Kritiker stellen nicht nur die Technik, sondern auch die Moral an vielen Dark Pools infrage. Der Argwohn richtet sich insbesondere gegen die Systematischen Internalisierer (SI), also jene Plattformen, auf denen Banken Aktienaufträge verschiedener Kunden gegeneinander ausführen. Dieses „Matching“ verläuft aber offenbar nicht immer ganz reinlich, vermutet Christoph Boschan, Mitglied des Vorstands der Börse Stuttgart.
„Die Betreiber von SI führen Aktienorders oft gegen die eigenen Handelsbestände aus. Damit sind natürlich vehemente Interessenkonflikte verbunden“, sagt der Börsen-Manager. Eine Bank, die Aktien aus dem eigenen Bestand verkauft, wird dem Kunden wohl nicht immer die besten Konditionen bieten. Boschan ist freilich, wie er freimütig einräumt, Partei: Die Börse Stuttgart steht in Konkurrenz zu den Dark Pools, die angeblich Eigennutz mit Kundenwohl verwechseln. Doch auch unabhängige Experten und IR-Chefs von Großunternehmen hegen einen ähnlichen Verdacht wie Boschan – sie möchten sich damit allerdings nicht zitieren lassen.
Für Zündstoff sorgt ebenfalls, dass an manchem Dark Pool Informationen über geplante Block Trades zum Eigenhandel der Bank durchsickern, die diese Plattform betreibt. Wissen die Händler, dass ein Investor ein bestimmtes Aktienpaket erwerben will, können sie das Papier vorab mit Aussicht auf risikolose Kursgewinne kaufen. „Frontrunning“ heißt die verbotene Praxis.
In den USA musste sich bereits ein Dark Pool vor Gericht verantworten, weil dort Handelsdaten missbräuchlich im Eigenhandel verwendet worden sein sollen. Auch hierzulande sind die Fondsmanager auf der Hut. „Da wir auf der Anonymität unserer Orders bestehen, ziehen wir uns, wenn wir so etwas bemerken, sofort aus diesem Dark Pool zurück“, sagt Mast von AGI. Wie aber stellt er fest, dass Handelsdaten durchgesickert sind? „Ein Indiz sind verdächtige Marktbewegungen an den offiziellen Börsen, die kurz nach den Aktienorders zu beobachten sind“, sagt Mast.
Wo schon die Profis hinter jeder Ecke Dunkelmänner vermuten, sollten Privatanleger erst recht Vorsicht walten lassen. Privatanleger können kaum überprüfen, ob sie bei interner Verrechnung von Aufträgen im Dark Pool einer Bank nicht doch einen ungünstigeren Kurs bekommen haben als an der Börse. Die komplette Intransparenz an den Schattenbörsen lässt die ärgsten Verdächtigungen entstehen.
An den amtlichen Börsen gibt es Aufseher, die bei Störungen eingreifen sollen. „An den privaten Plattformen gibt es hingegen keine Handelsüberwachung, an die sich ein Investor wenden kann, wenn seine Order fehlerhaft ausgeführt wurde“, sagt Börsen-Vorstand Boschan.