Dark Pools Wie der Börsenhandel über Schattenmärkte Anlegern schadet

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Angebote, die von außen niemand sieht

Dieses Spiel läuft jeden Tag am Markt. Große Investoren tun alles, damit ihre Deals die Kurse so wenig wie möglich bewegen. Gut für sie, möglicherweise aber schlecht für andere Anleger, auch für Privatanleger. Das Spiel mit verdeckten Karten verhindert, dass Privatanleger von günstigen Gelegenheiten profitieren können – etwa, indem sie durch eine große Verkaufsorder im Kurs gedrückte Aktien billig einsammeln. Der Preis ist verfälscht, weil nicht alle Kauf- und Verkaufsinteressenten an ihm mitgewirkt haben. An der regulären Börse kaufen Anleger brav zum Börsenpreis, obwohl gleichzeitig im Dark Pool ein Paket diskret den Besitzer wechselt, das die Kurse nach unten gedrückt hätte.

Das verstorbene Börsengenie André Kostolany hat die Börse mal als ein aus Millionen Molekülen zusammengesetztes Konstrukt beschrieben: Ein Käufer bietet 80 Dollar, ein Verkäufer verlangt 120. „Wenn nun lediglich ein einziges Molekül an der Börse wäre, könnte keine Transaktion zustande kommen. Doch besteht die Börse aus unzähligen Molekülen“, schreibt er. Ein anderer Käufer bietet 85 Dollar, ein dritter 90, ein Verkäufer wäre mit 110 zufrieden – und dann kommt einer, der verkaufen muss, weil er Geld braucht, „und der muss sich mit den 90 begnügen“. Er schlägt ein, der Kurs steht fest, die Aktie wechselt den Besitzer. Amtlich, und so, dass es jeder mitbekommt.

In dieser Sichtweise ist die Börse der vollkommene Markt, auf dem Verkäufer und Käufer den richtigen Preis aushandeln. So lernen das Ökonomiestudenten im ersten Semester. Doch die Realität ist nicht so perfekt. Die Zersplitterung auf reguläre Börsen, alternative Plattformen und Dark Pools mehrt die Zweifel an den offiziellen Börsenkursen. Wenn dasselbe Papier an immer mehr Börsen gleichzeitig gehandelt wird, sind an jedem Platz weniger Kauf- und Verkaufsinteressenten als an einer zentralen Börse. Es gibt weniger Kauf- und Verkaufsangebote. Damit steigt das Risiko, dass die Spannen zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis von Aktien weit auseinanderlaufen. Bei breiteren Spannen zahlen Käufer mehr, und Verkäufer bekommen weniger – Anleger werden also schlechter gestellt. Umgekehrt gilt: Je mehr Anbieter und Nachfrager an einem Markt aktiv sind und Preise vorschlagen, zu denen sie handeln würden, desto mehr Geschäfte kommen zustande, und desto niedriger sind die Spannen.

Xetra, das System der Deutschen Börse, ist mit knapp 70 Prozent Umsatzanteil Marktführer beim Handel von Aktien aus dem Dax. Praktisch die Leitbörse, auf die alle schauen. Doch die von großen Banken gegründeten Konkurrenzbörsen Chi-X (15 Prozent Marktanteil im Dax), die mit ihr fusionierte BATS (6 Prozent) oder Turquoise (heute im Besitz der Londoner Börse, 7 Prozent Marktanteil) haben mittlerweile fast ein Drittel des Handels an sich gezogen.

Hier handeln Profis nicht nur offen, wie an klassischen Börsen, sondern auch verdeckt.

Die schwarze Liste der Aufseher

Welche Aktien bis September 2018 nicht mehr in Dark Pools gehandelt werden¹
Unternehmen/BrancheHandel insgesamt (in Mrd. Euro)²davon in Dark Pools (in Prozent)³
Covestro/Plastik21,18,3
Deutsche Börse/Börse16,78,4
Evonik/Energie11,910,2
Kion/Gabelstapler11,98,5
Stada/Pharma10,19,7
Zalando/Onlinehandel9,510,2
Innogy/Energie8,89
Rocket Internet/Beteiligungen3,48,8
Hapag-Lloyd/Logistik1,517,8
Puma/Sport/Mode0,98,9
¹ Auswahl. insgesamt 43 Werte aus Dax. MDax. SDax und TecDax betroffen; ² Handel in Europa im Jahr 2017; ³ Grenzwert = 8.0 Prozent. bei Überschreitung 6 Monate Sperre für Dark Pools; Quelle: ESMA. Deutsche Börse

Bei Turquoise können Händler Kauf- und Verkaufsgebote einstellen, die von außen niemand sieht. Auch hier schickt die Plattform eine Nachricht, sobald sie einen passenden Handelspartner aus dem Dunkel ihrer Nutzerschaft herausgefiltert hat. Ausgeführt wird der Deal zum Kurs, der in dem Augenblick an der Hauptbörse für das jeweilige Wertpapier angezeigt wird. Bei den Dax-Aktien ist das meist der Xetra-Kurs. Die verdeckten Deals orientieren sich also an einem öffentlich zur Verfügung gestellten Kurs, zu dessen Ermittlung sie selbst nichts beitragen. Frankfurts ehemaliger Börsenchef, der 2015 abgetretene Schweizer Reto Francioni, schmähte die außerbörslichen Plattformen gern mal als „Parasiten“, weil sie von den Kursdaten der etablierten Börsen leben. Dark Pools und private Plattformen sparten die Kosten für eine solide Preisbildung und Handelsüberwachung ein, argumentierte er. Deshalb seien sie weniger transparent, ihre Preise weniger nachvollziehbar als die klassischer Börsen.

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