sollte aber völlig abgekoppelt vom Aktienmarkt betrachtet werden, die Blase dort hat keine realwirtschaftlichen Folgen. Außerdem geht es der Wirtschaft längst nicht so schlecht wie angenommen.

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Tatsächlich?

Wer sich statt der klassischen Konjunkturindikatoren Kennziffern wie Stromverbrauch oder Warenverkehr ansieht, stellt fest, dass China zwar nicht mehr so stark wächst wie noch vor ein paar Jahren, sich aber sehr stabil entwickelt. Wir rechnen in diesem Jahr mit einem Plus von etwas mehr als sechs Prozent. Der von der Regierung angestrebte Wandel weg von einer industriell getriebenen Wirtschaft hinzu mehr Konsum und Binnennachfrage geht nicht ohne Abstiche beim Wachstum. Mit einem fundamentalen Wachstumseinbruch rechnen wir aber nicht, die Regierung hat weiterhin genug fiskalische und monetäre Mittel, um die Wirtschaft zu stützen.

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Trotzdem ist der Dax in der ersten Handelswoche des Jahres bereits unter die 10.000-Punkte-Marke gerauscht.

Fundamental lässt sich das nicht herleiten, die Dax-Konzerne erwirtschaften ja insgesamt nur sieben Prozent ihrer Umsätze in China. Grundsätzlich fehlen eben am Jahresanfang die Impulse, da löst ein Kursrutsch an einem einzigen Markt schnell eine Überreaktion aus. Zudem waren angesichts der Kursverluste sicherlich einige Fondsmanager zu Verkäufen gezwungen.

Also sollten Anleger die niedrigen Kurse zum Einstieg nutzen?

Zunächst erwarten wir tatsächlich eine leichte Erholung der Kurse, Käufe könnten sich lohnen. Allerdings startet in Kürze die Berichtssaison der Konzerne in den USA, welche einige Enttäuschungen parat haben dürfte. Von einer längerfristigen Erholung kann also noch keine Rede sein. Wir rechnen Ende Februar mit einem Stand von etwa 9400 bis 9500 Punkten im Dax.

Die Zinsen der Europäischen Zentralbank sind weiterhin niedrig, warum sind Sie so negativ für den Aktienmarkt?

Seitens der Unternehmen gibt es zurzeit wenig positive Impulse, einige Konzerne haben bereits ihre Gewinne nach unten revidiert. Der Markt ist insgesamt nicht besonders breit aufgestellt, wenn da mal ein oder zwei Aktien nicht laufen, dann spüren das die Anleger. Auch der schwache Euro und der niedrige Ölpreis stützen den Dax und andere europäische Börsen nicht in dem erwarteten Maß.

Wie können Anleger sich absichern?

Zukäufe sind zwar drin, Zykliker sollten allerdings nicht zu viel im Depot landen. Spannender sind Papiere, die von der stabilen Binnenkonjunktur in Deutschland profitieren, wie Aktien von Konsumgüterherstellern. Am sichersten fahren Anleger, wenn sie auf die sogenannten Dividendenaristokraten setzen - Aktien von Unternehmen, deren Geschäftsmodell nicht von aktuellen Schwankungen der Weltwirtschaft abhängt und die ihren Aktionären regelmäßig eine Dividende zahlen. Ein Beispiel dafür sind die Rückversicherer. Wer sich ein paar Aristokraten aussucht, hat automatisch eine vernünftige Streuung im Portfolio.

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