Dax-Bilanzen Anleger müssen oft im Nebel stochern

Anleger wollen wissen, was ihre Unternehmen in der Zukunft verdienen. Leider halten viele Dax-Konzerne ihre Prognosen gern wage. Doch gibt es auch Vorbilder.

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Intransparente Gewinnprognosen bei Dax-Unternehmen Quelle: REUTERS

Anleger investieren in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit eines Unternehmens. Die Geschäftsberichte liefern jedoch zu einem großen Teil einen Blick in den Rückspiegel. Der Stand des Vermögens und der Schulden wird zum Ende des Geschäftsjahres berechnet, das bei der Präsentation der Ergebnisse schon Wochen und Monate zurückliegt.

Die Aufwendungen und Erträge aus der Gewinn- und Verlustrechnung beziehen sich ebenfalls auf das abgelaufene Geschäftsjahr, auch wenn darin zuweilen schon Belastungen verbucht sind, die erst in der Zukunft auf das Unternehmen zukommen.

Daher ist für zukunftsorientierte Anleger besonders der Blick in den Lagebericht so wichtig. Denn dieser Teil des Geschäftsberichts soll auch Prognosen darüber liefern, mit welchen Ergebnissen der Vorstand in der näheren Zukunft rechnet.

So treffsicher sagen Dax-Konzerne ihre Gewinne vorher

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz DSW untersucht daher seit 2011 gemeinsam mit der Unternehmensberatung Kirchhoff jährlich, wie genau es die 30 Großunternehmen aus dem wichtigsten deutschen Aktienindex Dax mit ihren Prognosen nehmen und wie treffsicher diese Informationen für die Anleger sind.

„Wer langfristig anlegen will, braucht langfristige Informationen“, sagt DSW-Präsident Ulrich Hocker. Allerdings legen sich immer weniger Dax-Unternehmen über den von den Rechnungslegungsstandards vorgegebenen Prognosezeitraum von nur einem Jahr hinaus fest. Nur sechs der 30 Dax-Größen taten dies in ihren aktuellen Geschäftsberichten – zwei Jahre zuvor waren es noch 14 Gesellschaften, die freiwillig einen weiteren Blick in die Zukunft wagten als vorgeschrieben.
Die Anlegerschützer von der DSW legen besonderen Wert auf quantitative Informationen, also solche mit harten Zahlen.

Besonders gut kommt in der DSW-Studie der Gesundheitskonzern Fresenius weg. Er schlüsselte in einem engen Prozentbereich detailliert auf, wie sich Umsatz, Konzerngewinn, Investitionen und Dividende 2017 entwickeln würden. Darüber hinaus brach er die Vorhersagen auch auf einzelne Geschäftsbereiche herunter und legte quantitativ formulierte Ziele für das Jahr 2020 fest.

Positiv als transparentes Unternehmen hervorgehoben werden auch die Deutsche Telekom, der Autozulieferer Continental und der Chemiekonzern Bayer.

Niedrige Transparenz bescheinigte die DSW dagegen dem Baustoffspezialisten HeidelbergCement, dem Konsumgüterkonzern Beiersdorf und dem Autohersteller Daimler. Diese Unternehmen vermieden es, sich zahlenmäßig festzulegen und lieferten eher nebulöse Aussagen über die Entwicklung ihrer Geschäftszahlen mit schwer zu interpretierenden Formulierungen wie „einer moderaten Steigerung“, „leicht über dem Vorjahreswert“ oder „nochmals steigern“.

Auf Sicht fahren bedeutet nichts anderes, als blind zu sein

Dabei haben die Anlegerschützer Verständnis dafür, wenn Unternehmen in besonderen Umbruchssituationen – etwa aus dem Finanzsektor – oder mit besonders zyklischen oder saisonabhängigen Geschäftsmodellen – etwa Baubranche oder Handel – sich nur schwer quantitativ festlegen können. „In solchen Fällen sollten die Vorstände ihren Aktionären aber immerhin die Parameter nennen, an denen sich die Unsicherheiten festmachen“, sagt der Unternehmensberater Klaus Rainer Kirchhoff.


DSW-Präsident Hocker sieht treffende Prognosen nicht nur als Service des Unternehmens für seine Aktionäre. Der Kapitalmarkt könne daran auch erkennen, wie es um die Qualität des Managements bestellt sei, sprich, ob der Vorstand sein Unternehmen im Griff hat und wie gut er das Geschäft versteht. Nur wer sich wirklich auskennt und informiert ist, kann schließlich Pläne schmieden und Prognosen aufstellen.
Wenn die Geschäftszahlen wesentlich besser ausfallen als vorhergesagt, sei das für den Kapitalmarkt einerseits eine gute Nachricht. Andererseits sehen vor allem Aufsichtsräte solche Abweichungen nach oben unter dem Blickwinkel der Managerqualität und der Zuverlässigkeit durchaus kritisch.


Laut DSW-Studie nützt es Unternehmen wenig, wenn sie ihre Prognosen in Nebel hüllen. Denn gerade bei den Gesellschaften, die das taten, gingen die ohnehin wagen Vorhersagen oft besonders weit an der Realität vorbei. Wer sich im Geschäftsbericht verbindlich festlegt, zum Beispiel eine Umsatzsteigerung von 17 bis 20 Prozent anpeilt, signalisiert dagegen, dass er seinen Laden im Griff hat. Auch auf Analysten wirken solche konkreten Aussagen besonders vertrauenserweckend. Sie trauen sich eine Einschätzung der Aktie eher zu, wenn die Vorstände des Unternehmens genaue Prognosen wagen.
Die auch in manchen Pressekonferenzen von Managern gern verwendete Formulierung „wir fahren auf Sicht“, sehen die Anlegerschützer als Euphemismus, als Beschönigung. Im Klartext bedeute sie laut DSW-Präsident Hocker nichts anderes als dass der Vorstand quasi blind unterwegs sei.

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