Das Hundert-Milliarden-Risiko Dax-Unternehmen gaukeln Aktionären heile Welt vor

In den Geschäftsberichten der 30 Dax-Unternehmen wird den Aktionären eine heile Welt vorgegaukelt. Dabei schieben die Finanzchefs Abschreibungen auf, Pensionslasten sind nicht gedeckt, Schulden tauchen in der Bilanz nicht auf. Bei welchen Unternehmen Aktionären der Verlust an Vermögen droht, bei welchem Unternehmen Bilanzgefahren derzeit beherrschbar sind.

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Bei den Dax-Unternehmen wirkt alles wie in einer heilen Welt, aber das stimmt nicht Quelle: REUTERS

Obwohl der konjunkturelle Rückenwind weiter ausbleibt, haben wir einen gelungenen Start in das neue Jahr hingelegt. Damit haben wir im ersten Quartal die Robustheit unseres Geschäftsmodells erneut unter Beweis gestellt und sind unserer Rolle als Marktführer einmal mehr gerecht geworden." So äußerte sich Mitte Mai Vorstandschef Frank Appel bei der Vorlage der Zahlen für die ersten drei Monate der Deutschen Post. Während die Post, gemessen an Umsatz und ausgewiesenem Gewinn, tatsächlich relativ gut unterwegs ist, verbergen sich in ihrer Jahresbilanz kritische Positionen: Bei der Altersvorsorge für ihre Mitarbeiter klafft eine Lücke; frühere Einkaufstouren haben zu Vermögenspositionen geführt, deren Werthaltigkeit Experten infrage stellen; möglicherweise muss Appel in einigen Jahren höhere Schulden ausweisen, weil sich die Regeln zur Bilanzierung von Leasingverträgen ändern sollen.

Alarmierende Zahlen

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, als auch dem Letzten gewahr wurde, dass die Zahlen der Banken faul sind, kursierte ein Merksatz typisch britischen Humors in London: "On the left side, nothing is right, and on the right side, nothing is left." Ganz so schlimm steht es um die Bilanzen der Dax-30-Unternehmen meist nicht. Doch was Wissenschaftler, Analysten und Wirtschaftsprüfer im Auftrag der WirtschaftsWoche in den Büchern der Konzerne entdeckt haben, ist alarmierend.

Milliardenschwere Pensionslasten für die Mitarbeiter sind nicht gedeckt. Verpflichtungen und Schulden aus Leasingverträgen haben die Buchhalter so trickreich gestrickt, dass sie außerhalb der Bilanz geführt werden dürfen. Und Scheinwerte aus zu teuren Firmenübernahmen haben die Finanzchefs seit Jahren nicht abgeschrieben, sondern als vermeintliches Vermögen deklariert. Das alles legal unter dem Deckmantel der geltenden Bilanzregeln. Die Werte der Unternehmen und viele Gewinnzahlen erscheinen deshalb höher, als sie es in Wahrheit sind.



Der große Bilanzcheck

Investoren müssen nicht um jede letzte Ableitung der Bilanzregeln wissen, um zu erkennen, wo die Vorstände möglicherweise Gefahren verschweigen, wo Vermögensposten überbewertet sein könnten und deshalb der Aktienkurs in Zukunft negativ betroffen sein könnte. Wer die wesentlichen Änderungen erfasst, kann sich auf negative Überraschungen einstellen.

Drohende Abschreibungen

So ist es wichtig, zu wissen, wie Unternehmen den Wert ihrer zugekauften Töchter berichtigen: Gehen sie dabei vorsichtig vor und werten regelmäßig ab - oder droht eine Abschreibung auf einen Schlag, wenn diese sich gar nicht mehr vermeiden lässt? Die Universität St. Gallen hat deswegen für die WirtschaftsWoche analysiert, welche Abschreibungspolitik die Dax-30-Unternehmen nach Übernahmen betreiben. Und die Forscher aus der Schweiz haben ermittelt, wie teuer Pensionsansprüche der Mitarbeiter Jahr für Jahr kommen. Berater von Mercer in Frankfurt haben Lücken in den Pensionsfonds aufgedeckt, zudem haben Wirtschaftsprüfer von BDO in Düsseldorf die Zinsannahmen für die Altersvorsorge der 30 Dax-Unternehmen unter die Lupe genommen. Und die Spezialisten der Stuttgarter FAS AG, die Unternehmen in Sachen Bilanzierung beraten, haben abgeklopft, bei welchen Unternehmen sich wegen neuer Bilanzregeln demnächst zusätzliche Milliardenschulden aus Mietkaufverträgen auftürmen könnten. Die Bilanzexperten der Uni St. Gallen durchforsten für die WirtschaftsWoche Jahr für Jahr die Geschäftsberichte der Dax-30-Unternehmen. Ergebnis: Die Milliardenrisiken aus Übernahmen sind erneut gestiegen. Anleger finden dieses Risiko in jeder Bilanz auf der Vermögensseite (Aktiva) unter der Position Goodwill (Firmenwert).

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