Kapital- und Rentenpolicen durch niedrige Zinsen gebeutelt, Fondspolicen kostenträchtig, Riester-Verträge viel zu kompliziert, richtiges Timing am Aktienmarkt so schwierig wie eh und je, da scheinen für den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge Aktienfonds-Sparpläne wie gerufen zu kommen: Monat für Monat einfach 50 oder 100 Euro zur Seite gelegt, indem man bei einer Fondsgesellschaft, Bank oder Sparkasse jeweils zu einem bestimmten Stichtag über gute und schlechte Börsenjahre hinweg automatisch Fondsanteile erwirbt. Wenige Anteile, wenn die Aktienkurse hoch, viele, wenn sie niedrig sind, anteilig bis hinter dem Komma. Was dabei herauskommt, heißt Cost Average-Effekt oder einfach nur Cost Averaging und bedeutet: Der durchschnittliche Einstandspreis ist durch den Kauf weniger Anteile, wenn an der Börse gejubelt wird, und vieler Anteile, wenn Börsianer die Köpfe hängen lassen, besonders günstig.
Der Fondsverband BVI hat ermittelt, dass Fonds mit deutschen Aktien in den vergangenen 20 Jahren im Durchschnitt ein Plus von jährlich 5,0 Prozent gebracht haben, in den vergangenen 30 Jahren sogar eines von jährlich 6,7 Prozent. Fonds mit internationalen Aktien haben es immerhin noch zu einem jährlichen Plus von 3,2 Prozent über 20 und von 5,2 Prozent über 30 Jahre geschafft. So weit die Vergangenheit, die sich durchaus sehen lassen kann, besonders mit Blick auf die vergangenen 30 Jahre.
Vergangenheit ist nicht gleich Zukunft
Doch damit drängen sich gleich drei Einwände auf: 1. Die Zukunft dürfte zu ganz anderen Ergebnissen führen; zu welchen, weiß kein Mensch. 2. Wie viele Anleger bringen wohl so viel Disziplin auf, dass sie drei Jahrzehnte lang monatlich 50 oder 100 Euro für einen Fondssparplan abzweigen, egal, ob Börsenjubel vorherrscht oder ein Crash die Aktienkurse in die Tiefe sausen lässt? 3. Der Fondsdurchschnitt aus zwei oder drei Jahrzehnten sagt nur wenig bis gar nichts über den spezifischen Fonds aus, mit dem ein Anleger jetzt zu sparen beginnt. Im Übrigen geschieht es allzu oft, dass Fonds vom Markt verschwinden oder mit anderen zusammengelegt werden.
Das Fortschreiben der Vergangenheit in die Zukunft verbietet sich von selbst. So überzeugend die BVI-Daten sein mögen, ihnen liegt eine bestimmte Börsenentwicklung zugrunde, die sich so nicht wiederholen, sondern die anders sein wird; wie, kann man nicht einmal erahnen. Das gilt auch für die unterschiedlichen Ergebnisse der in deutsche und in internationale Aktien investierenden Fonds: Die einen waren in der Vergangenheit besser, die anderen können in Zukunft besser abschneiden. Darüber hinaus ist noch anzumerken, dass der BVI die Daten beginnend Mitte 1993 (bei 20 Jahren Laufzeit) und Mitte 1983 (bei 30 Jahren Laufzeit) bis Mitte 2013 erfasst hat. In den fraglichen Jahrzehnten haben die Aktienkurse trotz heftiger Unterbrechungen in den Jahren 2000 bis 2003 und dann noch einmal 2008 unter dem Strich ordentlich zugelegt und am Ende nahezu neue Höchststände erreicht.
Anleger werden zum Narren gehalten
Ein Beispiel mag belegen, wie unterschiedlich der Cost Average-Effekt wirken kann und warum Aktienfondssparer sich nicht der Illusion hingeben sollten, am Ende des Sparprozesses sei alles paletti. Angenommen, ein Anleger investiert über die Zeit von neun Jahren jeweils 100 Euro in einen Aktienfonds, dessen Anteilspreis von 10 Euro zu Beginn über die Stationen 20, 30 und 40 Euro auf 50 Euro steigt, aber danach in denselben Schritten wieder auf 10 Euro zurückfällt. Die jeweiligen Beträge seien Jahresdurchschnitte. Der Anleger erhält für seine 100 Euro also am Anfang 10, beim nächsten Mal 5, danach 3,33, später 2,5 und am Ende des Aufwärtstrends nur noch 2 Anteile. Während des Abwärtstrends wiederholt sich alles in umgekehrter Reihenfolge, sodass unser Anleger schließlich über 43,66 Anteile verfügt.
Ein anderer Anleger investiert in einen Aktienfonds, dessen Anteilspreis zu Beginn 50 Euro kostet und danach in denselben Schritten wie beim ersten Anleger auf 10 Euro fällt, um schließlich wieder ebenso sukzessive auf 50 Euro zu steigen. Der zweite Anleger verfügt am Ende nur über 35,66 Anteile; das sind im Vergleich zum ersten Anleger 8 Anteile weniger. Daraus folgt: Der Cost Average-Effekt kann Anleger ganz schön, wahlweise unschön, zum Narren halten.
Wenn der Fondskauf intuitiv zustande kommt
Wissenschaftler lassen denn auch kaum ein gutes Haar an ihm. Zum Beispiel haben Thomas Langer und Niels Nauhauser dem Effekt an der Uni Mannheim einen kritischen Beitrag gewidmet, in dem sie ihm „keine praktische Relevanz“ bescheinigen und behaupten, seine Wirkung basiere auf einem „Denkfehler“. Ein Fazit der beiden lässt ahnen, warum der Effekt im Geschäft der Fondsanbieter dennoch eine gewisse Rolle spielt: „Die Popularität des Cost Averaging ergibt sich vor allem durch seine gut vermittelbare Intuition.“ Und in der Tat, wer die Internetseiten der Fondsgesellschaften durchstöbert, stößt immer wieder auf intuitive Argumente von der Art „Im billigen Einkauf liegt der Gewinn“ - ein Verkaufsargument, mehr nicht, merken Kritiker dazu an.
Das hält die Anbieter indes nicht davon ab, das Cost Averaging zu forcieren. Waren es früher in erster Linie die traditionellen Fondsgesellschaften, die es anboten, um über laufende Mittelzuflüsse zu verfügen, so sind es jetzt praktisch alle großen Banken und Sparkassen einschließlich der rührigen Direktbanken, die neben gemanagten Fonds – zum Teil mit geringem oder keinem Ausgabeaufschlag – auch so manchen börsengehandelten Indexfonds mit dem Kürzel ETF (Exchange Traded Fund) im Programm haben.
Warum so mancher Vergleich hinkt
Ein beliebtes Argument der Anbieter besteht darin, dass sie die Vorteilhaftigkeit der regelmäßigen Anlage eines bestimmten Betrags gern im Vergleich zur Anlage einer konstanten Stückzahl von Fondsanteilen herausstellen. Die Alternative mit dem Betrag erweist sich dann regelmäßig als rechnerisch vorteilhafter. Ein solches Argument ist allerdings fadenscheinig, wenn man bedenkt, dass kaum jemand auf die verrückte Idee kommen dürfte, Monat für Monat so und so viele Fondsanteile zu unterschiedlichen Preisen zu kaufen, solange die Möglichkeit besteht, den Cost Average-Effekt zu nutzen.
Hier oder da wurden auch Vergleiche mit Einmalanlagen angestellt. Diese Anlagen erwiesen sich zwar überwiegend als vorteilhafter im Vergleich zum Cost Averaging; aber die Vergleiche hinkten von vornherein daran, dass eine einmalige Anfangsinvestition in einen Fonds methodisch nur schwer mit vielfachen Zahlungen für einen Fondssparplan verglichen werden kann.
Wer bei allem bis hierher vorgebrachten Wenn und Aber trotzdem noch mit einem Fondssparplan liebäugelt, sollte neben unruhigen Börsen und ihrer Wirkung auf das Ergebnis von Sparplänen, neben Fonds, die vom Markt verschwinden, und Argumenten, die sich bei genauer Prüfung als fadenscheinig erweisen, noch eine Reihe weiterer Punkte beachten: geplante Spardauer, der Börsenentwicklung angepasste flexible Exitplanung, damit der Cost Average-Effekt zum Ende des Sparvorgangs nicht negativ wirkt, bisherige Entwicklung der in Aussicht genommenen Fonds, möglicher Fondsmanagerwechsel, Kosten und Steuern.
Was den letzten Punkt betrifft: Mit der Einführung der Abgeltungsteuer Anfang 2009 hat der Staat den Fondssparern einen Bärendienst erwiesen, weil von da an neben laufenden Erträgen auch Wertsteigerungen der seitdem gekauften Fondsaneile besteuert werden. Nicht auszuschließen ist, dass die Abgeltungsteuer in der neuen Legislaturperiode sogar von 25 Prozent zuzüglich Soli und Kirchensteuer erhöht wird.