Pannen beeinflussen immer wieder das Marktgeschehen. Im April legten zum Beispiel Software-Probleme die Derivate-Börse CBOE aus Chicago für einen halben Tag lahm. Im Sommer 2012 sorgte der US-Aktienhändler Knight Capital für Schlagzeilen. Knight-Rechner hatten damals unbeabsichtigt den Markt mit Orders geflutet und für Chaos gesorgt. Dem Unternehmen entstand ein Verlust von 440 Millionen Dollar. Das Handelshaus stand dadurch vor dem Kollaps und musste von mehreren Investoren gerettet werden. In Erinnerung ist an der Wall Street zudem noch der sogenannte Flash Crash aus dem Jahr 2010. Damals fiel der Kurs des Standardwerte-Index Dow Jones binnen Minuten um rund 1000 Punkte. Hier lösten Computerprogramme von Hochfrequenz-Händlern eine Verkaufskaskade aus.
Die zunehmende Häufigkeit der Vorfälle wirft die Frage auf, ob der Wertpapierhandel nicht längst viel zu abhängig von technischen Systemen ist, die auch ausfallen oder andere Probleme verursachen können. Früher war zwischen Käufer und Verkäufer immer noch ein Händler aus Fleisch und Blut zwischengeschaltet. Er konnte abwägen und entscheiden, zu welchem Kurs ein Handel zustande kommt und als Konterpart einspringen, wenn Kauf- und Verkaufsorderkurse zu weit auseinander lagen.
Aber dieser Schluss wäre falsch. Denn zum einen sind auch Händler längst auf technische Systeme angewiesen. Zum anderen entstanden viele der Computerpannen der vergangenen Jahre durch Fehlbedienung und fehlerhafte Programmierung der Computersysteme durch den Mensch. Als es noch keine Computer gab, war der Mensch die Schwachstelle. In den 60er Jahren mussten US-Börsen den Handel regelmäßig unterbrechen, weil die Händler förmlich in Papierbergen erstickten und Aufträge nicht wie vorgesehen platzierten. Damals lag das tägliche Handelsvolumen noch bei zehn bis zwölf Millionen Aktien pro Tag, inzwischen sind es sechs Milliarden. Schon aus Kostengründen sind die Computersysteme der Börsen heute unverzichtbar. Börsenprofis zufolge zeige der Nasdaq-Vorfall vielmehr, dass es im digitalen Handel an Notfall- und Backup-Systemen mangelt.
Ohne den Menschen geht es nicht
Der Faktor Mensch spielt lediglich bei der Steuerung und bei der Behebung der Pannen die entscheidende Rolle. Und die nimmt er offenbar schnell und verantwortungsbewusst wahr. Die technischen Probleme seien bereits nach einer halben Stunde gelöst gewesen, teilte die Nasdaq mit. Die übrige Zeit sei nötig gewesen, um sich mit anderen Börsenbetreibern, Aufsehern und Marktteilnehmern abzustimmen und einen geordneten Neustart des Handels zu gewährleisten. Nach Angaben von Bankern und Brokern hatten deren Handelsabteilungen der Nasdaq nämlich dringend geraten, den Handel bloß nicht unvorbereitet wiederaufzunehmen. Sie fürchteten, dass weitere Pannen den ohnehin nervösen Markt weiteres Vertrauen kosten würden. "Das Feedback an die Nasdaq lautete: 'Überstürzt das bloß nicht - es würde zehnmal schlimmer sein, zu schnell online zu gehen als sich Zeit zu nehmen, um das Problem wirklich zu beheben."
Dennoch: Der Glaube an die Zuverlässigkeit und Genauigkeit des Computerhandels hat einmal mehr Risse bekommen. Insgesamt hat das Risiko von Handelspannen und dramatischen Kursbewegungen insbesondere durch den computergesteuerten Hochfrequenzhandel weiter zugenommen. Demnächst werden auch in den USA Ideen zur Begrenzung des Hochfrequenzhandels präsentiert. Das Problem wurde erkannt.
Ein kleiner Trost für jene, die Nachteile durch die technischen Pannen fürchten: Meist erholen sich die Börsen schnell davon, die Kurse erreichen wieder normales Niveau. Trotz der mehrstündigen Nasdaq-Panne ging der Technologiewerte-Index mit einem Plus von 1,1 Prozent aus dem Handel. Die Aktie der Börsenbetreibergesellschaft Nasdaq OMX büßte dagegen 3,4 Prozent ihres Wertes ein.