Dark Pools Wie der Börsenhandel über Schattenmärkte Anlegern schadet

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Manipulationsgefahr für die Kurse

„Börsenkurse sind öffentliche Güter, die nicht privatisiert werden sollten“, sagt Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse.

Wenn Aktienumsätze an regulierten Märkten schrumpfen, steigt die Gefahr der Manipulation. Denkbar wäre zum Beispiel, dass ein Hedgefonds, der eine große Aktienposition in einem Dark Pool abstoßen will, zuvor mit kleinem Geld an der regulären Börse den Kurs nach oben treibt.

Dem Ruf des außerbörslichen Handels geschadet haben auch die Cum-Ex- und Cum-Cum-Deals, Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag. Um doppelte Steuererstattungen zu kassieren, verschoben Banken und Investoren Aktien außerhalb der Börsen hin und her. Zulasten des Steuerzahlers, den das bis zu 30 Milliarden Euro gekostet haben dürfte.

Finanzaufseher wie die ESMA fürchten zudem um die Finanzstabilität. Zersplitterung auf zu viele alternative Handelsplätze erhöht die Crashgefahr – auf manchen fehlen Investoren, die im Crash kaufen und so die Kurse stabilisieren. „Auf kleineren Handelsplätzen trocknet der Markt in heißen Phasen mit schnell fallenden Kursen rasch aus“, sagt Wiens Börsenchef Boschan.

Der österreichische Finanzbuchautor und ehemalige EU-Parlamentarier Martin Ehrenhauser sieht bei den Börsen allerdings eine Mitschuld am Boom des Schattenhandels. Zum Teil hätten sie seriöse, große Geldanleger selbst vertrieben. Denn die Börsen haben superschnellen Händlern, die minimale Kursunterschiede nutzen und Börsen hohe Umsätze bringen, Privilegien eingeräumt. „Hochfrequenzhändler bekommen schnellere Anschlüsse an die Handelssysteme der Börsen und sogar Gebührenrabatte, das ist unfair“, sagt Ehrenhauser. Deshalb flüchteten Investoren wie Allianz und Co. in Dark Pools, wo sie hoffen, ihre Order vor superschnellen Händlern und Hedgefonds verstecken zu können.

Auch Unternehmen irritiert das Spiel mit verdeckten Karten. „Es gibt immer mal Kursausschläge, die wir uns nicht direkt erklären können“, sagt Lutz Grüten, beim Düngemittelhersteller K+S zuständig für Investor Relations. Weil K+S-Aktien auf einer zweistelligen Zahl von Plattformen gehandelt werden, lassen sich die Ursachen solcher Kursänderungen nur schwer feststellen. „Je größer der Umsatz an einer Börse, desto fairer sind die Kurse“, ist Grüten überzeugt. K+S ist hier sensibel, ist die Aktie des Dax-Absteigers doch immer wieder Ziel von Spekulanten, die auf einen Kursverfall wetten. Vor dem Boom des außerbörslichen Handels und der Dark Pools genügten für den ehemaligen Banker und Aktienanalysten ein paar Anrufe in Frankfurt, um rauszubekommen, wer gerade K+S-Papiere verkauft. Das ist heute fast unmöglich. Und dass Grüten Einblick in die Orderlage eines Dark Pools bekommt, ist ausgeschlossen.

Die Aufsicht ESMA will die Dark Pools jetzt zumindest ein Stück austrocknen. Seit Montag gilt erstmals eine schwarze Liste. Auf der stehen 43 deutsche Aktien, die 2017 massiv über Dark Pools gehandelt wurden und jetzt für den Schattenhandel gesperrt werden. Ganz vorn mit dabei: die Aktie der Deutschen Börse. Die ist vor allem bei angelsächsischen Großinvestoren gefragt – und die handeln eben oft lieber im Dunkeln als auf Xetra.

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