Dax-Ausblick Die Nerven liegen blank

Die Entscheidung der Briten für den Austritt aus der Europäischen Union sorgt weiter für Unruhe an den Märkten. Die Sorgen über die Folgen des Brexit-Votums lassen Aktionäre auch in der neuen Woche nicht los. Im Gegenteil.

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Noch haben die Märkten den Brexit-Schock nicht gänzlich verarbeitet. Quelle: Reuters

Düsseldorf Das „Ja“ der Briten zum Brexit wirkt nach. Die Unsicherheit ist groß, was der EU-Austritt Großbritannien für wirtschaftliche und politische Folgen haben wird. Und Unsicherheit mögen Börsianer bekanntlich gar nicht. Entsprechend fragil ist auch die Erholung an den Märkten zum Wochenausklang.

Zwar hatten gute Nachrichten vom US-amerikanischen Arbeitsmarkt die Brexit-Sorgen vieler deutscher Anleger vorerst vertrieben. Der Dax klettere um mehr als zwei Prozent und das Wochenminus schmolz auf nur noch gut ein Prozent. Die Ungewissheit um die Folgen der Brexit-Entscheidung wird aber schnell wieder hochkochen. Nach Einschätzung von Christian Schmidt, Analyst bei der Landesbank Helaba, bleibt der Aktienmarkt angeschlagen. Temporäre Erholungen sollten nicht darüber hinwegtäuschen.

Natürlich gibt es rund um den Globus auch noch andere Themen – etwa Konjunkturdaten aus den USA –, doch die werden die Finanzmärkte kaum von der Situation in Europa ablenken. Der Brexit bleibt aber das beherrschende Thema. Hinzu kommt die Angst um Italiens Banken, die als besonders angeschlagen gelten. „Dieses Mal haben politische Börsen angesichts der politischen Eurosklerose keine kurzen Beine“, Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank. „Ihr Einfluss auf die Aktienmärkte hält an, bis sich der Londoner und italienische Unsicherheitsnebel gelichtet hat. Eine erhöhte Volatilität ist zu erwarten, ohne jedoch frühere Ausmaße anzunehmen.“

Erste Folgen des Brexits sind bereits spürbar, das Risiko weiterer Rückschläge ist groß. In Großbritannien fordern beispielsweise immer mehr Immobilienfondsanleger ihr Geld zurück, aus Furcht vor sinkenden Immobilienwerten. Milliardenschwere Fonds liegen vorerst auf Eis, Anleger kommen nicht mehr an ihr Geld. Das Pfund ist noch immer stark unter Druck, Aktien schwanken mächtig, weltweit fallen die Renditen halbwegs sicherer Anleihen ins Bodenlose, der Goldpreis steigt.

Anleger sind auf der Suche nach „sicheren Häfen“ und meiden das Risiko. Dax-Anleger sollten sich daher erneut auf stärkere Schwankungen einstellen, sagt Tobias Basse von der NordLB.

Einer der wohl spannendsten Termine der kommenden Woche steht für Investoren am Donnerstag an: Erstmals nach dem Votum der Briten für den Ausstieg aus der Europäischen Union kommen die Währungshüter der Bank of England (BoE) zusammenkommen. Sie schlugen bereits vor ein paar Tagen Alarm und warnten vor gravierenden Folgen für die Finanzstabilität des Landes. Die aufkeimende Krise bei britischen Immobilienfonds dürfte BoE-Chef Mark Carney vor zusätzliche Herausforderungen stellen. Die Analysten der DZ Bank halten es für möglich, dass Carney bei der Sitzung am 14. Juli die Zinsen senken wird. Auch das derzeit ruhende Anleihe-Kaufprogramm könne wieder zum Leben erweckt werden.


Schwierige Situation für die britische Notenbank

Tobias Basse von der NordLB rechnet dagegen nicht mit einem größeren Zinsschritt. „Die Situation für die britische Notenbank ist ziemlich schwierig“, sagt der Marktstratege. Eine deutliche Zinssenkung könne den Abwärtsdruck beim Pfund Sterling verschärfen, das seit dem Brexit-Votum auf ein neues Rekordtief nach dem anderen rutscht. Zuletzt notierte es knapp unter 1,30 Dollar, so tief wie seit 31 Jahren nicht mehr. Der Allianz-Chefberater und früherer Chef des Vermögensberaters Pimco hält es sogar für möglich, dass ein Pfund bald nur noch einen Dollar kostet.

Spannend wird es in der kommenden Woche auch auf der anderen Seite des Atlantiks. In den USA stehen am Freitag unter anderem Daten zu den Einzelhandelsumsätzen und der Industrieproduktion auf dem Zettel. „Die Daten dürften zeigen, dass die US-Wirtschaft im zweiten Quartal wieder stärker gewachsen ist“, glauben die Ökonomen der Commerzbank. Von Reuters befragte Experten rechnen mit einem leichten Anstieg beider Werte gegenüber dem Vormonat. Im Mai hatten die US-Firmen vor allem wegen schwacher Zahlen von Autobauern ihre Produktion überraschend deutlich gedrosselt. Ebenfalls am Freitag berichtet China als erste große Volkswirtschaft über die Wirtschaftsentwicklung im zweiten Quartals.

Doch nicht nur Konjunkturzahlen könnten für Kursbewegungen sorgen. In den USA startet auch die Berichtssaison. Den Auftakt macht am Montag traditionell der Aluminiumkonzern Alcoa. Die Großbanken JP Morgan (Donnerstag), Wells Fargo und Citigroup (beide am Freitag) dürften Anleger vor allem auf Einbußen durch das Börsenbeben nach dem Brexit-Votum abklopfen. Zudem steht die Frage im Raum, welche Folgen das Referendum für ihr Geschäft haben wird.

Generell dürften die Quartalszahlen der US-Firmen positiv ausfallen, voraussichtlich aber hinter dem Niveau des Vorjahresquartals zurückbleiben, sagt LBBW-Analyst Uwe Streich. „Dies wäre bereits das vierte Quartal in Folge mit einem negativen Jahreswachstum und dürfte daher kaum dazu geeignet sein, die Anleger zu begeistern.“ Langweilig dürfte die neue Börsenwoche also nicht werden.

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