Das Hundert-Milliarden-Risiko Dax-Unternehmen gaukeln Aktionären heile Welt vor

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Lieber vorsichtig

Diese Dax-Aktien sollten Anleger kaufen

Wer es sich leisten kann, setzt deshalb den Abzinsungsmaßstab lieber niedriger an, damit die Pensionslücken in Zukunft noch beherrschbar sind. So sind bei BMW, Henkel, Daimler und Münchener Rück die angenommenen Zinssätze recht vorsichtig kalkuliert. Eher aggressive Annahmen unterstellen Fresenius, Fresenius Medical Care, HeidelbergCement und Lanxess. "Aktionäre sollten aufmerken, wenn ihre Unternehmen dauerhaft höhere Zinssätze anwenden als eigentlich geboten", so Jens Freiberg, Wirtschaftsprüfer bei BDO in Düsseldorf.

Denn schon geringe Veränderungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Bilanz: So stiegen bei RWE die Zusagen für Arbeitnehmer in Deutschland binnen eines Jahres um 3,7 Milliarden Euro, nur weil der Essener Energiekonzern den Zinssatz für deren Berechnung um 1,75 Prozentpunkte senkte. Effekt: Inklusive der Pensionsansprüche von Mitarbeitern im Ausland belastete RWE das Eigenkapital Ende 2012 mit knapp 2,3 Milliarden Euro. Auch bei Bayer, E.On oder Siemens sprangen die Verpflichtungen in die Höhe. Faustregel für Anleger: Sinkt der Rechnungszins um einen Prozentpunkt, dann steigt die Pensionsverpflichtung eines Unternehmens um 10 bis 20 Prozent.



Der große Bilanzcheck

Nicht nur Spötter behaupten deshalb, viele Unternehmen gehörten nicht den Anteilseignern, sondern den Pensionären. Obwohl die 30 Dax-Unternehmen 2012 mehr als zehn Prozent Rendite auf ihr Pensionsvermögen erwirtschafteten, fehlen fast 120 Milliarden Euro für die spätere Altersvorsorge in denjenigen Töpfen, die außerhalb der Bilanz das Pensionskapital ansammeln und damit im Falle einer Insolvenz nicht in der Masse untergehen. Innerhalb der Bilanz bilden die Unternehmen allerdings zudem Rückstellungen, teilweise sehr hohe, um einen Puffer für fehlendes ausgelagertes Vermögen zu sichern. In Summe aus ausgelagertem Vermögen und den Bilanzrückstellungen fehlen für alle Dax-30-Unternehmen berechnet derzeit immer noch 14,5 Milliarden Euro, obwohl etliche Lücken zulasten des Aktionärskapital bereits geschlossen wurden. Sollten die Zinsen weiter niedrig bleiben, dann müssten Milliarden aus den laufenden Geschäften abgezogen werden, um Pensionslöcher zu stopfen. Kapital, das für Investitionen oder Dividendenausschüttungen an die Aktionäre fehlte. Um Kleingeld geht es dabei nicht: 48 Milliarden Euro oder rund sieben Prozent ihres Anteils am Vermögen ihrer Unternehmen verloren Anleger in Dax-Aktien allein 2012 wegen der gestiegenen Pensionsverpflichtungen.

Spielräume eingeengt

Und dieses Jahr könnte erneut bitter werden. Denn das IASB hat die weitreichenden Gestaltungsspielräume der Unternehmen, was Pensionen betrifft, eingeschränkt. Seit dem 1. Januar müssen alle bisher nicht erfassten Pensionsverpflichtungen voll ausgewiesen werden. Thomas Hagemann, Chefaktuar von Mercer in Frankfurt, schätzt, dass allein deshalb weitere 23 Milliarden Euro an Eigenkapital aus den Dax-30-Bilanzen radiert werden. Insgesamt fielen dann 2012 und 2013 Verluste von 71 Milliarden Euro an - das entspricht mehr als dem erwarteten Jahresgewinn aller Dax-30-Unternehmen in diesem Jahr.

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